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INTERVIEW/Donner&Reuschel-Experte: Aktienmärkte 2024 'weniger positiv als 2023'

06.02.2024
um 09:35 Uhr

MANNHEIM (dpa-AFX) - Nach dem starken Lauf im vergangenen Jahr sieht die Privatbank Donner & Reuschel 2024 weniger Luft nach oben am Aktienmarkt. Das sagte Carsten Mumm von der Privatbank Donner & Reuschel am Montag im Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Der Chefvolkswirt wagte einen Ausblick auf die Kapitalmärkte 2024 und erläuterte neben der Bedeutung der Zinsen die Schlüsselbranchen und -regionen in diesem Jahr. Eine geopolitische Eskalation etwa im Russland-Ukraine-Krieg oder in Nahost sieht der Experte als schwerwiegendstes Risiko für die Kapitalmärkte.

Das Ziel für den deutschen Leitindex Dax zum Jahresende bezifferte Mumm auf rund 17 300 Punkte. Das wäre ein nur moderates Plus von gut zwei Prozent. Zuletzt konnten die Unternehmen zwar noch den Auftragsstau aus der Covid-19-Pandemie abarbeiten, der werde nun zunehmend kleiner, bei gleichzeitig weniger Neuaufträgen, erklärte der Experte. Die konjunkturelle Entwicklung sorge bei vielen Unternehmen zudem für einen Druck auf die Gewinnmargen. Dem stehe Unterstützung von der Zinsseite gegenüber.

"Eine Grundkonstante bleibt 2024 an den Kapitalmärkten: Die Zinsen werden eine nennenswerte Rolle spielen", betonte der Chefvolkswirt. Die Zinsfrage sei nicht trivial, denn "vor nicht allzu langer Zeit hatten wir noch Negativzinsen" und erst das Jahr 2022 sei "das Ende von 40 Jahren sinkender Zinsen" gewesen. Dies habe man "eins zu eins" an den Aktienmärkten gesehen. Auch deshalb bleibt der Zinsfaktor 2024 laut dem Experten am wichtigsten.

Die weltweit wichtigsten Notenbanken hatten seit 2022 ihre Leitzinsen im Kampf gegen die Inflation deutlich angehoben. Inzwischen hat die Teuerung nachgelassen und Anleger setzen darauf, dass die Zinsen in diesem Jahr wieder sinken. Das würde Aktien im Vergleich zu Anleihen wieder attraktiver machen. Zudem würden niedrigere Zinsen die Refinanzierung von Unternehmen verbilligen, was gut für die Finanzkraft ist.

Wegen der schwachen konjunkturellen Entwicklung prognostizierte Mumm erst für das Frühjahr eine leichte Aufwärtsbewegung bei den Aktienrenditen. Dann sollten die Inflationsraten wie erwartet weiter fallen und damit ebenso die Kapitalmarktzinsen. Trotz der vorsichtigen Europäischen Zentralbank rechnete Mumm mit sinkenden Leitzinsen ab April, allerspätestens im Juni.

Für die Kapitalmärkte in Europa und Deutschland bleibt der Chefvolkswirt eher vorsichtig, auch wenn er dort eine leichte Erholung erwartet. Auch die US-Börsen liefen zwar, würden aber nachlassen. Im Sinne der Diversifikation sei es jedoch sinnvoll, in allen Weltregionen positioniert zu sein.

Für das laufende Jahr erwartete Mumm insgesamt ein schwaches globales Wirtschaftswachstum von weniger als 3 Prozent. Ein überdurchschnittliches Wachstum trüge die Region Asien dazu bei, darunter ein starkes Indien mit 7 bis 7,5 Prozent und der südostasiatische Gürtel der Tigerstaaten.

Auch China könnte - mit Abstrichen - positiv überraschen, doch kämpfe die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt weiterhin mit strukturellen Wachstumsschwächen. Dazu gehören laut dem Experten die schrumpfende Bevölkerung und die zunehmende Machtkonzentration auf den Staatspräsidenten Xi Jinping. Die rechtlichen und politischen Risiken nähmen zu und China beginne, sich abzukoppeln und sich auf seinen Binnenmarkt zu konzentrieren. "Auch der Immobiliensektor war ein Wachstumstreiber, doch jetzt will man Luft aus der Blase lassen", meinte Mumm.

Als Schlüsselbranche sieht Mumm im Jahr 2024 den Bereich Technologie und Künstliche Intelligenz (KI). Dieser werde in praktisch allen Wirtschaftszweigen eine zentrale Rolle einnehmen, sei es in der Arbeitswelt oder beim Klimawandel, den Lieferketten oder der Energieversorgung. Mumm mahnte: "Wir müssen uns jetzt aktiv und gestalterisch mit KI auseinandersetzen, sonst wachen wir in acht Jahren auf und müssen die anderen kopieren." Viele Unternehmen werden seiner Ansicht nach durch KI ihre Effizienz stark steigern.

Als größtes Risiko für die Kapitalmärkte nannte Mumm weitere geopolitische Eskalationen. Wenn Russland in der Ukraine Erfolge vorweisen könnte, würde das für Disruptionen sorgen. Auch "der Wahlkampf in den Vereinigten Staaten wird einen Einfluss haben. Aber nicht direkt auf die Märkte, sondern eher indirekt, etwa über die Unterstützung der USA für die Ukraine."

Folgenschwerer sei die Situation im Roten Meer, wo die mit Iran verbündeten jemenitischen Huthi seit Beginn des Gaza-Krieges immer wieder Handelsschiffe attackieren. Dies könne die Ölpreise steigen lassen und so der sinkenden Inflation entgegenwirken. Entspannter war der Experte für die nächsten Jahre beim Taiwan-Konflikt, denn "das ökonomische Risiko eines Angriffs auf Taiwan wäre für China viel zu groß"./lfi/la/mis

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