ROUNDUP: Erleichterungen für Hausärzte - Was bringt das?
BERLIN (dpa-AFX) - Bessere Bedingungen für Hausarztpraxen sollen die Vor-Ort-Versorgung für Millionen Menschen in Deutschland stärker absichern. Darauf zielt ein Gesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), das der Bundestag beschlossen hat. Es regelt finanzielle Anreize und Vereinfachungen und soll so auch mehr Zeit für Patienten schaffen. "Einen Termin beim Hausarzt zu bekommen, wird endlich wieder deutlich einfacher - insbesondere für gesetzlich Versicherte", versprach Lauterbach. Patientenvertreter und die Krankenkassen zeigten sich skeptisch, dass große Verbesserungen kommen.
Kurz vor der Bundestagswahl hatten sich SPD und Grüne mit ihrem ehemaligen Ampel-Partner FDP noch auf wichtige Punkte eines Gesetzes verständigt, das nach dem Koalitionsbruch zu versanden drohte. Großes Ziel ist, angesichts von bundesweit 5.000 unbesetzten Hausarztsitzen den Beruf attraktiver zu machen - vor allem auf dem Land oder in ärmeren Vierteln von Großstädten.
Vergütung
Für Hausärzte fallen - wie schon bei Kinderärzten - sonst übliche Obergrenzen bei der Vergütung weg. Das bedeutet, dass sie Mehrarbeit sicher honoriert bekommen, auch wenn das Budget ausgeschöpft ist. "Jede Leistung wird bezahlt", lautet das Motto. So soll es für Hausärzte auch attraktiver werden, wieder mehr Patienten anzunehmen. Zu Buche schlagen dürfte die Umstellung mit einem "unteren dreistelligen Millionenbetrag" an Mehrkosten bei den gesetzlichen Krankenkassen, wie das Ministerium schätzt.
Neue Pauschalen
Praxen sollen künftig eine "Versorgungspauschale" für Patienten mit leichten chronischen Erkrankungen und wenig Betreuungsbedarf erhalten. Das soll Einbestellungen in jedem Quartal nur aus Abrechnungsgründen vermeiden und größere Freiräume schaffen. Hausärzte können stattdessen eine bis zu ein Jahr umfassende Pauschale abrechnen. Eine extra "Vorhaltepauschale" können Praxen bekommen, die bestimmte Kriterien erfüllen - zu Haus- und Pflegeheimbesuchen oder "bedarfsgerechten" Sprechzeiten etwa abends.
Bessere "Lotsenfunktion" erwartet
Die Offensive für bessere Bedingungen soll auch helfen, das Netz bei nahenden Ruhestandswellen zu erhalten. Hausärzte könnten ihre Lotsenfunktion besser und mit weniger Bürokratie wahrnehmen, sagte Lauterbach. "Das senkt die Kosten, überflüssige Facharzttermine fallen weg." Zwar zeigte sich zuletzt kein Rückgang mehr. Ende 2023 gab es laut Bundesarztregister 51.389 Hausärzte und damit 75 mehr als Ende 2022. Zehn Jahre zuvor waren es aber 52.262. Bei Hausärzten ist der Anteil der Über-60-Jährigen mit 37 Prozent besonders hoch.
Praktische Wirkung umstritten
Die gesetzlichen Krankenkassen bezweifeln große Effekte. "Ob sich auch für die Patientinnen und Patienten etwas verbessert, steht in den Sternen", sagte die stellvertretende Chefin des Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis. Das Gesetz sei so aufgebaut, dass Hausärzte garantiert 400 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich bekämen, selbst wenn es keinen einzigen zusätzlichen Termin gebe. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband begrüßte dagegen, dass mit dem Wegfall der Vergütungslimits Praxisschließungen in den kommenden Jahren verhindert würden. Etwa in Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg würden viele Praxen erleichtert aufatmen.
Patientenschützer mit Zweifeln
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, monierte, es bleibe das Geheimnis von Lauterbach, wie der Wegfall der Honorar-Limits zu mehr Terminen führen solle. Zum Steuern brauche es Zulassungsbegrenzungen in lukrativen Ballungszentren und Anreize für Praxen in strukturarmen Regionen. Zweifelhaft sei auch, dass chronisch Kranke wegen der neuen Jahrespauschale seltener Praxen aufsuchen. Diese Patienten hätten verschiedenste Symptome. "Mehrmals im Jahr ärztlichen Rat einzuholen, liegt somit auf der Hand."
"Pille danach"
Ins Gesetz aufgenommen wurden auch einige andere Regelungen. Schon jetzt haben Frauen einen Anspruch auf eine Notfall-Verhütung mit einer "Pille danach" auf Kassenkosten, wenn es Hinweise auf sexuellen Missbrauch oder eine Vergewaltigung gibt - allerdings bisher mit einer Altersbeschränkung bis zum 22. Geburtstag. Diese Altersgrenze ist jetzt abgeschafft./sam/ax/DP/ngu