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'Überforderungsgrenze erreicht' - Druck der Union vor Gipfel

01.09.2024
um 14:31 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - In der Debatte um eine schärfere Asyl- und Migrationspolitik erhöht die Union wenige Tage vor gemeinsamen Gesprächen den Druck auf die Bundesregierung. Die Chefs von CDU und CSU, Friedrich Merz und Markus Söder, forderten am Wochenende deutlich weitergehende Schritte über die von der Koalition vorgelegten Pläne hinaus. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verlangte zeitnah weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will als Folge aus dem tödlichen Messerangriff in Solingen am Dienstag mit der Union als größter Oppositionskraft sowie den Ländern über die Migrationspolitik beraten. Dabei sollen auch Vorschläge der Union Gegenstand der Beratungen sein.

Nach dem mutmaßlich islamistischen Messeranschlag von Solingen mit drei Toten hatte die Bundesregierung ein Paket vorgelegt zur Rückführung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer, die Bekämpfung des islamistischen Terrors und zum Waffenrecht. So soll es für Geflüchtete, für die ein anderes EU-Land zuständig ist, unter bestimmten Bedingungen künftig komplette Leistungsstreichungen geben. Deutlich eingeschränkt werden soll auch der Umgang mit Messern im öffentlichen Raum.

Merz sieht Grenze der Überforderung erreicht

Die Union hatte bereits die Ausrufung einer "nationalen Notlage" ins Spiel gebracht, um Menschen direkt an der deutschen Grenze zurückweisen zu können. In seiner aktuellen Rundmail an seine Anhänger spielte Merz darauf an. Für das Land und die Gesellschaft sei eine "Überforderungsgrenze" erreicht, erklärte er. Die EU sehe für diesen Fall eine "Generalklausel" vor, die es den Mitgliedstaaten ermögliche, "zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und für den Schutz der inneren Sicherheit eigene Vorkehrungen zu treffen", betonte der CDU-Chef. "An diesem Punkt sind wir angekommen." Die Bundesregierung gehe das eigentliche Problem nicht an, beklagte Merz.

Auch der bayerische Ministerpräsident Söder bemängelte, die Ampel-Vorschläge griffen zu kurz. Notwendig sei eine grundlegende Umkehr in der Migrationspolitik. "Wir müssen das Asylrecht ändern, es ist nicht mehr zeitgemäß. Wir müssen all jene an den deutschen Grenzen zurückweisen können, die klar erkennbar keinen Anspruch auf Schutz haben", sagte Söder der "Welt am Sonntag". Der CSU-Chef äußerte mit Verweis auf die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen Zweifel, ob das Angebot von Scholz zum Dialog ernst gemeint sei.

Union erwartet weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan

Die Union setzt auch auf weitere Abschiebeflüge von Straftätern nach Afghanistan. Am Freitag hatte es erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren einen solchen Flug gegeben. Nach Angaben von Bundesinnenministerin Nancy Faeser waren 28 Straftäter an Bord der Maschine. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der "Bild am Sonntag": "Ich erwarte von Innenministerin Faeser, dass nächste Woche der nächste Abschiebeflug nach Afghanistan stattfindet. Das darf keine Eintagsfliege gewesen sein." Faeser will die Flüge fortsetzen, nannte aber keine Daten. Die SPD-Politikerin sagte der Zeitung: "Ausländische Gewalttäter und Vergewaltiger müssen unser Land wieder verlassen. Ich werde daher weiter alles dafür tun, dass Straftäter und terroristische Gefährder nach Afghanistan und auch nach Syrien abgeschoben werden."

Linnemann: Keine Placebo-Gespräche

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verlangte konkrete Verabredungen beim Treffen von Scholz mit der größten Oppositionskraft und den Ländern. "Es darf keine Placebo-Veranstaltung werden. Es braucht jetzt konkrete Maßnahmen zur Beschränkung der illegalen Migration und nicht andauernd neue Arbeitskreise", sage Linnemann der "Bild am Sonntag". Um illegale Zuwanderung zu stoppen, sei die konsequente Anwendung des Dublin-Prinzips notwendig, also die Zurückweisung an den Grenzen. "Außerdem gilt, wer nicht hierbleiben darf, muss abgeschoben werden. Auf diesen Positionen werden wir bestehen", betonte der Generalsekretär.

Kanzler Scholz hatte bereits zugesagt, dass Maßnahmen schnell auf den Weg gebracht werden sollen. "Und wir diskutieren mit allen über kluge weitere Vorschläge", hatte Scholz am Donnerstag bei einem Bürgerdialog im brandenburgischen Seelow mit Blick auf die Union gesagt. Justizminister Marco Buschmann nimmt auch die Bundesländer in die Pflicht. "Im Bund-Länder-Gespräch muss alles auf den Tisch: alles, was der Bund tun kann, aber auch die Rolle der Länder. Geltendes Recht wird in unzähligen Fällen von den Ausländerbehörden der Länder nicht durchgesetzt. Das muss sich schleunigst ändern", mahnte der FDP-Politiker in der Zeitung./shy/DP/nas