WIESBADEN (dpa-AFX) - Im Wiesbadener Cum-Ex-Prozess plädiert die Verteidigung auf Freispruch für den angeklagten Steueranwalt Hanno Berger. Im Zeitraum der Vorwürfe von 2006 bis 2008 habe der 72-Jährige nicht vorsätzlich gehandelt, sagte Rechtsanwalt Sebastian Kaiser am Freitag. Damals habe es keine gesetzliche Grundlage und auch keine Verwaltungsauffassung in Bezug auf Cum-Ex-Aktiengeschäfte gegeben.
Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hatte am Donnerstag eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten für Berger wegen schwerer Steuerhinterziehung in drei Fällen gefordert. Er solle zudem Taterträge in Millionenhöhe zurückzahlen und bis Verfahrensabschluss in Untersuchungshaft bleiben. Ein Urteil in dem Prozess soll nach jüngster Planung am 30. Mai fallen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte Berger vor dem Landgericht Wiesbaden vorgeworfen, von 2006 bis 2008 mithilfe von komplexen Cum-Ex-Aktiendeals unberechtigte Steuerrückerstattungen von 113 Millionen Euro erlangt zu haben. Dazu seien über frühere Aktienhändler der Hypovereinsbank Dax
Berger gilt als Architekt der Cum-Ex-Deals, bei denen sich Banken und Investoren nie gezahlte Kapitalertragssteuern erstatten ließen und den Staat geschätzt um einen zweistelligen Milliardenbetrag prellten. Dabei nutzten Investoren eine Gesetzeslücke und schoben Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch rund um den Dividendenstichtag hin und her. Behörden blickten nicht mehr durch und stellten Bescheinigungen über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag mehrfach aus. Lange war unklar, ob Cum-Ex-Deals strafbar sind. 2021 entschied der Bundesgerichtshof, dass sie als Steuerhinterziehung zu werten sind.
Berger hatte als Anwalt die Deals bei Banken und Vermögenden als rechtlich sichere Steueroptimierung angepriesen, bei der Konstruktion der Geschäfte beraten und Millionen verdient. Im Dezember hatte schon das Landgericht Bonn Berger zu acht Jahren Haft verurteilt. Bei einer Verurteilung in Wiesbaden kann per nachträglichem Beschluss eine Gesamtstrafe gebildet werden, dann droht Berger noch mehr Zeit im Gefängnis. Noch ist das Bonner Urteil aber nicht rechtskräftig./als/DP/nas