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Aus wichtigem Grund: Realistische Einordnung der Insolvenzstatistik
Berlin (ots) - Rückläufige Gründungszahlen, demographischer Wandel und überholte
Geschäftsmodelle hinterlassen ihre Spuren bei den Insolvenzen. Die Entwicklung
kommt nicht unerwartet. Vor einer Insolvenzwelle steht die deutsche Wirtschaft
weiterhin nicht.
Die Insolvenzzahlen steigen. Seit eineinhalb Jahren kontinuierlich. Der Blick
auf die Zahlen sorgt für große Unruhe - steht die deutsche Wirtschaft seit der
Coronapandemie und dem Ausbruch des Ukrainekriegs doch unzweifelhaft vor großen
Herausforderungen. Oft werden die Insolvenzzahlen als Indikator für die
schlechte Wirtschaftslage angeführt. Schon seit März 2020 wird von vielen
deshalb eine große Insolvenzwelle prognostiziert. Doch die Entwicklung der
Insolvenzzahlen der letzten Jahre bestätigt diese Prognose nicht.
" Schaut man sich die langjährige Entwicklung der Insolvenzen an, dann erreichen
wir nicht annähernd die Zahlen, wie wir sie zu Zeiten der Finanzkrise gesehen
haben ", führt Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des
Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) an. "
Dies hängt auch mit den abnehmenden Gründungszahlen zusammen. Historisch waren
über viele Jahrzehnte junge Unternehmen überdurchschnittlich häufig von
Insolvenzen betroffen ", so Niering weiter. Gerade in den ersten fünf Jahren
nach Gründung besteht für Unternehmen die höchste Insolvenzgefahr. Rückläufige
Unternehmensgründungen führen unmittelbar auch zu entsprechend weniger
Unternehmensinsolvenzen.
Neu ist, dass die Branchen, die derzeit besonders von Insolvenzen betroffen
sind, nicht mehr mit ein und derselben Ursache zu kämpfen haben. Eine allgemeine
Konsumflaute erklärt nicht mehr die wirtschaftliche Schieflage. " Stattdessen
hinterlassen Transformationsprobleme, demographischer Wandel und überholte
Geschäftsmodelle ihre Spuren bei den Insolvenzen. Spürbar, aber eben nicht
unerwartet oder dramatisch ", so der VID-Vorsitzende. In der Automobilbranche
finden Veränderungsprozesse schneller statt als bisher angenommen. Der
stationäre Einzelhandel hat bisher keine Antwort auf den Online-Handel gefunden.
In der Gastronomie und Hotellerie finden durch Insolvenzen Bereinigungsprozesse
statt: Schlechte oder saisonale Arbeitszeit mit geringer Entlohnung sind keine
attraktiven Angebote für Arbeitssuchende. " Die Gründe sind nicht neu. Sie
bestanden oft schon vor der Corona-Pandemie. Die Beihilfen haben den
Insolvenzprozess nur hinausgezögert und Veränderungsprozesse aufgehalten. Viele
haben gehofft, dass sie mit ihren alten Geschäftsmodellen an das Vorher
anknüpfen können ", meint Niering.
Selten sehe man Unternehmen, die top aufgestellt und nun durch eine allgemeine
Nachfrageschwäche in die Insolvenz gegangen seien. " Die meisten insolventen
Unternehmen haben kein tragfähiges Geschäftsmodell oder sind nicht
durchfinanziert. Nach wie vor sind zwei Drittel aller Insolvenzen auf
Managementfehler zurückzuführen. ", so Niering.
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