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Inflation verharrt bei 2,2 Prozent - "Letzte Strecke wird schwer"

29.04.2024
um 15:22 Uhr

Berlin (Reuters) - Die deutsche Inflationsrate ist im April zum ersten Mal in diesem Jahr nicht gefallen.

Waren und Dienstleistungen kosteten wie schon im März durchschnittlich 2,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag zu seiner Schätzung mitteilte. Niedriger lag die Inflation zuletzt im April 2021 mit 2,0 Prozent. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten diesmal sogar mit einem Anstieg auf 2,3 Prozent gerechnet. Von März auf April zogen die Preise mit 0,5 Prozent ebenfalls nicht ganz so stark an wie erwartet.

Ökonomen halten den Kampf gegen die hohen Preissteigerungen noch nicht für gewonnen. "Die letzte Wegstrecke zum Preisziel wird schwer, und das zeigt sich derzeit", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger. "In den kommenden Monaten wird die deutsche Inflationsrate eher wieder zulegen", sagte Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. So dürfte die Teuerung ab kommendem Monat nicht mehr durch die Einführung des "Deutschland-Tickets" für den Personenverkehr im Mai 2023 nach unten gedrückt werden.

Energie verbilligte sich im April nur noch um 1,2 Prozent und damit nicht mehr so stark wie im März mit 2,7 Prozent. Ein Grund dafür ist die zum 1. April auf 19 Prozent erhöhte Mehrwertsteuer für Gas und Fernwärme - sie war während der Energiekrise infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine vorübergehend auf sieben Prozent abgesenkt worden. Nahrungsmittel kosteten im April 0,5 Prozent mehr als vor Jahresfrist, nachdem sie im März um 0,7 Prozent günstiger zu haben waren.

"EZB HAT SICH AUF ZINSSENKUNG IM JUNI FESTGELEGT"

Für Dienstleistungen wurden 3,4 Prozent mehr verlangt (März: plus 3,7 Prozent). Diese Entwicklung "dürfte zum Teil auf die frühe Lage des Osterfestes zurückzuführen sein", sagte Commerzbank-Ökonom Solveen. So seien insbesondere die Flugpreise im März ungewöhnlich stark gestiegen, ehe es im April zu einer Gegenbewegung gekommen sei. Die sogenannte Kerninflation - bei der Energie- und Lebensmittelpreise herausgerechnet werden - sank auf 3,0 (März: 3,3) Prozent.

Die nach einheitlichen europäischen Standards berechnete Inflationsrate für Deutschland stieg im April leicht auf 2,4 Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt in der Währungsunion eine Teuerungsrate von zwei Prozent an. "Die EZB hat sich auf eine Zinssenkung im Juni festgelegt", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Daran ändere auch die Entwicklung im April nichts. Die Währungshüter hatten ihren Leitzins im Kampf gegen die Inflation auf den Rekordwert von 4,5 Prozent festgesetzt. Die meisten Experten gehen davon aus, dass sie ihn im Juni auf 4,25 Prozent senken werden.

In den kommenden Monaten wollen wieder mehr Unternehmen ihre Kunden stärker zur Kasse bitten - vor allem in konsumnahen Branchen wie der Gastronomie. Das Barometer für die Preiserwartungen stieg im April auf 15,1 Punkte von 14,3 im März, wie das Ifo-Institut bei seiner Firmenumfrage herausfand. "In den kommenden Monaten dürfte die Inflation erst einmal nicht weiter zurückgehen und bei knapp über zwei Prozent verharren", schlussfolgerte Ifo-Konjunkturexperte Sascha Möhrle daraus. Vor allem in der Gastronomie sowie im Einzelhandel mit Spielwaren und mit Drogerieartikeln wird wieder verstärkt mit steigenden Preisen geplant. Hingegen wollen weniger Lebensmittel-Einzelhändler, Hotelbesitzer und Reiseveranstalter mehr Geld von ihren Kunden verlangen.

(Bericht von Rene Wagner und Reinhard Becker, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)