Berlin (Reuters) - Hohe Lohnforderungen von Gewerkschaften könnten einer Studie zufolge in diesem Jahr zu einer stärkeren Inflation in Deutschland führen.
Es gebe teilweise Forderungen im zweistelligen Prozentbereich, was gefährlich sei, heißt es am Donnerstag in einer Analyse des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Denn die Löhne seien in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als die Produktivität. Die Unternehmen würden dadurch gezwungen, die höheren Löhne auf die Preise zu überwälzen.
"Die Krisen der letzten Jahre haben dazu beigetragen, dass die Kosten explodiert sind", sagte IW-Tarifexperte Hagen Lesch. Hohe Energiekosten, fehlende Fachkräfte und eine schwache Konjunktur belasteten die Unternehmen spürbar. "Kommen nun noch überzogene Lohnabschlüsse hinzu, gefährdet das den Rückgang der Inflation." Das könne sich wiederum auf die Geldpolitik auswirken: Für die Europäische Zentralbank (EZB) würde es dann immer schwieriger, ihr Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen. In einem solchen Fall müsste die Zentralbank länger an ihrem restriktiven Kurs festhalten. "Das würde das Wachstum weiter bremsen und ist ein Szenario, das niemand wollen kann", sagte Lesch. "Die Gewerkschaften sind deshalb gut beraten, Maß zu halten."
Vertreter vieler Gewerkschaften haben allerdings wiederholt betont, wie wichtig es sei, dass die Beschäftigten nach dem Kaufkraftverlust durch die lange hohe Inflation nun wieder mehr Geld in der Tasche hätten. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute und Regierungsberater hatten in ihrem Frühjahrsgutachten erklärt, die Inflation dürfte 2024 im Schnitt auf 2,3 Prozent fallen, nach 5,9 Prozent im Vorjahr.
Seit 2010 und damit nach dem Ende der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise stiegen die von Gewerkschaften und Arbeitgeber tariflich ausgehandelten Löhne laut IW um fast 38 Prozent. Im produzierenden Gewerbe gab es sogar ein Plus von gut 40 Prozent, bei den Dienstleistern waren es 37,5 Prozent mehr. Insgesamt koppelten sich die Löhne immer mehr von der Produktivität ab: "Hier lag der Zuwachs seit 2010 nur bei etwa elf Prozent."
(Bericht von Klaus Lauer; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)