BOCHUM (dpa-AFX) - Die Übernahme der Deutsche Wohnen hat Deutschlands größten Immobilienkonzern Vonovia
"In Zeiten höherer Zinsen ist es sinnvoll, Schulden zu reduzieren", sagte Unternehmenschef Rolf Buch in einer Telefonkonferenz. Vonovia plant deshalb in den kommenden Jahren den Verkauf von rund 66 000 Wohnungen in einem Wert von rund 13 Milliarden Euro. Vonovia habe bereits Wohnungen und Mehrfamilienhäuser ermittelt, die sich für einen Verkauf eignen würden. "Das hat nichts mit einem Ausverkauf zu tun", betonte der Manager. Seit dem Börsengang 2013 habe Vonovia insgesamt 120 000 Wohnungen verkauft.
Darüber hinaus prüfe Vonovia auch, ob Gemeinschaftsunternehmen interessant sein könnten. Dabei solle Vonovia Mehrheitseigentümer bleiben; für die Mieterinnen und Mieter würde sich nichts ändern. Darüber hinaus prüft derzeit die Tochter Deutsche Wohnen eine Verkauf ihrer Pflegeheim-Sparte. Bereits bei Vorlage der Zahlen zum ersten Quartal Anfang Mai kündigte Vonovia an, mehr Wohnungen für den Markt zu bauen und weniger für den eigenen Bestand.
"Wir haben mit diesen Verkäufen die Option, das Kapital für rentablere Investitionen zu nutzen", sagte der Manager. Mit dem Geld könne Vonovia neben der Abzahlung von Schulden auch Gebäude kaufen oder eigene Aktien erwerben. Zukäufe seien unterdessen nicht vorgesehen.
Unterdessen verwies Buch auf die Folgen der steigenden Energiekosten. "Viele Menschen sind in großer Sorge, die aufgrund der aktuellen Energiekrise gestiegenen Kosten für das Heizen nicht mehr tragen zu können", sagte der Manager bei Vorlage der Quartalszahlen. Vonovia werde gemeinsam mit den Mietern eine Lösung finden, wenn sich jemand seine Wohnung wegen erhöhter Heiz- und Warmwasserkosten nicht mehr leisten könne. Ähnliche Lösungen habe das Unternehmen auch seit Beginn der Corona-Pandemie gefunden.
"Rund 55 Prozent unserer Heizungen werden mit Erdgas geheizt", sagte Buch in einer Telefonkonferenz. "Wir möchten dazu beitragen, möglichst viel Erdgas zu sparen." Die angekündigte Nachtabsenkung der Heizungstemperatur bei den Gas-Zentralheizungen für die nächste Heizperiode sei ein ebenso wichtiger wie sinnvoller Schritt. So entlaste der Immobilienkonzern die Mieter bei den absehbar stark steigenden Energiekosten sowie die Umwelt. Zusätzlich passe Vonovia die Vorauszahlungen an, um hohe Nachforderungen am Jahresende zu vermeiden.
Im abgelaufenen ersten Halbjahr 2022 konnte Vonovia den operativen Gewinn (FFO) vor allem dank der Übernahme der Deutsche Wohnen im Jahresvergleich um 36 Prozent auf 1,06 Milliarden Euro steigern. Die Miete stieg im Konzern per Ende Juni im Schnitt auf 7,44 Euro pro Quadratmeter - das waren zwei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Zum Zuwachs trugen vor allem modernisierte Wohnungen bei.
Kosten für energetische Sanierungen wie etwa Wärmedämmung sowie den Austausch alter Heizungsanlagen und Fenster können die Konzerne teilweise auf die Miete umlegen. In Deutschland betrug die durchschnittliche Miete per Ende Juni bei Vonovia 7,32 Euro pro Quadratmeter. Der Umsatz kletterte in den ersten sechs Monaten um knapp 35 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro.
Gleichzeitig steckte Vonovia im Halbjahr mit 1,1 Milliarden Euro um gut ein Viertel mehr in Modernisierung, Neubau und Instandhaltung. Unter dem Strich ging der Gewinn vor allem aufgrund von Wertberichtigungen unter anderem wegen des deutlich gesunkenen Aktienkurses der Adler Group um ein Drittel auf knapp 1,8 Milliarden Euro zurück. Vor wenigen Monaten wurde Vonovia zum größten Aktionär beim Branchenrivalen Adler Group
Eine Übernahme von Adler kommt für den Vonovia-Chef nicht mehr in Betracht. "Die Märkte haben sich verändert und deswegen ist für uns die ursprüngliche Überlegung, die Adler Group zu übernehmen, definitiv vom Tisch", sagte er der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Mittwoch. Die Entscheidung von damals könne man deshalb auch kritisch hinterfragen.
Adler ist in das Visier der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geraten, nachdem die Immobiliengesellschaft im Oktober erstmals unter Druck des Leerverkäufers Fraser Perring geraten war. Sein Researchdienst Viceroy hatte schwere Vorwürfe gegen Adler erhoben, darin ging es unter anderem um die Bewertung von Immobilienprojekten. Adler hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Am Montag teilte die Finanzaufsicht mit, dass die Jahresbilanz 2019 der Adler Real Estate fehlerhaft sei. Der Wert eines Projekts zur Entwicklung einer ehemaligen Glashütte in Düsseldorf sei mit 375 Millionen Euro etwa doppelt so hoch angesetzt worden wie der Marktwert. Adler hält hingegen an der vollumfänglichen Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit des testierten Konzernabschlusses für 2019 fest und will Rechtsmittel gegen den Bescheid der BaFin einlegen.
Derweil hat Vonovia rund drei Viertel des Portfolios neu bewertet, darunter die größten deutschen und schwedischen Standorte sowie Wien. Den Wertanstieg der Immobilien im ersten Halbjahr von rund 3,8 Milliarden Euro begründete Vonovia vor allem mit der weiterhin hohen Nachfrage nach Wohnungen. Bei der Bewertung achte das Unternehmen auf Lagen der Immobilien sowie deren Alter oder Bauweise, betonte Buch. "Wir sind also absolut konservativ unterwegs." Zudem würden die Bewertungsergebnisse von unabhängigen Gutachtern geprüft.
Für das laufende Jahr peilt Vonovia weiterhin einen Zuwachs des operativen Ergebnisses (FFO) auf 2,0 bis 2,1 Milliarden Euro an. Der Umsatz soll sich auf 6,2 bis 6,4 Milliarden Euro erhöhen. Im vergangenen Jahr legte der operative Gewinn (FFO) im Jahresvergleich um 24 Prozent auf 1,67 Milliarden Euro zu. Die Erlöse kletterten 2021 rund 19 Prozent auf knapp 5,2 Milliarden Euro.
Im vergangenen Jahr war dem Konzern die mehrheitliche Übernahme von Deutsche Wohnen geglückt, Deutschlands zweitgrößtem Vermieter. Vonovia hält derzeit rund 87 Prozent an dem Unternehmen. Umstritten war der Deal vor allem in Berlin, wo Deutsche Wohnen Ende 2021 rund 100 000 Wohnungen gehörten. Um Kritiker zu besänftigen, hatte Vonovia-Chef Buch unter anderem eine Begrenzung der regulären Mietsteigerungen in Berlin bis zum Jahr 2026 angekündigt.
Vonovia ist Europas größtes privates Wohnungsunternehmen. Der Konzern besitzt rund 550 000 Wohnungen in Deutschland, Schweden und Österreich. Hinzu kommen rund 71 400 verwaltete Wohnungen. Der Portfoliowert liegt bei etwa 99 Milliarden Euro./mne/nas/mis