WAHL 2025/ROUNDUP: Letzte Bundestagssitzung vor Wahl von Attacken geprägt
BERLIN (dpa-AFX) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Herausforderer Friedrich Merz von der Union haben sich in der letzten Bundestagssitzung vor der Wahl gegenseitig scharf attackiert. Scholz warf Merz vor, mit seinen Migrationsplänen die europäische Integration zu gefährden. "Friedrich Merz tritt an, Europa zu Grabe zu tragen", sagte er. Damit stelle er auch das "stolze Erbe" der früheren CDU-Kanzler Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel infrage. Im Umgang mit der AfD warf er dem CDU-Vorsitzenden "unverantwortliche Zockerei" vor.
Merz: "Was war das denn?"
Merz konterte mit den Worten: "Was war das denn? 25 Minuten abgelesene Empörung über den Oppositionsführer. Herzlichen Glückwunsch, Herr Bundeskanzler." Der SPD-Kanzlerkandidat verwechsele die Bundestagssitzung wohl mit einem Juso-Bundeskongress. Der CDU-Chef versprach erneut, dass die Union nicht mit der AfD koalieren werde. Und er bot allen Parteien der "demokratischen Mitte" für die Zeit nach der Wahl am 23. Februar die Zusammenarbeit an, um extreme Kräfte von links und rechts zurückzudrängen.
Scholz: "Wir kommen da durch"
Scholz las seine Rede anders als in mancher früheren Generaldebatte im Bundestag weitgehend ab. Er stimmte die Bürger auf schwierige Zeiten ein, versuchte aber gleichzeitig Zuversicht zu verbreiten. "Der Wind weht derzeit von vorn. Und die Wahrheit ist: Das wird sich in den kommenden Jahren auch nicht grundlegend ändern", sagte der SPD-Kanzlerkandidat.
Er verwies auf die Belastungen durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Probleme der Wirtschaft, die Inflation und die soeben von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle. Er verspreche den Bürgerinnen und Bürgern nicht das Blaue vom Himmel, betonte er. "Aber was ich den Bürgerinnen und Bürgern verspreche, ist: Wir kommen da gemeinsam durch! Wir kommen da durch, wenn wir jetzt nicht falsch abbiegen."
Scholz: Merz hat Wort "im Affekt" gebrochen
Die Attacken des Kanzlers gegen Merz bezogen sich erneut vor allem auf den Eklat Ende Januar, als Merz mit den Stimmen der AfD einen Fünf-Punkte-Plan zur Migration durch den Bundestag brachte. "Die Bürgerinnen und Bürger wissen jetzt: Wenn Friedrich Merz den Kompromiss unter Demokraten zu schwierig findet, dann macht er gemeinsame Sache mit denen da", sagte er.
Scholz warf Merz vor, sein Wort, solche Mehrheiten zu vermeiden, im Affekt gebrochen zu haben. "Sie haben gezielt auf die Zustimmung der extremen Rechten gesetzt, um Ihre demokratischen Mitbewerber niederzustimmen." Dies seien ungute Zeichen für die Zeit nach der Wahl. "Deshalb geht es am 23. Februar darum, eine Mehrheit aus CDU, CSU und AfD unbedingt zu verhindern. Deshalb geht es darum, Schwarz-Blau unmöglich zu machen."
Merz: Scholz baut "Popanz" auf
Merz wies die Spekulationen des Kanzlers über eine Zusammenarbeit der Union mit der AfD erneut zurück. "Es kommt nicht infrage, und dabei wird es natürlich auch bleiben", sagte er. An Scholz gerichtet sagte er: "Es ist ein Popanz, den sie hier aufbauen, und sie wissen es natürlich."
Der Unions-Kanzlerkandidat nutzte seine Rede für eine Generalabrechnung mit drei Jahren Regierungsarbeit vor allem von SPD und Grünen - die FDP verschonte er. Scholz und sein Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kämen ihm so vor wie zwei angestellte Geschäftsführer, die ein Unternehmen vor die Wand gefahren hätten und anschließend den Eigentümern vorschlagen würden: "Wir würden das jetzt gerne nochmal vier Jahre so weiter machen. So kommen Sie mir vor."
Merz: "Schieres Desaster" auf dem Arbeitsmarkt
Die Regierung hinterlasse ein "schieres Desaster" auf dem Arbeitsmarkt. Scholz verlasse das Bundeskanzleramt mit fast drei Millionen Arbeitslosen, fast 400.000 mehr als zu Beginn der Amtszeit. Zudem habe es in dieser Zeit 50.000 Unternehmensinsolvenzen gegeben und einen Kapitalabfluss in einer Größenordnung von rund 100 Milliarden Euro im Jahr. "Sie nehmen offensichtlich die Wirklichkeit überhaupt nicht mehr wahr", rief Merz in Richtung Scholz.
Die Kehrtwende des Kanzlers in der Sicherheitspolitik, die sogenannte "Zeitenwende", sei nicht ausreichend umgesetzt worden. "Es sind Zeiten ohne Wende geblieben."
Neuer Bundestag wird deutlich kleiner sein
Zwölf Tage vor der Bundestagswahl verabschiedet sich das Parlament mit dieser Sitzung. Die erste Sitzung des neuen Bundestags findet spätestens 30 Tage nach der Wahl statt. Dann beginnt die neue Wahlperiode, die Regierung Scholz ist nur noch geschäftsführend im Amt.
Unabhängig vom Ausgang der Wahl steht bereits fest, dass das neue Parlament erheblich kleiner sein wird als das bisherige. Das neue, von der Ampel-Koalition beschlossene Wahlrecht begrenzt die Größe auf 630 Abgeordnete. Bei der Wahl 2021 waren noch 736 Abgeordnete in den Bundestag eingezogen. Möglich wird die Verkleinerung dadurch, dass es jetzt keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr gibt./mfi/DP/mis