Berlin (Reuters) - Deutschland kommt der europäischen Ratingagentur Scope zufolge ohne höhere Investitionen nicht aus der wirtschaftlichen Dauerflaute.
"Eine Reform der Schuldenbremse könnte dabei helfen", schrieb der für Deutschland zuständige Scope-Direktor Eiko Sievert in einer der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag vorliegenden Studie. Die Bundesrepublik verfüge zwar über einen großen fiskalischen Puffer, der die Folgen von Pandemie, Energiekrise und dem russischen Krieg in der Ukraine abgefedert habe. "Aber die strenge Auslegung der Schuldenbremse durch das Bundesverfassungsgericht dürfte das Wachstum zurückhalten, da sie die öffentlichen Investitionen einschränkt."
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erlaubt nur eine geringe Neuverschuldung.
Für das laufende Jahr rechnet Scope lediglich mit einem deutschen Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent. Damit würde das Bruttoinlandsprodukt nur um 0,3 Prozent über dem Niveau des Vor-Pandemie-Jahres 2019 liegen. Andere große europäische Länder wie das Vereinigte Königreich (+2,3 Prozent), Frankreich (+2,6 Prozent), Italien (+4,2 Prozent) und Spanien (+4,9 Prozent) dürften weit besser vorankommen.
Nach fünf mauen Jahren sei es "unwahrscheinlich, dass Deutschland seine wirtschaftliche Erholung ohne angemessene politische Reformen und einen Anstieg der Nettoinvestitionen beschleunigen kann", betonte Sievert. Der Staat verfüge über "erheblichen finanzpolitischen Spielraum zur Finanzierung wachstumsfördernder Investitionen". So dürfte die Schuldenquote bis 2028 auf 59 Prozent des Bruttoinlandsproduktes fallen, von 64 Prozent im vergangenen Jahr. Die Haushaltslage stehe damit in scharfem Kontrast zu den öffentlichen Finanzen der anderen großen europäischen Volkswirtschaften. Frankreichs Schuldenquote etwa ist fast doppelt so hoch. Scope bewertet die Kreditwürdigkeit Deutschlands mit der Bestnote AAA.
Scope hält zudem ehrgeizigere Reformen für erforderlich, um das Wachstum der Privatwirtschaft anzukurbeln, da eine Reform der Schuldenbremse allein nicht ausreiche. Dazu gehörten eine stärkere Entlastung von Bürokratiekosten, eine Reform der Einwanderungspolitik und familienfreundliche Maßnahmen. So würden 66 Prozent der Mütter in Teilzeit arbeiten, auch wegen fehlender Betreuungsmöglichkeiten.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)