(neu: Aussagen des Managements aus Telefonkonferenzen, Analystenstimme, endgültige Halbjahreszahlen)
ESSEN (dpa-AFX) - Der Energiekonzern RWE
Die RWE-Aktie legte nach der Veröffentlichung des vollständigen Halbjahresbericht am Morgen zunächst um mehr als zwei Prozent zu. Gegen Mittag stand die Aktie dann aber mit gut einem Prozent im Minus. Das Management hatte zuvor Aktienrückkäufen in einer Telefonkonferenz mit Analysten eine Absage erteilt.
Bereits Ende Juli hatte RWE auf Basis vorläufiger Zahlen seine Jahresziele angehoben. Vor allem hohe Margen in der Stromerzeugung durch Wasser, Biomasse und Gas gaben in den vergangenen Monaten Rückenwind. Außerdem lief der Handel mit Energie besser als erwartet.
Die endgültigen Zahlen für die erste Jahreshälfte und auch der Ausblick auf 2023 deckten sich mit den Aussagen zum Zeitpunkt der Eckdaten, schrieb Ahmed Farman vom Analysehaus Jefferies in einer am Donnerstag vorliegenden Studie. RWE erwirtschaftete vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen und bereinigt um Sondereffekte in den ersten sechs Monaten 4,5 Milliarden Euro - dies war mehr als das Doppelte des Vorjahreswertes. Im Gesamtjahr will RWE operativ 7,1 bis 7,7 Milliarden Euro verdienen. Die bestätigten Ziele des Energiekonzerns für das laufende Jahr wertete Branchenfachmann Farman positiv.
RWE-Finanzchef Michael Müller berichtete von guten Fortschritten bei den Arbeiten an zwei großen Offshore-Windparks in Dänemark und Großbritannien sowie an 17 Onshore- und 36 Solarprojekten. Hinzu kämen 15 Batterieanlagen. "In der zweiten Jahreshälfte werden wir weiter in die Energiewende investieren", kündigte Müller an.
RWE will bis Ende des Jahrzehnts ein Grünstrom-Portfolio inklusive Gaserzeugung von 50 GW haben, wie der Konzern bereits im November 2021 verkündet hatte. Da diese Marke aber bereits in Sichtweite ist, will der Vorstand die Ausbauziele auf einem Kapitalmarkttag am 28. November aktualisieren.
"Wir kommen beim Ausbau gut voran", konstatierte Krebber. An der einen oder anderen Stelle wäre RWE aber gerne schneller. "Dass das nicht immer geht, ist keine Frage des Kapitals", so der Manager. Politische Rahmenbedingungen bestimmten das Tempo. Außerdem sprach er die Probleme bei den Turbinenherstellern für Windräder an.
"Wir erleben derzeit eine herausfordernde Phase im globalen Offshore-Geschäft", sagte RWE-Chef Krebber. Der Konzern selbst setze seine Windprojekte auf See wie geplant um - sowohl im deutschen Heimatmarkt, als auch im europäischen Ausland und den USA. Der Manager verwies aber auch auf andere, wegen Kostensteigerungen bereits gestoppte Projekte in Europa und in den USA. "So etwas ist der 'worst case' für die Energiewende: Wenn große, bereits vergebene Projekte doch nicht wie geplant realisiert werden", warnte Krebber.
Unter anderem hatte der Turbinenhersteller Siemens Gamesa vor einigen Tagen von erheblichen Problemen berichtet: Im Offshore-Bereich rechnet das Unternehmen mit höheren Produktkosten, vertraglich bereits zugesicherte Projekte könnten daher nicht mehr profitabel abgewickelt werden. Zudem gebe es Probleme beim Hochlauf der Aktivitäten. Siemens Gamesa habe Kapazitäten zu schnell hochfahren wollen, räumte das Management ein.
Unterdessen spricht RWE laut Krebber wegen eventueller Lieferschwierigkeiten mit seinen Zulieferern. Nach jetzigem Stand gebe es bei den eigenen Anlagen im Windportfolio aber keine größeren Auffälligkeiten und Probleme, sagte der RWE-Chef. Der Konzern versuche, sich langfristig Kapazitäten zu sichern, zum Beispiel durch langfristige Verträge und Rahmenvereinbarungen. RWE hat momentan 2,5 GW Offshore-Kapazitäten im Bau.
Für den Gesamtmarkt und die deutsche Energiewende machen Krebber allerdings die womöglich fehlenden finanziellen Mittel zur Forschung und Entwicklung von neuen Turbinen-Generationen Sorgen. Außerdem könnten die potenziellen Lieferschwierigkeiten die Preise noch weiter steigen lassen. Die Lieferkette sei auf der Offshore-Seite für die nächsten fünf bis zehn Jahre am deutlichsten angespannt, sagte Krebber.
Die Kapazitäten von allen Mitwirkenden müssten deutlich ausgebaut werden. Dazu zählten Transformer-Stationen, genauso wie Turbinen, Fundamente und Installationsschiffe. Die Zulieferer dürften nicht warten, bis die Aufträge hereinkämen. Sonst gebe es eine zweite Welle des Verzugs, warnte Krebber. Seeflächen für Windenergie frühzeitig auszuweisen, sei hilfreich für die Planungssicherheit.
Für Deutschlands Ausbaugeschwindigkeit von Windenergie an Land sowie Solarenergie und Batterien zeigte Krebber sich zuversichtlich./lew/tob/tav/he