Die Gamescom 2017 in Köln ist bereits Geschichte. Der gesamte Gaming-Sektor protzt weiterhin mit Stärke und die Aktien führender Gamepublisher, die wir in der letzten Ausgabe ausführlich thematisiert haben, ziehen weiter auf neue Allzeithochs. In der nächsten Woche werden schon erste Blockbuster-Spiele in den Verkauf kommen und für alle Vertreter der Entertainmentindustrie beginnt der Kampf um die Gunst der launischen Gaming-Community.
In dieser Ausgabe des wöchentlichen TrendScouts checken wir die globale Verfassung der gesamten Industrie, spekulieren über ihre mögliche Entwicklungsperspektive und widmen uns schließlich den eigentlichen Produkten, mit denen die jeweiligen Branchenvertreter in die bevorstehende, lukrative Weihnachts- und Feriensaison starten. Zuvor aber ein paar Worte zu der Messe selbst.
Rekordmesse
Ganz genau, liebe Trader und Investoren, die Gamescom ist mit 355.000 Besuchern mittlerweile zur drittgrößten, jährlich stattfindenden Publikumsmesse in Deutschland aufgestiegen. Gleichzeitig übersprang die Bruttofläche des Events erstmals die Marke von 200.000 qm. Dabei war sie internationaler denn je. Die Fans kamen aus 106 Ländern der Welt angereist und drei von vier Unternehmen, die ihre Produkte ausstellten, kamen aus dem Ausland. Im Großen und Ganzen ist dies ein deutlicher Hinweis dafür, dass der Gaming-Trend keine Grenzen kennt und dass die Bedeutung solcher Veranstaltungen weiterhin signifikant zunehmen dürfte.
Auch die Politik war diesmal dabei. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die diesjährige Gamescom persönlich eröffnet und ein paar Stationen ihres Rundgangs später mit einem Controller in der Hand den „Landwirtschafts-Simulator” ausprobiert. „Landwirtschaft – das kenne ich noch von früher“, schätzte dabei die Bundeskanzlerin.
Viel wichtiger ist in dieser Hinsicht aber natürlich das klare politische Statement, dass Videospiele mittlerweile zum Alltag gehören, der Unterhaltung dienen und teilweise in der Lage sind, Begeisterung für Wissenschaft und Technik zu entfachen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass z. B. Cybersport oder ähnliche Initiativen schneller als offizielle Sportart anerkannt werden und sogar zu einer anerkannten Olympiadisziplin aufsteigen. Zumindest wird das Thema nicht mehr ignoriert. Kommen wir nun aber zu den eigentlichen Produkten, die man als Trader oder Investor auf keinen Fall ignorieren sollte.
Show me what you got
Der Franzose Ubisoft startete mit der Präsentation des Strategiespiels „Anno 1800“. Was die Fans in diesem Fall glücklich machen sollte, ist die Rückkehr zum Ursprung der Serie, wobei das Szenario in der Vergangenheit und nicht in einer weit entfernten Zukunft liegt. Dabei dürfte das Fundament – die Epoche der Industrialisierung/Kolonialisierung und der steigenden Bedeutung der Arbeiterklasse – nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern in sich wichtige Bildungsaspekte bergen.
Dampfschiffe, Stahlfabriken, die Kluft zwischen Reich und Arm, die schon mal in einem Arbeiterstreik münden kann, all das sorgt für die klassische Anno-Atmosphäre, die die Fans zuletzt stark vermisst haben. Damit reagiert der Konzern auf die Wünsche der Gaming-Community und dürfte durchaus davon profitieren.
Der eigentliche Fokus der diesjährigen Ubisoft-Vorstellung lag aber eindeutig auf dem Tripple-A-Release „Assassins Creed: Origins“, das am 27. Oktober erscheinen wird. Das Attentat-Szenario ändert sich seit Jahren nicht, lediglich das Setting. Diesmal hat man sich für das antike Ägypten entschieden. Das sieht gut aus und dürfte die Fans zufrieden stellen.
Viel interessanter dagegen ist die Fortsetzung der Far-Cry-Reihe. „Far Cry 5“ kommt im Winter 2018 auf den Markt und dürfte nach dem gefloppten „Far Cry: Primal“ für klingelnde Kasse sorgen. Auch in diesem Fall hat Ubisoft anscheinend auf die Kritik der Fangemeinde reagiert und kombinierte Altbekanntes mit einigen coolen Neuerungen wie z. B. Fluganlagen, wodurch das Spiel tatsächlich an Reichweite gewinnt. Der Himmel kommt also als weiterer Spielort dazu und dürfte in Kombination mit schicken Settings und vielen Waffen für Begeisterung sorgen. Hier könnte also tatsächlich Blockbuster-Potenzial lauern. Ob es wirklich so ist, werden wir früh genug aus den kommenden Gameplays erfahren.
Was man aber als Trader und Investor bezüglich der Ubisoft-Aktie im Hinterkopf behalten sollte, ist, dass der Wert aktuell erneut durch die aufkommende Angst um eine mögliche, feindliche Übernahme durch den französischen Medienriesen Vivendi belastet wird. Grund dafür war die Tatsache, dass der Anteil der Stimmrechte der Gründerfamilie Guillemot auf unter 20 % gefallen war. Ubisoft beteuert seit bereits mehr als einem Jahr, dass man sich als erstklassiger Gamepublisher auf keinen Fall als Teil einer Beteiligungsgesellschaft wie Vivendi sehen möchte. Da man sich also nicht einigen möchte, könnte es nun u. U. zu einer feindlichen Übernahme kommen.
Electronic Arts hatte auf der Gamescom gleich eine komplette Halle gebucht, dabei hat der Schöpfer der Battlefield-Reihe diesmal keine AAA-Projekte im Schlepptau.
Für Aufmerksamkeit sorgte jedoch die für Ende September angekündigte „FIFA 18“. Nachdem der Vorgänger „FIFA 17“ tatsächlich viele Neurungen und ein deutlich besseres Spielgefühl vermittelte, betrachten viele Fans den Neuaufleger eher als ein gutes Update. Was hier allerdings wiederum interessant sein könnte, ist das nach fünf Jahren Vergessenheit wiederbelebte „Fifa Street“ im Karrieremodus. Der spaßige Ableger eroberte damals durch das Antreten in Hinterhöfen auf kleinen Plätzen die Herzen der Gamer und sorgte dabei für eine wirklich coole Atmosphäre.
Letztendlich kann man zu „FIFA 18“ aber sagen, dass der Wow-Effekt fehlt. Dennoch wird das Spiel aufgrund einer sehr großen und treuen Spielcommunity seinen Umsatz generieren können. Damit hat EA mit „NFL Madden 18“ und „FIFA 18“ weiterhin zwei wichtige Goldesel. Auch die ersten Streams zu „Star Wars: Battlefront II“ sahen vielversprechend aus. Das Spiel kommt am 17. November und dürfte die Gamer durch seine packende Atmosphäre überzeugen. Die Maps sind groß und voller Action. Dabei kommt während des Raumkampfes tatsächliches Star-Wars-Feeling auf. Hier könnte wirklich Blockbuster-Effekt lauern, der durch die einzigartige Star-Wars-Atmosphäre binden und dementsprechend für klingelnde Kasse bei Electronic Arts sorgen wird.
Gleichzeitig gab es diesmal eine sehr interessante Marketingkonzeption zu sehen. Electronic Arts und der deutsche Autohersteller BMW haben sich zusammengetan und das neue BMW-Modell im neuen EA-Spiel „Need for Speed Payback“ präsentiert. Hier liest man eine ganz klare Tendenz ab, dass der Autohersteller Videospiele offenbar als eine neue und durchaus wertvolle Marketingplattform für seine Produkte entdeckt hat. Damit erreicht man auf eine sehr dynamische Art und Weise ein weit jüngeres Publikum als es bei einer klassischen Autopräsentation der Fall wäre.
Zukünftig ist hier zu erwarten, dass auch andere Unternehmen mit der steigenden Popularität und Bedeutung von Videospielen diese öfter als Marketingplattformen für eigene Produkte aufsuchen werden wie es bspw. in den Kino-Blockbustern schon der Fall ist. Damit dürfte die gesamte Gaming-Industrie in Zukunft eine ganz neue Einnahmequelle erschließen können.
Auch der Japaner Konami stellte seine Version der Fußballsimulation vor. Der „Pro Evolution Soccer 2018“ ist im Gegensatz zu „FIFA“ tatsächlich eher eine Simulation des realen Fußballs und verfügt ebenfalls über eine große und treue Fangemeinde. Das größte Problem von Konami bleiben aber weiterhin die Lizenzen. In dieser Hinsicht wird der Japaner von Electronic Arts völlig dominiert. Das einzige womit man wohl Punkten kann, ist die exklusive Kooperation mit Borussia Dortmund, wobei jeder BVB-Spieler seinem realen Vorbild nachempfunden ist. Hier wird man also weiter mit technischer Finesse und japanischer Skrupellosigkeit punkten.
Ein weiterer Japaner, der wesentlich mehr Chancen hat, in der aktuellen Feriensaison zu profitieren, ist Nintendo.
Zunächst ist da natürlich der andauernde Erfolg der neuen Spielkonsole Switch. In dieser Hinsicht zeigt sich der Konzern sehr schlau und adaptiert aktuell zahlreiche erfolgreiche Spiele für diese Plattform, um ihre Popularität noch weiter voranzutreiben. Darunter sind Titel wie „FIFA 18“ und „The Elder Scrolls V – Skyrim“. Gleichzeitig hat man mit „Super Mario Odyssey“, „Metroid – Samus Returns“ und „Mario + Rabbids Kingdom Battle“ einige neue Spiele mit Blockbuster-Charakter vorgestellt.
Kennzeichnend für Nintendos Expertise und die hohe Content-Qualität ist auch, dass das vorgestellte „Super Mario Odyssey“ den begehrten "Best of Gamescom Award 2017“ gewonnen hat. Der Titel konnte die Jury zudem in zwei weiteren Kategorien wie „Best Family Game“ und „Best Action Game“ überzeugen. Nicht zu vergessen ist auch der weiterhin andauernde Erfolg von "The Legend of Zelda: Breath of the Wild" und "Mario Kart 8 Deluxe". Damit geht die Erfolgsgeschichte um Switch und den Switch-Content sowie um die Nintendo 3DS-Familie weiter.
Neu war diesmal der entstandene Retro-Hype um die Nintendo SNES Classic Mini Spielkonsole, die sich immer stärker zu einem Kultobjekt entwickelt. Am 22. August ist der Vorverkauf des SNES Mini in den USA auf den Webseiten von Best Buy und Amazon gestartet. Und in nur 20 Minuten war die Retro-Konsole restlos ausverkauft, was zur Frustration bei den Fans führte. Mit einer Auflageerweiterung ist in diesem Fall nicht zu rechnen, da Nintendo bei der Retro-Box offensichtlich auf die starke Medienpräsenz setzt und die Anzahl der begehrten Exemplare begrenzt hält. Denn Nintendo landet aufgrund der starken Nachfrage nach seinen Produkten ständig in den Nachrichten. Was die Retro-Konsole angeht, so taucht das ursprünglich 70 Euro teure Hardwarestück regelmäßig überteuert auf Ebay und Co. auf, was wiederum für positive Schlagzeilen sorgt.
Und schließlich Activision Blizzard. Der Konzern hat einen Trailer zum Online-Shooter „Destiny 2“ veröffentlicht, der auf das Anfang September erscheinende Spiel einstimmen soll. Das Gameplay ist typisch Activision und mündet wie gewohnt in einer totalen Sci-Fi-Ballerei, die die Fans dieses Genre glücklich stimmen sollte. Was hier im Vergleich zum Vorgänger besser sein soll, ist die angekündigte Story-Line. Hierzu kann man zum aktuellen Zeitpunkt lediglich sagen: Wenn es ATVI tatsächlich gelingen sollte, eine brauchbare oder sogar packende Story zu etablieren, dann ist „Destiny 2“ ein Hit, der sich schnell zum Verkaufsschlager entwickeln könnte. Eine gewisse Skepsis bleibt aber.
Viel interessanter waren dagegen die vorgestellten Neuerungen für das kommende „Call of Duty: WWII“. Es handelt sich dabei um den sogenannten Social-Hub „Headquarter“. Dies ist ein virtueller Aufenthaltsort, an dem man nun Waffen, Munition, Tarnfarben, Lootboxen und unterschiedliche Kleidungsstücke ausprobieren und – das wichtigste – kaufen kann. Das Monetisierungspotenzial dürfte dabei sehr groß sein und mittelfristig für steigende Umsätze bei ATVI sorgen, denn es handelt sich eben um einen Social-Hub. Das heißt, man sieht als Multiplayer-Spieler wie andere reale Gamer ausgestattet sind, was zu noch mehr Kauflust verleiten könnte. Schließlich geht es wie in jedem anderen Spiel darum zu gewinnen. Und wenn man sich entgeltlich via Mikropayments einen Vorteil verschaffen kann, warum sollte man diese Möglichkeit nicht nutzen?
Die einzige Frage, die dabei entsteht, ist, inwiefern Activision diese Kaufgelegenheit monetisiert hat, denn bei der übertriebenen Gier wäre es ein Kinderspiel, die gesamte Gaming-Community gegen sich aufzubringen. Wenn man es aber richtig anstellt, so bekommt man neben „Overwatch“ und „World of Warcraft“ einen weiteren langlebigen Goldesel mit leichten E-Sport-Ambitionen.
Zunächst aber kann man sagen, dass ATVI tatsächlich auf die Fans gehört hat und beim neuen „Call of Duty“ zu den Wurzeln der CoD-Reihe, dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrt, womit der eigentliche Erfolg schon halb gesichert sein dürfte. Immerhin hatte der Gamepublisher die größte Schlange auf der diesjährigen Gamescom, was auf ein enormes Interesse der Gaming-Community hindeutet. Das Spiel kommt am 3. November in den Handel. Es bleibt also weiterhin sehr spannend.
Viel Erfolg und seien Sie profitabel!