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Israel bereitet vor geplanter Offensive Rafah-Evakuierung vor

24.04.2024
um 14:32 Uhr

Jerusalem (Reuters) - Israel treibt seine Vorbereitungen für eine Militäroffensive in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen ungeachtet internationaler Appelle voran.

Das Verteidigungsministerium hat 40.000 Zelte beschafft, um Bewohner vor einem angekündigten Angriff in den kommenden Wochen aus der Stadt an der Grenze zu Ägypten zu evakuieren, wie am Mittwoch aus Regierungskreisen verlautete. In jedem Zelt könnten zehn bis zwölf Menschen unterkommen. Rafah gilt als letzte Bastion der militant-islamistischen Palästinenser-Organisation Hamas im Gazastreifen, die mit ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober den Gaza-Krieg ausgelöst hatte. In der Stadt haben mehr als eine Million Palästinenser vor den Kämpfen zwischen der israelischen Armee und den Extremisten Zuflucht gesucht. Seit Wochen wird Israel deswegen aus Sorge um zivile Opfer international aufgefordert, auf eine Offensive zu verzichten.

Videos im Internet zeigten Reihen quadratischer weißer Zelte, die in der Stadt Chan Junis etwa fünf Kilometer von Rafah entfernt aufgebaut wurden. Reuters konnte dies nicht verifizieren, erhielt aber von der Satellitenfirma Maxar Bilder, die mehrere Zeltlager auf einem Gelände von Chan Junis zeigen, das am 7. April noch leer war. Das israelische Verteidigungsministerium lehnte eine Stellungnahme ab.

Aus Regierungskreisen verlautete, das Kriegskabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wolle in den nächsten zwei Wochen zusammentreten, um das Herausbringen der Zivilbevölkerung - das etwa einen Monat dauern soll - als erste Phase der Räumung von Rafah zu beschließen. Netanjahus Büro äußerte sich zunächst nicht dazu. Das israelische Militär hat sich zwar nicht zu konkreten Kampfplänen geäußert, aber zunehmend Bereitschaft signalisiert, auf Rafah vorzurücken. "Die Hamas wurde im nördlichen Sektor schwer getroffen. Sie wurde auch in der Mitte des Gazastreifens schwer getroffen. Und bald wird sie auch in Rafah hart getroffen werden", sagte Brigadegeneral Itzik Cohen, Kommandeur der 162. Division, die im Gazastreifen im Einsatz ist, am Dienstag dem staatlichen TV-Sender Kan. Am Mittwoch erklärte das Militär, es habe zwei Reservistenbrigaden für Einsätze im Gazastreifen mobilisiert.

ÄGYPTEN WARNT VOR MASSAKER IN RAFAH

Nach israelischen Angaben befinden sich in Rafah vier intakte Hamas-Kampfbataillone mit je etwa 1000 Kämpfern, die durch Tausende Kämpfer der Islamisten-Gruppe, die sich aus anderen Gaza-Gebieten zurückgezogen hätten, verstärkt worden seinen. Ein Sieg im Gaza-Krieg ist nach israelischer Auffassung ohne die Einnahme von Rafah, die Zerschlagung der Hamas und die Befreiung der dortigen Geiseln unmöglich. Die USA, Deutschland und andere Staaten raten von einer Offensive ab und fordern einen besseren Schutz von Zivilisten und Fluchtkorridore. Ägypten, das eine Aufnahme palästinensischer Flüchtlinge ablehnt, warnte Israel erneut vor einer Rafah-Offensive. Ein solches Vorgehen "würde zu Massakern, massiven menschlichen Verlusten und weitreichender Zerstörung führen", erklärte der staatliche Informationsdienst.

Für die Vertriebenen in Rafah sind die Aussichten nach einer weiteren Evakuierung düster. Die 30-jährige Aya die mit ihrer Familie in einer Notunterkunft in einer Schule Unterschlupf gefunden hat, sagte, sie erwäge, die Stadt zu verlassen. Sie befürchte jedoch, dass dies zu gefährlich sein könnte. Sie berichtet, dass einige Familien vor kurzem in ein Flüchtlingslager im Küstengebiet von Al-Mawasi umgezogen seien, ihre Zelte jedoch Feuer fingen, als in der Nähe Panzergranaten einschlagen seien. "Ich muss eine Entscheidung treffen, ob ich Rafah verlassen soll, denn meine Mutter und ich haben Angst, dass eine Invasion plötzlich stattfinden könnte und wir keine Zeit mehr haben, zu fliehen", sagte sie. "Wohin sollen wir gehen?"

(Bericht von Dan Williams, geschrieben von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)