DARMSTADT (dpa-AFX) - Nach einer unerwartet langen Nachfrageflaute hofft der Pharma- und Spezialchemiekonzern Merck
Die ersten Kommentare von Börsianern zu den Zielen für das laufende Jahr lauteten "ok" oder "gut". Zudem seien die Zahlen für das Schlussquartal 2023 solide ausgefallen, sagte ein Händler am Morgen.
Traditionell gibt Merck eine konkrete Prognose erst zum ersten Quartal ab und begnügt sich vorher mit einem qualitativen Ausblick. Im laufenden Jahr sollen der Umsatz und das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) aus eigener Kraft "leicht bis moderat" wachsen, wie der Dax-Konzern
2023 bezeichnete Unternehmenslenkerin Garijo als "Übergangsjahr": Merck hatte mit einem starken Nachfrageeinbruch in seinem Laborgeschäft zu kämpfen, das in der Corona-Pandemie noch kräftig floriert hatte und seinerzeit von dem erhöhten Bedarf von Impfstoffherstellern profitierte. Doch mit den wegbrechenden Covid-Umsätzen litt der Bereich auch allgemein unter der mangelnden Investitionsbereitschaft seiner Abnehmer. Viele Kunden bauten lange erst einmal die in der Pandemie stark aufgestockten Lager wieder ab. Damit erging es Merck ähnlich wie vielen anderen in der Branche.
Daneben schwächelte auch die Elektroniksparte länger als gedacht, dort stellt der Konzern unter anderem Halbleitermaterialien für elektronische Geräte und Flüssigkristalle etwa für Smartphone- und TV-Bildschirme her, dazu kommen Pigmente für die Auto- und Kosmetikindustrie. In dem Bereich machte sich der allgemeine konjunkturelle Abschwung in der Elektronikindustrie bemerkbar. Zudem leidet Merck bei den Flüssigkristallen schon seit geraumer Zeit unter dem Preisdruck durch Konkurrenz aus Asien.
Einzig die Pharmasparte konnte im vergangenen Jahr ihren Umsatz steigern und verdiente auch mehr, weil sich wichtige Kassenschlager gegen Krebs und Multiple Sklerose gut verkauften. Negative Wechselkurseffekte fraßen aber auch hier einen Großteil der Verbesserungen wieder auf.
Konzernweit ging der Umsatz 2023 im Vergleich zum Vorjahr um fast sechs Prozent auf knapp 21 Milliarden Euro zurück. Das bereinigte operative Ergebnis (bereinigtes Ebitda) sank gar um gut 14 Prozent auf knapp 5,9 Milliarden Euro. Damit traf Merck seine eigenen Prognosen, die der Konzern zuvor aber gesenkt hatte. Analysten hatten einen Tick schlechtere Resultate erwartet. Unter dem Strich verdienten die Darmstädter rund 2,8 Milliarden Euro und damit gut 15 Prozent weniger als im Vorjahr.
Das Management hofft nun auf schrittweise wieder anziehende Aufträge im Laborgeschäft. Das Geschäft mit Produkten und Dienstleistungen rund um die Arzneimittelherstellung soll dadurch noch im ersten Halbjahr die Wende schaffen, im zweiten Halbjahr sollten dann auch die Umsätze wieder anziehen. Dabei plant Merck inzwischen keinerlei Covid-bedingte Erlöse mehr ein.
Nachdem sich 2023 die erhoffte Erholung im Elektronikgeschäft länger verzögerte als gedacht, dürfte es laut Merck auch am Markt für Halbleitermaterialien in diesem Jahr Stück für Stück wieder aufwärtsgehen. Das Management rechnet allerdings erst mit einem Wendepunkt zum Anfang des zweiten Halbjahres.
Merck hat bereits mit einigen Sparpaketen auf die schwierige Situation reagiert. Erst in der vergangenen Woche war der Abbau von bis zu 230 Stellen in der Elektroniksparte bekannt geworden, davon bis zu 100 in Deutschland. Zudem sollen außerhalb Deutschlands bis Ende 2025 weitere 130 Stellen abgebaut werden. Der Konzern strebe möglichst einvernehmliche und sozialverträgliche Lösungen an und versuche möglichst viele Beschäftigte intern zu vermitteln, hieß es. Bereits im November war bekannt geworden, dass Merck die Kosten in der Elektroniksparte um bis 90 Millionen Euro senken will.
Auch in der Pharmasparte wurden 200 Stellen gekürzt, zudem fallen in Zentralfunktionen wie IT, Einkauf, Personal und Recht rund 550 Jobs bis Ende 2024 weg. Betriebsbedingte Kündigungen in Darmstadt sowie im nahen Gernsheim sind per Beschäftigungsgarantie bis Ende 2025 ausgeschlossen. Allein in Darmstadt beschäftigt Merck rund 12 500 der über 64 000 Beschäftigten weltweit./tav/ngu/stk