ROUNDUP: Russland beklagt schwierige Lage vor Flugzeugabsturz
MOSKAU (dpa-AFX) - Das in Kasachstan abgestürzte Passagierflugzeug aus Aserbaidschan konnte nach Moskauer Angaben wegen ukrainischer Drohnenattacken nicht an seinem Zielort in Grosny landen. Weder der Kreml noch die russische Luftfahrtbehörde Rosawiazija äußerten sich aber dazu, ob Teile einer explodierten Flugabwehrrakete die Maschine mit 67 Menschen getroffen und zum Absturz gebracht haben könnten.
Die Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines teilte anhand vorläufiger Ermittlungsergebnisse mit, die Maschine sei "durch physische und technische Einwirkungen von außen" abgestürzt.
Wegen potenzieller Risiken für die Sicherheit seien in Abstimmung mit der aserbaidschanischen Luftfahrtbehörde die Flüge in zehn russische Städte von Baku aus eingestellt worden. Das Aussetzen des Flugbetriebs bleibe in Kraft bis zur kompletten Aufklärung des Absturzes, teilte die Gesellschaft weiter mit.
Moskau: Ukrainische Drohnenangriffe am Tag des Absturzes
"Die Situation an diesem Tag und während dieser Stunden im Bereich des Flughafens von Grosny war sehr kompliziert", sagte der Chef der russischen Luftfahrtbehörde Rosawiazija, Dmitri Jadrow. "Ukrainische Kampfdrohnen führten zu diesem Zeitpunkt terroristische Angriffe auf die zivile Infrastruktur in den Gebieten Grosny und Wladikawkas."
Demnach waren wegen der Gefahr durch die Drohnen keine Starts und Landungen in Grosny, der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, erlaubt. Nach Darstellung Jadrows mussten alle Piloten in dem Zeitraum des Alarms den Luftraum verlassen. Es war das erste Mal, dass eine offizielle russische Stelle einen zeitlichen Zusammenhang zwischen einem Drohnenalarm und dem Absturz herstellte. Auf russischer Seite leitet Rosawiazija die Ermittlungen.
Jadrow äußerte sich nicht dazu, ob die Maschine womöglich durch eine ukrainische Drohne oder den Einsatz einer russischen Flugabwehrrakete beschädigt wurde und dann abstürzte. Er sagte auch, dass in Grosny zu der Zeit dichter Nebel herrschte. Der Pilot der Maschine habe zwei Landeversuche unternommen - ohne Erfolg. Er sei dann Richtung Kasachstan abgedreht.
Experte: Kaum Zweifel an Abschuss
Die vorliegenden Bilder und Daten sprechen nach Ansicht eines Experten sehr für einen Abschuss durch die Flugabwehr. Offensichtlich hätten Geschosse in Form würfelförmiger Schrapnelle das Flugzeug durchlöchert, sagte Oberst Markus Reisner, Ukraine-Experte des österreichischen Bundesheers, im ORF-Radio.
Es habe sich wohl nicht um einen direkten Treffer, sondern um einen Nahtreffer gehandelt, sagte Reisner. Dabei wird nicht das Ziel selbst getroffen, sondern das Geschoss explodiert in nächster Umgebung. Reisner ging von einem unabsichtlichen Treffer aus, keinem gezielten Abschuss.
Beim Landeversuch stürzte die aserbaidschanische Maschine vom Typ Embraer 190 am Mittwoch in der Nähe der kasachischen Stadt Aktau an der Küste des Kaspischen Meeres ab. 38 Menschen an Bord wurden getötet, es gab 29 Überlebende. Fotos des Heckteils der Unglücksmaschine zeigen Schäden, die den Einschlaglöchern von Schrapnell aus Flugabwehrwaffen ähneln.
Außenamt: Zwei Absturz-Überlebende mit Wohnsitz Deutschland
Zwei Überlebende des Flugzeugabsturzes kommen nach Angaben des Auswärtigen Amts aus Deutschland. Nach aktuellem Kenntnisstand lebten zwei der überlebenden Passagiere hierzulande, hieß es aus dem Außenamt in Berlin.
Die Gedanken seien bei den getöteten Passagieren und ihren Angehörigen, den Verletzten wünsche man rasche Genesung, hieß es weiter. "Es ist zentral, dass die Absturzursache jetzt rasch und unvoreingenommen ermittelt wird."
Kiew weist Moskau Schuld für Flugzeugabsturz zu
Die Ukraine sieht die Schuld für den Absturz bei Russland. Moskau müsse für den "Abschuss" der Maschine der Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines zur Verantwortung gezogen werden, erklärte der Chef der ukrainischen Präsidialverwaltung, Andrij Jermak, auf der Plattform Telegram.
Russland hatte zuvor vor Spekulationen gewarnt und dazu aufgerufen, die Ermittlungsergebnisse zur Absturzursache abzuwarten.
Mehrere Medien hatten unter Berufung auf namentlich nicht genannte aserbaidschanische Regierungsquellen berichtet, die Maschine sei durch den Einsatz einer russischen Flugabwehrrakete abgestürzt.
Die Ukraine setzt in ihrem Abwehrkampf gegen den russischen Angriffskrieg immer wieder auch auf Drohnenangriffe. Zuletzt hatte es im Nordkaukasus mehrere solcher Angriffe gegeben, weshalb Russland seine Flugabwehr einsetzte. Immer wieder wird im Zuge solcher ukrainischen Attacken auch der Betrieb auf russischen Flughäfen zeitweilig eingestellt.
Flüge in viele russische Ziele eingestellt
Aserbaidschan stellte seine Flugverbindungen in zehn russische Städte ein. Von diesem Samstag an werde es keine Flüge mehr von Baku nach Sotschi, Wolgograd, Ufa, Samara, Mineralnye Wody, Grosny, Machatschkala, Wladikawkas, Nischni Nowgorod und Saratow geben, teilte die Fluggesellschaft Azerbaijan Airlines mit. Demnach kehrte am Freitag eine Maschine nach Baku zurück, weil am russischen Zielflughafen Mineralnye Wody im Nordkaukasus der Luftraum gesperrt war.
In Kasachstan setzte die Fluggesellschaft Qazaq Air für einen Monat aus Sicherheitsgründen Flüge von der Hauptstadt Astana in die russische Metropole Jekaterinburg am Ural aus. Flüge nach Omsk und Nowosibirsk in Sibirien gebe es aber weiter, hieß es.
Zuvor hatte die russische Luftfahrtbehörde an einigen Flughäfen im Land erneut aus Sicherheitsgründen vorübergehend keine Starts und Landungen erlaubt. Details wurden nicht genannt.
Azerbaijan Airlines will der Mitteilung zufolge weiter die Flughäfen in Moskau, St. Petersburg, Kasan, Astrachan, Jekaterinburg und Nowosibirsk anfliegen./mau/DP/nas