Liebe Leser,
Alibaba (BABA), JD (JD), Tencent (TCEHY) und andere Chinese-Stocks sprangen am Dienstag, dem 6. Februar an und zeigten eine leichte Erholungstendenz nach einem brutalen Ausverkauf in den letzten Monaten. Grund dafür war der allgemeine Anlegeroptimismus und die erneut aufgegriffene Annahme, dass die chinesische Regierung den Aktienmarkt unterstützen wird. Im Wesentlichen erscheint dies jedoch als eine sehr gewagte Spekulation, weswegen man in diesem Fall eine besonders hohe Vorsicht mitaufbringen sollte. Sollte man also versuchen, diese spekulative Story in den Rebound zu spielen, dann wäre hier aus meiner Sicht die Hit&Run-Taktik mit einer sehr engen Risikotoleranz und einem strikten Risikomanagement wohl die beste Wahl. Grund dafür ist das Fehlen einer fundamentalen Bestätigung bzgl. der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft, sowie das innenpolitische- und geopolitische Risiko, das im Fall China nirgendwo verschwunden ist.
Spekulation auf Regierungsinitiativen weckt Rebound-Fantasie
Und so sahen wir wie der Aktienkurs von Alibaba am 6. Februar um rund 4 % stieg, wobei die Aktien seiner E-Commerce-Konkurrenten JD (JD) und Temu-Eigentümer PDD (PDD) eine ähnlich gute Kursdynamik zeigten. Das Gleiche beobachtete man aber auch entlang der gesamten chinesischen E-Mobility- und E-Learning-Aktienlandschaft. Der Hang Seng Index in Hongkong legte um 4 % zu, während sich der Shanghai Composite um 3,2 % erhöhte. Die US-gelisteten Aktien chinesischer Unternehmen verzeichnen einen Anstieg, da zahlreiche Anzeichen darauf hindeuten, dass die chinesischen Behörden ihren Willen zur Unterstützung der schwächelnden Märkte stärken wollen. Präsident Xi Jinping wird laut Bloomberg News voraussichtlich mit Finanzregulierungsbehörden über den chinesischen Aktienmarkt diskutieren. Separat gab die chinesische Wertpapieraufsicht weitere Beschränkungen für Leerverkäufe bekannt, während der Staatsfonds Central Huijin sein Investitionsspektrum in ETFs ausweiten sollte.
Zu schön, um wahr zu sein?
Die politischen Aussagen sind zwar nett, dennoch darf man nicht vergessen, dass der gesamte chinesische Aktienmarkt in den letzen Monaten nicht um sonst so stark runterkam. Die treibende Kraft hinter den Kursverlusten chinesischer Aktien ist bestens bekannt: Primär ist es die tiefe Besorgnis über eine Stagnation in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt und mangelndes Vertrauen der Anleger, dass Peking diesen Problemen mit ausreichender Unterstützung begegnen wird. Chinas Wirtschaft war im vergangenen Jahr mit einer starken wirtschaftlichen Verlangsamung konfrontiert. Und dies war aus der ökonomischen Sicht eine sehr große Enttäuschung, denn zum damaligen Zeitpunkt herrschte die Annahme, dass das Land nach der Aufhebung der COVID-19-Restriktionen schon im Jahr 2023 in eine schnelle Phase der wirtschaftlichen Erholung übergehen würde. Dies geschah nicht und so sahen wir, wie das Kapital die chinesischen Aktien nach und nach verließ.
Fundamentale Bestätigung der Wirtschaftsstabilisierung wäre wohl der bessere Entry-Impuls
Um es deutlich zu sagen: das, was man am chinesischen Markt am 6. Februar beobachtete, war die Rebound-Spekulation aufgrund einer konzertierten (medialen) Anstrengung der chinesischen Regierung, die fortschreitende Talfahrt der chinesischen Aktien zu stoppen. Und diese Spekulation hat tatsächlich einige opportunistische Trader in den Markt gelockt, die trotz anhaltender Bedenken damit begonnen haben, sich im Sinne einer schnellen kurzfristigen Hit&Run-Taktik zu positionieren. Was die Anleger aber im Fall China nicht vergessen dürften, wäre die Tatsache, dass dies nicht das erste Mal wäre, dass die chinesischen Aktien durch die pure Hoffnung auf einen signifikanten Stimulus stabilisiert oder kurzfristig sogar beflügelt werden. Doch bisher haben solche Ankündigungen zur politischen Unterstützung größtenteils enttäuscht. Und daher ist hier eine sehr große Vorsicht geboten.
China ist aktuell mit großen strukturellen wirtschaftlichen Problemen konfrontiert
Explizit sind es bspw. große Probleme, die vom massiv verschuldeten, chinesischen Immobiliensektor ausgehen. Ganz zu schweigen davon, dass diese schwere Situation im Immobiliensektor auf das gesamte Finanzsystem überzugreifen droht. Und genau das ist ein sehr großes fundamentales Problem, was sowohl Inländische als auch ausländische Investoren davor abschreckt, das Geld in den chinesischen Markt zu investieren. Abgerundet wird das Ganze durch die bereits erwähnte wirtschaftliche Verlangsamung und das geopolitische Risiko, das bspw. mit den bald kommenden Präsidentschaftswahlen in den USA erneut aufflammen könnte. Abzuwarten bleibt in dieser Hinsicht auch der politisch-regulatorische Umfang von angekündigten Unterstützungsmaßnahmen. Explizit interessant ist hier bspw. die regulatorische Initiative zur Abschaffung der Videospielregeln für Tech-Giganten und ein Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Märkte im Umfang von bis zu 300 Mrd. USD.
Rebound In Sicht?
Ja, aber erst wohl Richtung Ende 2024+. Grund für diese Annahme ist die Spekulation, dass die chinesische Regierung nun wirklich damit anfangen wird, eine aktiv-fördernde Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung in Form von verschiedenen Gesetzeslockerungen, Subventionen und staatlichen Investitionen einzunehmen. Primär erwarte ich, dass man zumindest mit der viel zu harten Regulierung im Technologie-Sektor aufhört, oder diese zumindest auf ein Minimum reduziert. Im Großen und Ganzen würde es hier tatsächlich genügen, chinesische BigTech wie Tencent, Alibaba, Baidu und Co. von der regulatorischen Leine zu lassen. Den Rest wird dann das technologische Zeitalter und die ohnehin starke Marktnachfrage nach modernen, digitalen Produkten übernehmen, zumal die Trends wie 5G, BigData, KI, Cloud etc. auch in China wirklich stark sind. Der echte langfristige Long-Impuls sollte hier aber v.a. mit den ersten statistischen Anzeichen einer fundamentalen wirtschaftlichen Stabilisierung und im Best Case Erholung entstehen. Bis dahin sehe ich die chinesischen Aktien eher nur für kurzfristige Hit&Run-Trading-Manöver mit einer engen Risikotoleranz geeignet, was aber nicht heißt, dass man keine Übersicht über die Top-Chinese-Stocks parat haben sollte, wenn die echte Erholung beginnt.
https://viz.traderfox.com/peer-group-tabelle/US0567521085/LS/baiducom-adrs/aktien-401497-5283778-6404060-20089-408457-8263057-59417-7037481-408424-8629732-883307-3209085-8262435-387358-386670
Profiteure der Digitalisierung und einer politischen Deregulierung
Im Vordergrund steht hier die Story rund um die in den vergangenen Jahren angelaufene Expansion des chinesischen Cloud-Geschäfts, angetrieben durch das digitale Zeitalter und explizit durch neue Trends wie KI, Selbstfahrende und miteinander vernetzte Autos, 5G etc. In Kombination mit einer mögl. politischen Deregulierung ist diese Tendenz primär sehr fördernd für die Aktien chinesischer Tech-Giganten wie Alibaba (BABA), Tencent (TCEHY), Baidu (BIDU), BYD (BYD) und Co. Doch zugleich wäre es möglich, dass man damit auch eine positive Neubewertung von chinesischen Telekommunikationsanbietern wie China Telecom Corp. (ZCH), China Unicom (XCI), China United Network Communications (SHSE: 600050) und China Mobile Limited (CTM) auslösen könnte, was letztendlich zu den steigenden Aktienkursen führen dürfte. Diese Annahme ist plausibel, v.a. dann, wenn man bedenkt, dass chinesische Telcos bereits heute über eigene leistungsstarke Rechenzentren, das dazugehörige Personal und Vertriebsmitarbeiter verfügen, die ihnen helfen werden, die Kosten der zukünftigen KI-Integration zu senken. Folglich dürfte dies in Kombination mit der politischen Deregulierung im Best Case auch eine weitere margensteigernde Wirkung haben.
CHANCEN:
Was mich persönlich angeht, so würde ich im Fall einer fundamentalen wirtschaftlichen Erholung in China primär nach wie vor chinesische
- Tech-Aktien mit einem schon etablierten Geschäftsmodell und möglichen KI-Ambitionen favorisieren. Dazu zählen u.a. Tech-Giganten wie Tencent, Alibaba, BYD und Baiduund E-Commerce-Player wie JD und Pinduoduo
- Spekulativ betrachtet, finde ich aber auch chinesische Telkos, Fluggesellschaften, aber auch Halbleiter- und Chip-Hersteller interessant, die wir regelmäßig in unseren China-Updates besprechen.
RISIKEN:
Im Vordergrund stehen hier weiterhin die fundamentale Wirtschaftsschwäche und die chinesische Politik, die weiterhin ein sehr unberechenbares Risiko darstellt. Aus diesem Grund bleiben die Trades und Investitionen in chinesische Aktien bis auf Weiteres mit einem sehr hohen politischen Risiko verbunden. Dies sollte den Anleger immer bewusst sein.
Zuversichtlich stimmt hier jedoch die aktuelle (wenn auch nur mediale) Entwicklung, wo die chinesische Regierung wohl unbedingt eine ernsthafte Wirtschaftsstabilisierung anzustreben scheint. Die erste Aufgabe, die sie erledigen müssen, besteht darin, Arbeitsplätze für die Arbeitskräfte in China zu schaffen. Und am schnellsten würde es gehen, wenn man der stark regulierten Wirtschaft nun etwas mehr Freiraum gibt. Rettungspakete sind in dieser Hinsicht auch gut, sind jedoch nur ein Instrument mit einer kurzfristigen Wirkung, wobei man nur Symptome und nicht das Kernproblem behandelt. Damit bleiben Chinese-Stocks zu diesem Zeitpunkt eher die Wahl eines spekulativen Hit&Run-Traders als eines langfristigen Investors.
Viel Erfolg und bleiben Sie profitabel!
Verantwortlicher Redakteur Kulikov Leonid besitzt derzeit Aktien von Tencent, Alibaba, JD, die im Text mitangesprochen werden.