- von Andreas Rinke und Ryan Woo
Peking (Reuters) - Kanzler Olaf Scholz drängt China zu einer aktiveren Rolle im Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Er wolle mit Chinas Präsident Xi Jinping darüber diskutieren, "wie wir mehr zu einem gerechten Frieden in der Ukraine beitragen können", sagte Scholz am Dienstag in Peking zum Auftakt eines Treffens mit Xi. "Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die Aufrüstung Russlands haben ganz erhebliche negative Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa. Sie beeinträchtigen unsere Kerninteressen unmittelbar." Hintergrund sind Vorwürfe westlicher Regierungen, dass China Russland zwar nicht mit Waffen, aber mit sogenannten Dual-Use-Gütern unterstützt, die zivil genutzt werden können, die Russland aber für seinen Angriffskrieg verwenden soll.
Scholz mahnte, dass der Angriff "mittelbar" die gesamte internationale Ordnung beschädige. Denn er verletze den Grundsatz der Charta der UN, dass Staatsgrenzen nicht verletzt werden dürften. Sowohl Xi als auch er hätten bereits deutlich gemacht, dass Russland mit dem Einsatz von Nuklearwaffen nicht einmal drohen dürfe. China ist wie Russland ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates.
Der chinesische Präsident Xi Jinping ging bei der Begrüßung nicht auf das Thema ein. Er sagte nur allgemein, dass die Beziehungen zu Deutschland stetig weiterentwickelt würden, solange beide Seiten einander respektierten und "Gemeinsamkeiten" suchten, auch wenn es weiter Unterschiede gebe. Dies gilt als Formulierung, mit der sich China Einmischungen in innere Angelegenheiten und etwa Kritik an der Menschenrechtslage im Land verbittet. "Wir müssen die bilateralen Beziehungen aus einer langfristigen und strategischen Perspektive heraus betrachten und entwickeln." Xi betonte eine positive Entwicklungen der bilateralen Beziehungen und deren internationale Bedeutung. "China und Deutschland sind die zweit- und drittgrößten Volkswirtschaften der Welt." Die Entwicklung der Beziehungen habe "wichtige Auswirkungen auf den asiatisch-europäischen Kontinent und sogar auf die ganze Welt". Gemeinsam werde man für mehr Stabilität und Sicherheit in der Welt sorgen.
Scholz hatte in einer Debatte mit chinesischen Studenten am Montag in Shanghai gesagt, dass sowohl im Privatleben als auch zwischen Staaten gelten sollte, dass sich niemand vor einem großen, starken Nachbarn fürchten sollen müsse. Dies war eine Anspielung etwa auf die Konflikte Chinas mit seinen Nachbarn im südchinesischen Meer.
Der Kanzler will am Dienstag auch Ministerpräsident Li Qiang treffen und an einem deutsch-chinesischen Wirtschaftstreffen teilnehmen. Scholz wird auf seiner dreitägigen Reise von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Vor Peking hatte er die Städte Chongqing und Shanghai besucht. Zuletzt war Scholz im November 2022 in China gewesen, 2023 fanden bilaterale Regierungskonsultationen in Berlin statt. Scholz hatte im Vorfeld seiner Reise darauf verwiesen, dass sein Besuch auf Grundlage der neuen China-Strategie stattfinden, die aus geopolitischen Gründen und wegen der innenpolitischen Entwicklung in China einen deutlich kritischeren Ton gegenüber Peking anschlägt. In Shanghai hatte er auf gleiche Wettbewerbsbedingungen für deutschen Unternehmen gepocht. In Peking verwies er vor dem Gespräch mit Xi darauf, dass Deutschland und China als Exportnationen von den Regeln der Welthandelsorganisation profitierten. Dies war eine Anspielung auf die Kritik an chinesischen Überkapazitäten, die auf die Weltmärkte gelangen. Etliche Staaten und auch die EU werfen China einen unfairen Wettbewerb vor.
AUTO-CHEFS WARNEN VOR HANDELSSTREIT
Die Chefs der beiden deutschen Autokonzerne BMW und Mercedes warnten vor einem Handelsstreit etwa über chinesische E-Autos in Europa. "Was wir nicht gebrauchen können als Exportnation sind steigende Handelshindernisse", sagte Mercedes-Chef Ole Källenius in Peking der ARD zu der EU-Prüfung, ob es einen unfairen Wettbewerb durch chinesische E-Autos gibt. "Der beste Schutz ist wettbewerbsfähig zu sein. Und wenn man anfängt Handelshindernisse aufzubauen, erst der eine und dann der andere, dann führt das in die falsche Richtung." Källenius bezeichnete ebenso wie BMW-Chef Oliver Zipse China eher als Chance denn als Risiko. Mit Blick auf den Besuch von Scholz sagte Källenius, die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehung müssten nicht nur gepflegt, sondern auch ausgebaut werden. "Sich von so einem großen Markt zurückzuziehen, ist keine Alternative, sondern wir bauen eher unsere Position heraus", sagte er zur Strategie seines Unternehmens in China.
BMW sei bereits weltweit aufgestellt, was die beste Strategie sei, Abhängigkeiten von einem Markt zu minimieren, sagte Zipse zu politischen Forderungen nach Diversifizierung. Auch er äußerte sich skeptisch zu EU-Prüfungen bei chinesischen E-Autos. "Wir fühlen uns nicht bedroht. Auch diesmal sollten wir es nicht übertreiben mit der Angst vor ausländischen Herstellern. Wir sind zuversichtlich, dass wir wettbewerbsfähig sind." Beide Premium-Auto-Hersteller sind stark auf dem chinesischen Markt vertreten. Sie spüren den Konkurrenzdruck weniger als die Hersteller kleinerer Autos, bei denen die Margen geringer und die Zahl der chinesischen Konkurrenten gerade bei E-Autos höher sind.
(Redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)