Berlin (Reuters) - Mit einer Sonderförderung sollten Bund und Länder aus Sicht von Verbänden der Bau- und Immobilienbranche die Flaute im Wohnungsbau beheben.
Nötig seien jährlich Subventionen von 15 Milliarden Euro für 100.000 neue Sozialwohnungen und weitere acht Milliarden Euro für den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen, teilte das Verbändebündnis Wohnungsbau am Donnerstag mit. Zudem solle die öffentliche Hand die Bautätigkeit mit einem Zinsverbilligungsprogramm von einem Prozent anschieben.
Ferner appellierten die Branchenvertreter an die Politik, die Baustandards und damit die Herstellungskosten nicht weiter zu erhöhen. "Wir haben einen hohen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum bei gleichzeitig viel zu hohen Baukosten, auch aufgrund von viel zu hohen Bau-Standards", sagte Dirk Salewski, Präsident des Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW).
Die hohen Zinsen und Baukosten haben zuletzt für eine Flaute am Bau und hier vor allem beim Wohnungsbau gesorgt. Denn viele Privatleute können sich Bauen nicht mehr leisten, und für Investoren rentiert es sich derzeit kaum. Die Branche fordert deshalb Maßnahmen der Politik, um die Baukonjunktur anzukurbeln.
Die sieben Verbände - darunter die Gewerkschaft IG BAU, der Mieterbund und der Bauverband ZDB - präsentierten auf dem jährlichen Wohnungsbautag zwei in Auftrag gegebene Studien. Die Analyse des Kieler Bauforschungsinstituts ARGE kommt zum Schluss, dass der Staat dringend Sofort-Förderungen für den Neubau von Wohnungen bereitstellen sollte. Demnach fehlten derzeit 800.000 Wohnungen. Aktuell lebten rund 9,3 Millionen Menschen in Deutschland in überbelegten Wohnungen. Zudem sei jeder dritte Mieterhaushalt ? und damit über sieben Millionen Haushalte bundesweit ? mit den Wohnkosten überlastet. "Durch die Krise im Wohnungsbau eskaliert die Wohnungsnot", hieß es.
"ACHILLESFERSE DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT"
ARGE-Studienleiter Dietmar Walberg bezeichnete viele Normen, Vorgaben und Auflagen als überzogen. Seit 2020 hätten sich die Baukosten um 42 Prozent verteuert. "Um schnell wieder bezahlbare Wohnungen bauen zu können, müssen sofort alle Möglichkeiten genutzt werden, die Baukosten zu senken." Das gehe nur über geringere Standards. "Wir müssen einfacher bauen. Wir müssen anders bauen. Sonst bauen wir bald gar nicht mehr", warnte Walberg.
Eine Studie des Beratungsunternehmens des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Econ) bescheinigte dem Wohnungsbau eine Schlüsselrolle für die Wirtschaft. Denn die Branche habe 2023 hierzulande eine Bruttowertschöpfung von insgesamt rund 537 Milliarden Euro erwirtschaftet und damit jeden siebten Euro der gesamten Bruttowertschöpfung. Der Wohnungsbau habe im Vorjahr für Steuereinnahmen von 141 Milliarden Euro gesorgt und damit für 17 Prozent aller Steuereinnahmen. Laut DIW leistet der Wohnungsbau einen ähnlich großen Beitrag zur Wirtschaft wie die Autobranche. Allerdings seien die Gesamtinvestitionen in den Wohnungsbau drei Jahre in Folge rückläufig und dürften 2024 um nominal 5,4 Prozent sinken. DIW-Studienleiter Martin Gornig sieht im Wohnungsbau eine "Achillesferse der deutschen Wirtschaft".
(Bericht von Klaus Lauer; redigiert von Reinhard Becker. - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)