Berlin (Reuters) - Chinesische Massenimporte haben einer Studie zufolge rechtsextremen und populistischen Parteien in Europa Zulauf beschert.
Diese konnten in nationalen Wahlen vom sogenannten China-Schock profitieren, lautet das Fazit der am Dienstag veröffentlichten Langzeitstudie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Demnach hat insbesondere die stark erhöhte Einfuhr chinesischer Waren von 2000 bis 2007 in Europa den wirtschaftlichen Wettbewerb verschärft. Kurzfristig hätten zwar linke Parteien wie Die Linke in Deutschland oder Syriza in Griechenland durch die Globalisierung Auftrieb bekommen, da der Wunsch nach sozialer Absicherung zunächst eine wichtige Rolle gespielt habe. Langfristig jedoch hätten populistische und rechtsextreme Parteien dort Stimmenzuwächse verzeichnet, wo die Importzuwächse am stärksten gewesen seien. Wähler verloren demnach das Vertrauen in den Sozialstaat und suchten Schutz im Protektionismus.
Im Durchschnitt hätten die verstärkten chinesischen Einfuhren den rechtsextremen Parteien in Europa ein Stimmenplus von einem Prozentpunkt beschert. Populisten gewannen demnach bis zu 1,5 Prozentpunkte hinzu. "Der internationale Wettbewerb hat vielen Menschen mehr Wohlstand gebracht und zugleich die politischen Ränder in Europa gestärkt", sagte der Leiter der IWH-Abteilung Strukturwandel und Produktivität, Steffen Müller. "Aber die Globalisierung ist nicht der Hauptgrund für den allgemeinen Rechtsruck." Denn die Auswirkungen des Importschocks seien eher moderat.
Politikwissenschaftler und Soziologen machen demnach vor allem nichtökonomische Ursachen für den Aufschwung rechter Parteien aus - etwa Vorbehalte gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen, die als zu progressiv wahrgenommen werden. Diese Faktoren waren nicht Gegenstand der Studie. Es sei demnach fraglich, inwiefern staatliche Hilfen für die vom ökonomischen Strukturwandel betroffenen Regionen langfristig dazu beitragen könnten, populistische und rechtsextreme Parteien in Schach zu halten. "Die Politik sollte wirtschaftliche Härten abfedern, ohne dabei den Strukturwandel auszubremsen", sagte Ökonom Müller. "Denn die fortlaufende Erneuerung der Wirtschaft sichert langfristigen Wohlstand."
Für die Studie wurden Wahlergebnisse aus 15 europäischen Ländern von 1997 bis 2019 ausgewertet. Sie untersuchte, wie sich im Lauf der Zeit die Ergebnisse der nationalen Parlamentswahlen auf regionaler Ebene entwickelten. Sie schätzten die kausalen Auswirkungen chinesischer Importe auf das Wahlverhalten.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Sabine Wollrab - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)