Düsseldorf (Reuters) - Die als Ermittlerin im Cum-Ex-Steuerskandal bekannte Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker wirft das Handtuch.
Brorhilker habe zum 31. Mai um Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gebeten, sagte am Montag ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Köln. Ein entsprechendes Schreiben sei am Vormittag eingegangen. Eine neue Aufgabe hat die Juristin dabei schon gefunden: Die Cum-Ex-Ermittlerin werde Geschäftsführerin der Organisation Finanzwende, teilte die Nichtregierungsorganisation mit.
Finanzwende-Vorstand Gerhard Schick sagte, der Wechsel sei "eine Kampfansage an Finanzkriminelle und ihre Unterstützer". Brorhilkers Entscheidung müsse "ein Weckruf sein, die Verfolgung von Finanzkriminalität endlich zur politischen Priorität in Deutschland zu machen". Die Organisation setzt sich nach eigenen Worten für "faire, stabile und nachhaltige Finanzmärkte ein". Diese hätten sich an vielen Stellen von der wirtschaftlichen Realität abgekoppelt - und müssten "wieder den Menschen dienen".
Brorhilker spielte eine zentrale Rolle bei der Aufklärung von Cum-Ex-Fällen, die federführend auch bei der Staatsanwaltschaft Köln lagen. Sie war unter anderem Anklägerin im ersten Strafprozess zu dem Steuerskandal vor dem Landgericht Bonn, bei dem im März 2020 zwei britische Aktienhändler aufgrund ihrer umfassenden Zusammenarbeit mit den Ermittlern um Haftstrafen herumgekommen waren. Zahlreiche weitere Prozesse folgten, unter anderem gegen den Steueranwalt Hanno Berger, der als eine der zentralen Akteure bei Geschäften gilt.
Bei den Cum-Ex-Geschäften war dem deutschen Staat ein Schaden in Milliardenhöhe entstanden. Anleger ließen sich dabei eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit - also cum - und ohne - ex - Dividendenanspruch. Die Fälle hatten weite Kreise gezogen, bei Banken und Anwaltskanzleien gab und gibt es deswegen immer wieder Durchsuchungen. Allein die Staatsanwaltschaft Köln führt rund 120 Ermittlungsverfahren im "Cum-Ex-Bereich", die sich ihren Angaben zufolge gegen rund 1700 Beschuldigte richten.
Brorhilker sagte dem WDR, sie sei immer mit "Leib und Seele" Staatsanwältin gewesen. "Aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird", sagte sie weiter: "Da geht es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz." Sie plädierte für mehr Personal in der Strafverfolgung und für eine bundesweite zentrale Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität aus, die auch Steuervergehen verfolge.
(Bericht von Matthias Inverardi.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bittean unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)