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Israel ringt um Antwort - "Diplomatischer Angriff" auf Iran

16.04.2024
um 15:27 Uhr

(Durchgehend neu)

- von James Mackenzie und Alexander Ratz

Jerusalem/Berlin (Reuters) - Im Ringen um eine angemessene Antwort auf den iranischen Drohnen-Angriff geht die israelische Regierung zunächst politisch gegen den Iran vor.

Außenminister Israel Katz sagte am Dienstag, neben den militärischen Planungen führe er "einen diplomatischen Angriff" auf Iran, in dem er 32 Staaten schriftlich darum gebeten habe, das iranische Raketenprogramm zu sanktionieren und die Revolutionsgarden als terroristische Vereinigung zu listen. Das israelische Kriegskabinett sollte unterdessen am Nachmittag zum dritten Mal nach den iranischen Angriffen vom Wochenende tagen.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock machte sich unterdessen auf den Weg zu ihrem siebten Besuch in Israel seit dem Massaker der radikal-islamischen Hamas am 07. Oktober. Sie werde Israel dabei die "volle Solidarität Deutschlands" versichern, sagte Baerbock bei einer Pressekonferenz mit dem jordanischen Außenminister Ayman Safadi in Berlin. Zudem werde sie darüber sprechen, wie eine weitere Eskalation im Konflikt mit dem Iran verhindert werden könne. Es komme jetzt darauf an, dem Iran Einhalt zu gebieten. Geplant sind nach Angaben des Auswärtigen Amts Gespräche Baerbocks am Mittwoch mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Außenminister Israel Katz und Minister Benny Gantz.

Der Iran hatte in der Nacht zum Sonntag mehr als 300 Raketen und Drohnen auf Israel abgeschossen, die zu 99 Prozent abgefangen werden konnten. Israel wurde dabei von den USA, Großbritannien und Frankreich sowie Jordanien unterstützt. Der Iran erklärte, er habe mit seinem Vorgehen Vergeltung geübt für einen Israel zugeschriebenen Angriff auf sein Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus am 1. April. Dabei wurden sieben Offiziere der Revolutionsgarden getötet. Der Iran macht Israel dafür verantwortlich, das eine Verantwortung weder bestätigt noch dementiert.

Israels Verbündete haben Netanjahu wiederholt gemahnt, auf eine großangelegte militärische Antwort als Reaktion auf den iranischen Angriff zu verzichten. Schon am Sonntag hatte das israelische Kriegskabinett grundsätzlich beschlossen, dass es eine Reaktion geben werde. Zeitpunkt und Intensität sind aber weiter in der Diskussion. Irans Präsident Ebrahim Raisi betonte, sein Land werde auf jede Aktion reagieren, die sich gegen seine Interessen richte. Vize-Außenminister Ali Bagheri Kani sagte im staatlichen Fernsehen, eine Antwort auf einen Angriff Israels wäre "eine Frage von Sekunden".

"DIESEN SCHRITT ENDLICH GEMEINSAM GEHEN"

Baerbock setzt unterdessen auf weitere Sanktionen der Europäischen Union gegen den Iran. Sie habe bereits im Herbst vergangenen Jahres zusammen mit Frankreich und anderen EU-Partnern dafür geworben, ein bestehendes Sanktionsregime der EU gegen iranische Drohnen auszuweiten, sagte Baerbock. "Ich hoffe, dass wir diesen Schritt als EU jetzt endlich gemeinsam gehen können." Die EU-Sanktionen bestehen, weil der Iran Russland für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine Drohnen liefert. Für den Nachmittag war ein virtuelles Treffen der EU-Außenministerinnen und -Außenminister zu den Spannungen in Nahost geplant.

China versucht unterdessen offenbar zu vermitteln. Nach Einschätzung der Pekinger Regierung ist der Iran in der Lage, "die Situation gut zu meistern und der Region weitere Instabilität zu ersparen". Zugleich könne der Iran seine Souveränität und Würde wahren, habe Außenminister Wang Yi in einem Telefonat mit dem iranischen Chefdiplomaten Hossein Amir-Abdollahian gesagt, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Amir-Abdollahian habe in dem Gespräch erklärt, dass der Iran zur Zurückhaltung bereit sei und nicht die Absicht habe, die Lage zu eskalieren. China ist einer der wichtigsten Handelspartner des Irans und bezieht von dort vor allem Erdöl.

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, zeigte sich besorgt, dass Israel bei einem Vergeltungsschlag iranische Atomanlagen angreifen könnte. "Wir sind immer besorgt über diese Möglichkeit", antwortete Grossi in New York auf einer Pressekonferenz auf eine entsprechende Frage und rief zu äußerster Zurückhaltung auf. Von Inspektionen der iranischen Atomanlagen habe man seit Sonntag abgesehen. "Wir werden morgen wieder anfangen", kündigte Grossi an. Die IAEA inspiziert regelmäßig die wichtigsten iranischen Atomanlagen, darunter die Uran-Anreicherungsanlage in Natans, das Herzstück des Atomprogramms des Irans.

(Mit weiteren Reuters-Büros; Redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)