BERLIN (dpa-AFX) - Nach der Zulassung eines weiteren Omikron-Boosters in der EU rät der Immunologe Carsten Watzl Risikogruppen dazu, nicht auf dessen Verfügbarkeit in Deutschland zu warten. "Wer unter die bisherige Empfehlung der Ständigen Impfkommission für eine zweite Auffrischimpfung fällt, sollte jetzt besser den an die Omikron-Sublinie BA.1 angepassten Impfstoff nehmen, der in diesen Tagen bei den Hausärzten ankommt", sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Diese Menschen, etwa über 60-Jährige und/oder Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, sollten auch wegen mehrerer offener Fragen besser nicht wochenlang auf das etwas neuere Präparat warten.
Ein Expertenausschuss der EU-Arzneimittelbehörde EMA hatte am Montag eine Empfehlung zur Zulassung eines Boosters von Biontech
Zu der häufig gestellten Frage, welcher der beiden neuen Impfstoffe besser sei, gebe es keine Daten, sagte Watzl. In Versuchen mit Tieren seien die jeweiligen Ergebnisse ähnlich gewesen, direkte Vergleiche fehlten aber. "Insofern ist für mich offen, wie viel Vorteil der an BA.4./BA.5 angepasste Impfstoff wirklich bringt."
Die Effektivität hängt auch davon ab, welche Corona-Varianten in den nächsten Monaten zirkulieren werden - es ist derzeit aber offen, in welche Richtung sich das Virus weiterentwickelt. Für jüngere, immungesunde Menschen und Menschen, die im Sommer eine Corona-Infektion durchmachten, sehen Experten im Moment keine Notwendigkeit für einen Omikron-Booster.
"Es wäre überraschend, wenn BA.4/BA.5 uns auch noch im Herbst und Winter beschäftigen würden. Es werden irgendwann neue Varianten kommen", sagte der Dortmunder Immunologe. In den beiden Omikron-Sublinien, die international derzeit unter Beobachtung stünden - BA.2.75 und BA.4.6 - sehe er eher nicht das Potenzial für eine Ausbreitung hierzulande.
Für eine bessere Passgenauigkeit des Impfstoffs in Anbetracht der aktuellen Varianten wurden für die Zulassung insbesondere zwei Datensätze herangezogen, wie Watzl schilderte: Daten aus Studien an Menschen mit dem BA.1-Impfstoff und Ergebnisse des BA.4/BA.5-Vakzins aus Versuchen mit Mäusen zur Immunreaktion. Dass es speziell zum neuesten Impfstoff nur Daten von Mäusen, aber nicht von Menschen gebe, dürfe man nicht überbewerten, sagte Watzl. "Das ist jetzt kein riesengroßer Menschenversuch und auch kein experimenteller Impfstoff." Der BA.4/BA.5-Impfstoff sei im Vergleich zum BA.1-Vakzin und letztlich auch zum ursprünglichen Präparat minimal verändert.
Zudem könne man selbst in klinischen Studien mit mehreren Hundert Probanden sehr seltene Nebenwirkungen nicht erfassen, sagte Watzl. "Neue, antigenspezifische Nebenwirkungen sind aber in dem Fall nicht auch zu erwarten. Sie müssten sonst auch bei Infektionen mit dem Virus auftreten."
Watzl bekräftigte seinen Wunsch nach einer baldigen Stiko-Empfehlung zu den angepassten Impfstoffen. "Die Leute wollen wissen, was sie machen sollen." Er hoffe, dass das Gremium nicht auf Anwendungsdaten aus den USA (BA.4/BA.5) und Großbritannien (BA.1) warte./ggr/DP/ngu