Frankfurt (Reuters) - Die Währungshüter der Europäischen Zentralbank beraten am Vormittag in Frankfurt über die Zinsen in der Euro-Zone.
Volkswirte rechnen zwar damit, dass die Euro-Wächter um EZB-Chefin Christine Lagarde an den Schlüsselzinsen wie auf den vier vorherigen Geldpolitik-Treffen nicht rütteln werden. Doch da die Inflation im Euroraum immer weiter zurückweicht erwarten die Experten Signale, dass eine erste Zinssenkung bereits auf der Zinssitzung am 6. Juni beschlossen werden könnte. Der Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, liegt bereits seit September auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent, der Leitzins bei 4,50 Prozent. Mit mindestens drei Zinssenkungen in diesem Jahr wird derzeit am Finanzmarkt gerechnet.
Mittlerweile ist die Inflation in der 20-Ländergemeinschaft im März auf 2,4 Prozent gesunken. Im Februar waren es noch 2,6 Prozent gewesen. Das EZB-Ziel einer Rate von 2,0 Prozent, die sie als optimales Inflationsniveau erachtet, rückt immer näher. Die EZB will ihren Zinsbeschluss am Nachmittag um 14.15 Uhr veröffentlichen. Im Anschluss daran um 14.45 Uhr will sich Lagarde auf einer Pressekonferenz Fragen der Journalisten stellen.
In den vergangenen Wochen hatte eine ganze Riege von Währungshütern auf Veranstaltungen erklärt, dass der Juni der geeignete Starttermin für die Zinswende sein könnte. Dafür spricht aus ihrer Sicht, dass das Lohnwachstum im Euroraum, einer der zentralen Inflationstreiber, zuletzt nicht mehr ganz so stark ausfiel. Die Inflation könnte daher bereits im laufenden Jahr auf 2,0 Prozent sinken, was die Währungshüter bislang erst für Mitte 2025 erwarten. Fragen zur Zahl und Abfolge möglicher Zinssenkungen in diesem Jahr und zur Inflationsentwicklung dürften auf der Pressekonferenz mit Lagarde besonders im Fokus stehen.
Fragen aufwerfen dürfte zudem, dass die EZB diesmal vor der US-Notenbank die Zinswende einleiten könnte. Denn auf der anderen Seite des Atlantiks brummt die Wirtschaft und die Inflation ist anders als erhofft dort zuletzt sogar wieder gestiegen. Dies hat dazu geführt, dass Börsianer inzwischen erst im September mit einer ersten Zinssenkung der Federal Reserve rechnen. Lagarde muss daher womöglich Rede und Antwort stehen, welche Auswirkungen es haben könnte für die Inflation und die Kurse der Staatsanleihen, wenn die Geldpolitik in der Euro-Zone nicht mehr im Tandem mit den USA unterwegs sind.
(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)