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Trotz Kanzler-Absage an Taurus für Ukraine geht Debatte weiter

17.03.2024
um 16:52 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Trotz der wiederholten Absage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an eine Taurus-Lieferung für die Ukraine reißt die Debatte über die deutschen Marschflugkörper nicht ab. Zum einen wurden Details aus geheimen Beratungen des Verteidigungsausschusses über das Waffensystem öffentlich. Zum anderen lässt die FDP bei ihrer Forderung nicht locker, Taurus doch noch an die Ukraine zu geben. Äußerungen von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich zum "Einfrieren" des Ukraine-Kriegs erzeugen zusätzlich Wirbel.

Scholz lehnt eine Taurus-Lieferung strikt ab, weil er befürchtet, dass Deutschland in den Krieg Russlands gegen die Ukraine hineingezogen werden könnte. Vor rund zwei Wochen sprach er ein Machtwort: "Ich bin der Kanzler, und deshalb gilt das." Die Ampel-Koalition ist bei dem Thema uneinig: Am Donnerstag lehnte der Bundestag abermals einen CDU/CSU-Antrag für eine Taurus-Lieferung ab. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und ihr Parteikollege Wolfgang Kubicki stimmten dafür - zudem forderten einige Abgeordnete von Grünen und FDP in persönlichen Erklärungen eine Lieferung des Waffensystems. Geheime Details aus dem Verteidigungsausschuss

Am Freitag thematisierte dann ein Bericht des Nachrichtenportals "t-online" den geheimen Teil einer Sondersitzung des Verteidigungsausschusses vom vergangenen Montag. Demnach sprach Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer dort über technische und operative Verfahren zur Zielsteuerung bei Taurus. Dabei soll es laut "t-online" auch um die Folgen einer Taurus-Lieferung an die Ukraine für die Sicherheit Deutschlands gegangen sein. Die Ausschuss-Vorsitzende Strack-Zimmermann kündigte an, die Staatsanwaltschaft einschalten zu wollen, weil Informationen aus der geheimen Sitzung an die Öffentlichkeit gelangten.

Bundeskanzler Scholz sprach sich ebenfalls für Aufklärung aus. "Geheimnisverrat ist etwas, was nicht stattfinden darf", sagte er am Samstag am Flughafen Berlin-Brandenburg. "Und deshalb ist es immer richtig und auch in diesem Fall richtig, dass dem nachgegangen wird." Kritik an SPD-Fraktionschef Mützenich

Unterdessen zeigte sich SPD-Chef Lars Klingbeil "schwer irritiert" über verbale Angriffe auf SPD-Fraktionschef Mützenich. Natürlich werde auch über die Frage diskutiert werden müssen, wie Frieden erreicht werden könne, sagte Klingbeil. Aber: "Wer diese Rede von Rolf Mützenich im Bundestag so interpretiert, dass er abrückt von der Ukraine, der hat die Rede entweder nicht verstanden, oder er wollte sie falsch verstehen." Klingbeil betonte: "Natürlich gibt es keine Gebietsabtritte."

Mützenich hatte am Donnerstag im Bundestag in der Debatte über Taurus kritisiert, dass einige Fragen schon als "Schandfleck" bezeichnet würden. "Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?" Auch Politiker der Koalitionspartner FDP und Grüne kritisierten diese Worte scharf.

Die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler warf der SPD vor, in der Ukraine-Politik aus parteitaktischen Erwägungen zu handeln. "Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik dieses Landes wird inzwischen in der SPD-Parteizentrale gemacht und parteipolitischen Interessen geopfert", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Die SPD schaut gerade besonders auf die Umfragewerte. Sie riskiert aus parteitaktischem Kalkül, dass die Ukraine diesen Krieg verliert." Dabei müsse man gerade alles dafür tun, die Ukraine aus der Defensive zu holen. "Ich habe nicht das Gefühl, dass der Kanzler und die SPD wirklich alles daran setzen, in dieser schwierigen Phase an der Seite der Ukraine zu stehen. Ich habe eher das Gefühl, dass man die Ukraine eigentlich schon abgeschrieben hat", sagte Güler. Beharrlichkeit bei der FDP

Die FDP-Fraktion will in Sachen Taurus das direkte Gespräch mit Kanzler Scholz suchen. "Wir halten die Lieferung von Taurus an die Ukraine für nötig", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, dem "Tagesspiegel" (Samstag). Da die von Scholz genannte Bedingung für die Taurus-Lieferung - keine Bedienung durch deutsche Soldaten - "objektiv erfüllbar" sei, wünsche er sich sehr, "dass das Kanzleramt zeitnah zu einer anderen Lageeinschätzung als bisher kommt", sagte Vogel. Über die Lieferung von Taurus entscheidet nicht der Bundestag, sondern am Ende allein die Regierung. "Deshalb werden wir als FDP-Fraktion mit dem Bundeskanzler auch über das Thema sprechen."/DP/he