ROUNDUP 3: Bundestag debattiert über neue Organspende-Regeln
(Neu: Weitere Rednerinnen und Redner, 6.-8. Absatz)
BERLIN (dpa-AFX) - Im Bemühen um mehr Organspenden in Deutschland hat der Bundestag über einen neuen Vorstoß zu einer Änderung der Spenderegeln debattiert. Das Parlament befasste sich erstmals mit einem Gesetzentwurf einer fraktionsübergreifenden Abgeordnetengruppe, die eine sogenannte Widerspruchsregelung einführen will. Damit würde jeder zunächst als Organspender gelten - außer, man widerspricht. Derzeit sind Organentnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung zulässig.
Die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar als Mit-Initiatorin sagte: "Niemand wird gezwungen, Organspender zu sein - er muss nur widersprechen." Angesichts dramatischer Zahlen auf der Warteliste sei es auch zumutbar, dass sich jeder einmal im Leben mit der Frage einer Spende befasse. Es brauche aber einen Paradigmenwechsel, damit todkranke Menschen eine Überlebenschance erhielten. Das Ergebnis bisheriger Anstrengungen sei ernüchternd.
Die FDP-Abgeordnete Kristine Lütke warnte mit Blick auf die Widerspruchsregelung, dass eine staatliche Entscheidung die Grundrechte eines jeden einzelnen zutiefst berühre. Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper - auch über den Tod hinaus - sei von zentraler Bedeutung. Es gebe noch viele mildere Mittel, um die Zahl der Organspenden zu erhöhen.
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann nannte die Widerspruchslösung auch eine Frage der Solidarität. Mit Blick auf die Neuwahl des Bundestags am 23. Februar sagte der CDU-Politiker: "Ich möchte im Namen des Bundesrates wirklich darum bitten, dass sie das in dieser Wahlperiode noch entscheiden - man braucht für diese Entscheidung auch keine Bundesregierung". Die Länderkammer hatte sich ebenfalls für eine Widerspruchslösung starkgemacht.
Organe wie Nieren, Lebern oder Herzen für schwer kranke Patienten werden seit Jahren dringend benötigt. Im vergangenen Jahr gaben 965 Menschen nach dem Tod ein Organ oder mehrere Organe für andere frei, wie die koordinierende Deutsche Stiftung Organtransplantation ermittelte. Zugleich standen aber 8.400 Menschen auf Wartelisten.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach sich als Abgeordneter für die Widerspruchsregelung aus. Sie sei "keine Garantie, dass die Situation sich verbessert", ohne sie sei ein Scheitern aber gesichert, sagte er als letzter Redner. Über den Entwurf soll nun zunächst in Ausschüssen beraten werden.
Die SPD-Abgeordnete Martina Stamm-Fibich bekannte, sie habe bei der vorherigen Abstimmung im Bundestag 2020 gegen die Widerspruchslösung gestimmt. Nun sei sie aber überzeugt, dass es allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland zumutbar sei, "dass wir einmal in unserem Leben uns damit befassen, ob wir nach dem Tod Organe spenden wollen oder nicht".
Martin Sichert (AfD) wandte sich gegen eine Perspektive, "dass der Körper jedes einzelnen nicht dem Individuum, sondern der Gesellschaft gehört". Er sprach in diesem Zusammenhang von "Volkskörper" und kritisierte, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) den Entwurf als Abgeordneter unterstützt. Es sei frappierend, wie sehr Scholz damit "Hitlers Politik nacheifert", fügte er hinzu./axr/sam/DP/mis