Berlin (Reuters) - Eine Gruppe europäischer Volkswirte um Ifo-Chef Clemens Fuest kritisiert die Innovationspolitik der EU und dringt auf Reformen.
"Die EU verliert den Wettlauf um Innovationen und gibt damit wirtschaftliches Wohlergehen sowie regulatorischen und geopolitischen Einfluss auf", sagte Nobelpreisträger Jean Tirole von der Toulouse School of Economics. Ihre völlige Abwesenheit in der Gruppe der Top-20-Tech-Unternehmen und der Top-20-Start-ups sei bedrohlich. Die EU gebe zu wenig für Forschung und Entwicklung aus und konzentriere sich auf "Mid-Tech-Branchen".
Nach Ansicht von Ifo-Präsident Fuest konzentrieren sich die Investitionen in die EU-Forschung auf die Automobilindustrie und ähnliche Sektoren, während Europa in wachsenden Hightech-Branchen wie der digitalen Wirtschaft immer weiter abgehängt werde. Um den aktuellen Trend umzukehren, empfehlen die Forscher, dass die EU viel mehr in "bahnbrechende Innovationen" investieren und Hightech-Projekte mit geringer technologischer Reife unterstützen sollte. Die EU sollte laut Tirole die politische Kontrolle über wissenschaftliche Entscheidungen verringern, mehr führende Wissenschaftler einbeziehen und diesen mehr Ermessensspielraum und Flexibilität einräumen. Der Bericht der Forscher mit dem Titel "EU Innovation Policy - How to Escape the Middle Technology Trap?" wurde am Mittwoch in Brüssel veröffentlicht. Den Autoren zufolge sollte der Europäische Innovationsrat (EIC) nach dem Vorbild der amerikanischen ARPA-Agenturen umgestaltet werden. Dies würde bedeuten, dass mehr Wissenschaftler und weniger Beamte in den Ausschüssen sitzen. Im Vergleich zu den USA seien die Bewerbungs- und Auswahlverfahren in der EU extrem bürokratisch. Infolgedessen würden in Europa derzeit zu wenige bahnbrechende Innovationen gefördert, und die Finanzierung konzentriere sich zu sehr auf die Behebung von Unzulänglichkeiten des Kapitalmarkts, mit denen kleine und mittlere Unternehmen zu kämpfen haben.
(Bericht von Reinhard Becker, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)