ROUNDUP/Ukraine: Beteiligung an Nord-Stream-Sprengung 'lächerlich'
KIEW/MOSKAU (dpa-AFX) - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine Beteiligung der Ukraine bei der Sprengung an den Nord-Stream-Pipelines als "lächerlich" zurückgewiesen. "Ukrainer haben das definitiv nicht getan", betonte der 45-Jährige am Freitag auf einer Pressekonferenz mit der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin in Kiew. "Das ist lächerlich." Ziel der Veröffentlichungen in deutschen und anderen westlichen Medien zur mutmaßlichen Beteiligung einer pro-ukrainischen Gruppe sei es, die westliche Hilfe im Kampf gegen Russland zu verlangsamen.
An drei der vier Stränge der beiden auf dem Grund der Ostsee liegenden russisch-deutschen Nord-Stream-Erdgasleitungen gab es im vergangenen September Explosionen. Deutschland, Schweden und Dänemark haben Ermittlungen aufgenommen. Am Montag hatten Medien in Deutschland, den USA und Großbritannien Hinweise auf den möglichen Tathergang veröffentlicht. Demnach soll eine sechsköpfige Gruppe mit gefälschten Pässen eine Jacht gemietet und unbemerkt die Sprengsätze in gut 80 Meter Wassertiefe gelegt haben.
Marin nahm am gemeinsam mit Selenskyj an einer Gedenkfeier für einen Soldaten teil, der in der noch immer heftig umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut getötet worden war.
Finnland hatte im Mai 2022 ebenso wie sein Nachbarland Schweden die Mitgliedschaft in der Nato beantragt - als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es fehlt jedoch noch die Zustimmung der Nato-Mitgliedsländer Türkei und Ungarn. Während aus Budapest mit einem baldigen Ja gerechnet wird, gibt sich Ankara bisher stur.
Marin lobt "Helden" der Ukraine
"In diesem Krieg gibt es nur auf einer Seite Helden", sagte Marin nach Angaben der finnischen Nachrichtenagentur STT auf einer Pressekonferenz mit Selenskyj. "Eure Soldaten in Donezk, Luhansk und anderswo werden sich Putins Armee widersetzen und gewinnen." Finnland werde so lange an der ukrainischen Seite stehen werde wie nötig. An Selenskyj gerichtet sagte Marin: "Du bist ein Symbol für Freiheit und Mut und ein Versprechen für ein neues und besseres Europa."
Finnland hatte zuvor am Freitag mitgeteilt, der Ukraine 29 Millionen Euro an humanitärer Hilfe und Unterstützung zur Verfügung zu stellen.
Selenskyj verurteilt Raketenangriffe auf Energieinfrastruktur
Nach erneuten Raketenangriffen auf die Energieinfrastruktur des Landes hatte Selenskyj am Donnerstag weitere Sanktionen gegen Moskau gefordert. Es müsse mehr Druck, sagte der ukrainische Präsident in seiner abendlichen Videobotschaft. Dabei kritisierte er auch, dass durch einen Raketenschlag das von Russland besetzte Atomkraftwerk Saporischschja erneut zeitweilig vom Stromnetz abgekappt war.
Russland könne deshalb in der atomaren Sphäre kein verlässlicher Partner mehr sein. "Das bedeutet, je schneller Russlands Nuklearindustrie Ziel von Sanktionen ist, desto sicherer wird die Welt sein. Einem Terrorstaat kann nicht erlaubt werden, Atomanlagen irgendwo in der Welt für Terror zu benutzen", sagte Selenskyj mit Blick auf Saporischschja.
Russland ist einer der größten Exporteure von Atomtechnologien weltweit. Mit russischer Technologie wurden so Meiler in China und dem Iran gebaut. Aber auch in Indien, Bangladesch, der Türkei und Ägypten gibt es Kraftwerksprojekte unter russischer Beteiligung. Selbst in der EU gibt es Kunden für den staatlichen Moskauer Betreiber Rosatom. Finnland hat zwar sein AKW-Projekt auf Eis gelegt, doch in Ungarn baut Russland gleich an zwei neuen Reaktoren mit.
Nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten dürfte die Frequenz russischer Raketenangriffe jedoch aus Mangel an geeigneten Raketen abnehmen. Das ging aus dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London hervor.
Podoljak: Ukraine braucht noch zwei Monate für Frühjahrsoffensive
Für die geplante Frühjahrsoffensive benötigt die Ukraine nach eigenen Angaben noch zwei Monate zur Reservenbildung. "Wir müssen den Nachschub an schweren Artilleriegeschossen von 155 Millimeter Kaliber und weitreichenden Raketen erhöhen", sagte der Berater des Präsidentenbüros in Kiew, Mychajlo Podoljak, der italienischen Zeitung "La Stampa". Unabhängige Militärexperten hatten zuvor einen früheren Zeitpunkt für einen möglichen Gegenstoß Kiews genannt.
Den Bedarf an Panzerfahrzeugen, um weitere besetzte Gebiete zu befreien, bezifferte Podoljak auf 400 bis 500. Eine ähnliche Zahl hatte in der Vergangenheit Oberbefehlshaber Walerij Saluschnyj genannt. Zudem sind laut Podoljak Kampfflugzeuge notwendig, um ballistische Raketen abzufangen und den Luftraum zu kontrollieren. Zur Stoßrichtung der geplanten Gegenoffensive machte der 51-Jährige keine Aussage. Gleichzeitig habe Russland nur wenige Optionen für eigene Offensivaktionen. "Die aktiven feindlichen Offensivaktionen werden in Richtung Bachmut, Wuhledar, Lyman und Soledar weitergehen", prognostizierte Podoljak.
Russland bereitet sich auf ukrainischen Vorstoß gegen Krim vor
Parallel dazu bereitet sich Russland auf einen ukrainischen Vorstoß in Richtung der 2014 annektierten Halbinsel Krim vor. "Es läuft alles nach Plan", versicherte der vom Kreml eingesetzte Chef der Region, Sergej Aksjonow, in einem Interview der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Dabei seien Erfahrungen der aktuellen Kampfhandlungen berücksichtigt worden. "Wir gehen untypisch, asymmetrisch, vor", sagte der 50-Jährige. Satellitenbilder hatten ausgebaute Befestigungslinien an den Landengen zur Halbinsel offengelegt.
Russland ist vor gut einem Jahr in die Ukraine einmarschiert und hält einschließlich der Krim gut ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets besetzt./msw/ast/DP/ngu