- von Lucia Mutikani
Washington/Berlin (Reuters) - Der US-Arbeitsmarkt boomt weitaus stärker als gedacht und lässt die Aussichten auf eine rasche Zinswende schwinden.
Im März entstanden 303.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft, wie aus dem am Freitag veröffentlichten Arbeitsmarktbericht der Regierung hervorgeht. Von Reuters befragte Volkswirte hatten lediglich mit 200.000 gerechnet, nach revidiert 270.000 im Februar. Die separat ermittelte Arbeitslosenquote sank im März leicht auf 3,8 Prozent. Der Euro fiel nach den US-Jobdaten um 0,3 Prozent auf 1,08 Dollar, nachdem er zuvor leicht im Plus war. Im Euroraum stehen die Zeichen auf Zinssenkung im Juni, während ein solcher Schritt nach unten in den USA aus Expertensicht eine eher wackelige Angelegenheit ist.
An den Terminmärkten wurde die Wahrscheinlichkeit für eine erste Zinssenkung der US-Notenbank im Juni nur noch auf rund 55 Prozent taxiert. Zudem stellen sich die Finanzmärkte auf lediglich zwei Schritte nach unten für das laufende Jahr ein, obwohl die Währungshüter zuletzt noch drei Senkungen ins Auge gefasst hatten.
"Die Stärke des US-Arbeitsmarktes überrascht einmal mehr", so die Einschätzung von Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die von den Finanzmärkten herbeigesehnte Zinswende im Juni "wackelt derzeit mächtig", wie der Experte meint. Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank verweist allerdings darauf, dass wichtige Konjunkturbarometer signalisierten, dass die Einstellungsbereitschaft der US-Unternehmen abebbe. Auch kleinere und mittlere Unternehmen schraubten ihre Beschäftigungserwartungen zuletzt etwas zurück. Zusammengenommen spreche dies für schlechtere Arbeitsmarktzahlen in den kommenden Monaten und folglich auch für Zinssenkungen der Fed: "Sollten sich diese Indikatoren jedoch als Nebelkerze erweisen, dann wird auch die Fed umdenken müssen", so die Einschätzung des Ökonomen.
LOHNWACHSTUM ZIEHT ZUM VORMONAT AN
Die US-Notenbank Federal Reserve will mit einer straffen geldpolitischen Linie die Inflation zurückdrängen. Sie hat die Leitzinsen seit Anfang 2022 von nahe null auf eine Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent erhöht, zuletzt aber mehrfach pausiert. Die Abkühlung des Arbeitsmarkts gilt der Fed als eine wichtige Voraussetzung, um ihr Zwei-Prozent-Ziel bei der Teuerung dauerhaft zu erreichen. Dabei richten die Währungshüter ihr Augenmerk auch auf das Lohnwachstum: Zum Vormonat legten die Löhne im März wie von Experten erwartet um 0,3 Prozent zu, nach einem Plus von 0,2 Prozent im Februar. Zum Vorjahr ergab sich ein ebenfalls von Ökonomen richtig vorhergesagter Zuwachs von 4,1 Prozent, nach 4,3 Prozent im Vormonat.
Fed-Chef Jerome Powell hatte jüngst bekräftigt, dass es Aussicht auf eine Zinswende im laufenden Jahr gibt. Den Zeitpunkt ließ er jedoch offen. Die Inflation sei auf dem Weg zum Ziel der Fed von 2 Prozent, obgleich auf einem "bisweilen holprigen Pfad". Das konjunkturelle Gesamtbild sei von einem soliden Wachstum und einem starken und zugleich besser ausbalancierten Arbeitsmarkt geprägt. Die Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem Jobmarkt ist allerdings noch immer deutlich stärker als das Angebot.
Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe ist zugleich zuletzt stärker gestiegen als erwartet. Insgesamt 221.000 Bürger stellten in der vorigen Woche einen Antrag auf staatliche Unterstützung. Kritisch wird es einer volkswirtschaftlichen Daumenregel zufolge allerdings erst ab einer Marke von 270.000 Erstanträgen - ein Signal für eine negative Trendwende am Jobmarkt.
(Bericht von Reinhard Becker, Rene Wagner, Frank Siebelt, redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)