GESAMT-ROUNDUP: Spitzen-Grüne für Wahl nominiert - Gespräch mit Merz?
BERLIN (dpa-AFX) - Die Grünen haben auf mehreren Landesparteitagen Spitzenpolitiker für die Bundestagswahl am 23. Februar in Stellung gebracht. Die neue Parteiführung zeigte sich zugleich bereit zum Gespräch mit CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz. Union und Grüne betonten am Wochenende ihre wesentlichen inhaltlichen Unterschiede. Umfragen befeuern gleichwohl Debatten über ein schwarz-grünes Bündnis nach der Wahl. Nach neuen Umfragen käme Schwarz-Grün auf 44 bis 47 Prozent.
Die Grünen in Schleswig-Holstein gehen mit der Bundestagsabgeordneten Luise Amtsberg und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an der Spitze in die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar. Habeck ist auch Kanzlerkandidat der Bundespartei. Auf dem Landesparteitag in Neumünster sagte er, die Grünen hätten in der Regierung gelernt. "Ich will die Grünen wieder in die Regierung führen und eigentlich die Regierung anführen", rief der 55-Jährige den Delegierten zu.
Die baden-württembergischen Grünen wählten die neue Co-Bundesvorsitzende Franziska Brantner zur Spitzenkandidatin. Ihre Vorgängerin Ricarda Lang steht auf Platz 2 der Landesliste. Die nordrhein-westfälischen Grünen ziehen mit den beiden Fraktionschefinnen im Bundestag, Britta Haßelmann und Katharina Dröge, als Spitzenkandidatinnen in den Wahlkampf.
Schwarz-Grün scheint rechnerisch möglich
Die Grünen kommen derzeit in bundesweiten Umfragen auf 12 bis 14 Prozent, die Union auf 32 bis 33 Prozent. Da mehrere Parteien die Fünf-Prozent-Hürde verpassen könnten, scheint rechnerisch Schwarz-Grün ebenso wie ein Bündnis aus Union und SPD möglich. Eine Koalition aus Union und Grünen im Bund wäre ein Novum. In Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg regieren Union und Grüne zusammen, im Südwesten unter Führung der Grünen.
Mitte November hatten die Grünen Felix Banaszak und Brantner zur neuen Doppelspitze gewählt. Der Mediengruppe Bayern sagte Banaszak, er spreche mit den Vorsitzenden der anderen demokratischen Parteien, mit Merz habe es noch keinen persönlichen Austausch gegeben. "Aber es ist schon terminiert", sagte er. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann entgegnete: "Ein Treffen ist nicht geplant", sagte er Deutschen Presse-Agentur. Aus Grünen-Parteikreisen hieß es, es hätte am Freitag ein Treffen zwischen Banaszak, Brantner und Merz geben sollen. Dies sei dann aber kurzfristig abgesagt worden.
Brantner sagte dazu auf Anfrage lediglich: "Ich bin immer gesprächsbereit." Auf die Frage nach ihrem Verhältnis zur Union sagte sie der dpa: "Ich kämpfe für starke Grüne, und ich respektiere, dass Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Und das Einzige, was wir nicht tun im Gegensatz zu anderen, ist, ständig unter Demokraten auszuschließen, mit wem man kann oder mit wem man nicht kann, weil wir glauben, dass man in diesen Zeiten unter Demokraten gesprächsbereit sein sollte."
Berlins Bürgermeister Wegner rät von "Ausschließeritis" ab
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner mahnte: "Die Union wird nach der Bundestagswahl einen Koalitionspartner brauchen. Ich halte wenig von Ausschließeritis", sagte der CDU-Politiker der dpa. Er verstehe, dass die CDU mit den Grünen, wie sie sich jetzt auf Bundesebene und in der Ampel-Regierung präsentiert hätten, nicht zusammenarbeiten wolle.
Wegner wies aber auch auf die aus seiner Sicht erfolgreichen schwarz-grüne Koalitionen in den drei Bundesländern hin. "Warum sollte man solche Bündnisse also generell ausschließen?", fragte Wegner. Hendrik Wüst (CDU), Regierungschef der ersten schwarz-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen, sagte der "Welt am Sonntag", in den Ländern zeige die CDU, "dass auch erfolgreiche Koalitionen zwischen einer starken CDU und den Grünen möglich sind". Zugleich sagte Wüst: "SPD und FDP sind uns in vielen Punkten inhaltlich näher als die Grünen."
Klimaneutralität 2045 für Grüne nicht verhandelbar
Linnemann einerseits die Grünen andererseits machten einmal mehr grundlegende Unterschiede zwischen Union und Grünen deutlich. Die Union wolle einen Politikwechsel bei Migration, Wirtschaft und Sozialpolitik. "Das ist mit diesen Grünen nicht zu machen", sagte Linnemann. Das sagt auch CDU-Chef Merz immer wieder.
Banaszak sagte, die Grünen seien sich einig mit der Union, dass man Frieden in der Ukraine und in Europa nicht dadurch erreiche, "dass wir uns vor einem imperialen Aggressor wie Wladimir Putin in den Staub werfen." "Ansonsten unterscheiden wir uns sehr", fügte er hinzu. Merz habe keinen Plan, wie man in diesem Land weiter in eine zukunftsfähige Wirtschaft investieren könne und scheine auch kein Interesse an einem konsequenten Klimaschutz zu haben.
Das Ziel, 2045 Klimaneutralität zu erreichen, nannte Banaszak "nicht verhandelbar". Habeck warnte in einer Videobotschaft zum Landesparteitag der rheinland-pfälzischen Grünen, die Klimaschutzziele nach hinten zu schieben sei "unüberlegt und falsch". Brantner warf der CDU vor, mit ihrem Nein zu einem dauerhaften Deutschlandticket und zur Verlängerung der Mietpreisbremse das Leben in Deutschland teurer zu machen.
Merz wiederum gab Habeck eine Mitschuld am Zustand der Wirtschaft in Deutschland. Für den "Absturz" seien Kanzler Olaf Scholz (SPD) und der Vizekanzler gleichermaßen verantwortlich, schreibt der CDU-Chef in seinem Newsletter "MerzMail". "Das Ergebnis dieser rot-grünen Wirtschaftspolitik sind hohe Kapitalabflüsse aus Deutschland, steigende Arbeitslosigkeit und Wohlstandsverluste für die Bevölkerung", betonte Merz./shy/DP/he