(Neu: Betroffene Passagiere am Dienstag im ersten Absatz.)
FRANKFURT (dpa-AFX) - Wegen des angedrohten Verdi-Warnstreiks hat die Lufthansa
Die Lufthansa riet Passagieren, die kein Umbuchungsangebot erhalten haben, dringend davon ab, an die Flughäfen zu kommen. Dort seien wegen des Streiks "nur wenige oder gar keine" Serviceschalter geöffnet. Umsteiger ohne Anschlussflug sollten nicht an die deutschen Drehkreuze fliegen. Es bestehe die Gefahr, dass die Gäste dort für mehrere Stunden oder Tage nicht weiterreisen könnten. Die Passagiere haben nach der veränderten EU-Rechtsprechung voraussichtlich Ansprüche auf Erstattungen und Ausgleichszahlungen, da sich Lufthansa bei einem Streik der eigenen Leute nicht mehr auf außergewöhnliche Umstände berufen kann. Vorstandsmitglied Harry Hohmeister kritisierte Verdi in der "Bild"-Zeitung hart: "Die Gewerkschaft zerstört mit ihrem Streik in der Hauptreisezeit Urlaubsträume. Das ist extrem bitter und frustrierend."
Bestreikt werden laut Verdi am Mittwoch ab 3.45 Uhr verschiedene Lufthansa-Gesellschaften an den Drehkreuzen Frankfurt und München sowie in Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Bremen, Hannover, Stuttgart und Köln. Aufgerufen sind ganz unterschiedliche Beschäftigtengruppen wie das Schalterpersonal, Flugzeugtechniker oder die Fahrer der riesigen Schlepper, die Flugzeuge am Flughafen auf die richtigen Positionen schieben. Ohne diese Dienstleistungen können die Jets ebenso wenig abheben wie ohne Piloten oder Kabinenpersonal. Bei den Piloten der Stammgesellschaft läuft gerade parallel die Urabstimmung zu unbefristeten Streiks.
An den dezentralen Flughäfen fallen jeweils nur die Lufthansa-Flüge von und nach München und Frankfurt aus, wie ein Sprecher erläuterte. Neben den 1023 abgesagten Flügen mit LH-Flugnummer können weitere Verbindungen von Konzerngesellschaften wie Swiss, Austrian oder Air Dolomiti kommen, da sie an den Drehkreuzen von Lufthansa-Bodenpersonal abgefertigt werden. Die nicht bestreikte Direktflug-Tochter Eurowings geht von einem weitgehend normalen Flugbetrieb im gesamten Netz aus. Auch am größten Standort Düsseldorf habe man ausreichend Ersatzkapazität gesichert, um die Flugzeuge zu positionieren und zu schleppen, sagte ein Sprecher am Dienstag in Köln.
Der Ferienflieger Condor muss nach eigenen Angaben bislang keine Flüge streichen. Umsteiger, die eigentlich mit Lufthansa-Flügen anreisen sollten, würden gebeten, auf die Bahn umzusteigen. Man arbeite am Boden nicht mit Lufthansa-Gesellschaften zusammen, sagte eine Condor-Sprecherin.
Der Ausstand soll bis Donnerstag, 6.00 Uhr, dauern. Verdi hat zu Kundgebungen an den Flughäfen Frankfurt, Hamburg und München aufgerufen. Man rechne mit hoher Beteiligung, sagte Verdi-Streikleiter Marvin Raschinsky.
Der erste Streik bei Lufthansa nach dem Corona-Schock kommt vor dem Hintergrund eines teilweise chaotisch verlaufenen Neustarts der Branche. Personalengpässe und eine starke Urlaubsnachfrage haben schon ohne Streiks zu erheblichen Abfertigungsproblemen in diesem Sommer geführt. Verdi macht dafür vor allem Missmanagement und überzogenen Personalabbau bei Flughäfen und Airlines verantwortlich. Der Lufthansa-Airline-Chef Jens Ritter sieht hingegen die in den vergangenen Wochen erreichten Fortschritte mit dem Streik in Frage gestellt. Der Ausstand werde Kunden und Personal über den Streiktag hinaus belasten, schrieb er auf der Plattform Linkedin.
Lufthansa und Verdi haben erst in zwei Runden über die künftigen Gehälter und Arbeitsbedingungen der rund 20 000 Bodenbeschäftigten gesprochen. Ein dritter Termin ist bereits für den 3./4. August in Frankfurt vereinbart. Lufthansa-Personalvorstand Michael Niggemann kritisierte das überraschend harte Vorgehen der Gewerkschaft: "Die frühe Eskalation nach nur zwei Verhandlungstagen in einer bislang konstruktiv verlaufenden Tarifrunde richtet enorme Schäden an. Das betrifft vor allem unsere Fluggäste in der Hauptreisezeit. Und es belastet unsere Mitarbeitenden in einer ohnehin schwierigen Phase des Luftverkehrs zusätzlich stark."
Lufthansa hat nach eigenen Angaben bei einer Laufzeit von 18 Monaten eine zweistufige pauschale Gehaltserhöhung um zusammen 250 Euro angeboten, zu der ab Juli kommenden Jahres noch eine gewinnabhängige Steigerung um zwei Prozent käme. Bei einem monatlichen Grundgehalt von 3000 Euro ergäbe sich daraus eine Steigerung von neun bis elf Prozent, rechnete das Unternehmen vor. Verdi-Verhandlungsführerin Christine Behle hat das Beispiel als "schöngerechnet" bezeichnet. Für andere Gehaltsbereiche betrage die Steigerung nur rund vier Prozent und bringe damit bei der gegenwärtig hohen Inflation für die Beschäftigten Reallohnverluste. Die Gewerkschaft fordert bei zwölf Monaten Laufzeit 9,5 Prozent mehr Geld in den Lohntabellen, mindestens aber 350 Euro./ceb/DP/zb