ROUNDUP: Söder will alte deutsche Atommeiler reaktivieren
MÜNCHEN (dpa-AFX) - Die drei 2023 in Deutschland abgeschalteten Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 sollen laut Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zeitnah reaktiviert werden. Ziel sei es, eine "vorübergehende, für die nächsten zehn Jahre mindestens, vorübergehende Stabilität, Netzstabilität, Stromstabilität, gerade auch regional zu entwickeln", sagte der CSU-Chef nach einer Sitzung des bayerischen Kabinetts in München. Die Meiler liegen in Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg.
Reaktivierung "jederzeit" möglich?
Die Reaktivierung der drei letzten, im Zuge des deutschen Atomausstiegs abgeschalteten Meiler sei "nach den Rücksprachen, die wir mit vielen technischen Experten haben, (...) in diesem und im nächsten Jahr jederzeit noch möglich. Je länger es dauern würde, desto höher die Kosten", sagte Söder. Er betonte zudem von sich aus, dass seine Informationen nicht mit den offiziellen Stellungnahmen zu den Atomkraftwerken übereinstimmen.
Betreiber von Isar 2 widerspricht Söder umgehend
Bisher hatte es auch von den bisherigen Betreibern der Meiler anderslautende Aussagen gegeben: Eine Reaktivierung sei auch wegen des laufenden Rückbaus und fehlender Mitarbeiter nicht mehr möglich. Für Isar 2 hielt der Betreiber diese Aussage auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur auch aufrecht: "Unsere Position dazu ist unverändert: Für Preussen Elektra ist der Weiterbetrieb von Isar 2 kein Thema mehr. Der Rückbau hat begonnen und die Anlage ist damit praktisch nicht mehr reaktivierbar."
Baden-Württembergs Umweltministerin zweifelt an Söders Quellen
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker widersprach Söder ebenfalls postwendend: "Die Spitzen der bisherigen AKW-Betreiberfirmen haben erst vor wenigen Wochen unisono und namentlich öffentlich erklärt, dass der Rückbau ihrer Anlagen de facto irreversibel sei." Wenn Söder gegenteiliges gehört haben wolle, solle er bitte seine Quellen offenlegen. "Ich habe starke Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit." Als Ex-Umweltminister und treibende Kraft des Atomausstiegs 2011 müsste Söder es eigentlich besser wissen.
Söder: Kosten seien "nicht sehr groß"
Söder erklärte dennoch, dass für die Reaktivierung zunächst eine Änderung des Bundesatomgesetzes notwendig sei, dann könnte das Verfahren "zeitnah erfolgen". Als Zeitkorridor nannte er "innerhalb von diesem und im nächsten Jahr jederzeit". Die Kosten seien "nicht sehr groß". Kritik hagelte es umgehend von den Grünen und der SPD, die Söder einen gefährlichen "Rückfall in die Atom-Träumerei" vorwarfen, die nicht helfe, den Energiebedarf zu decken.
Bereits 2022 hatte es eine Kontroverse über eine Änderung des Atomgesetzes und längere Laufzeiten gegeben. Der TÜV-Süd hatte damals zu Isar 2 erklärt, ein Weiterbetrieb sei kein Problem, da es an der Sicherheit des 1988 gebauten Meilers keine Zweifel gebe. Diese Einschätzung teilte die Bundesatomaufsicht nicht und verwies darauf, dass bei allen drei Atomkraftwerken die in Europa vorgeschriebenen, periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) seit 2011 überfällig seien. Auch entsprechen die Reaktoren nicht ansatzweise mehr dem heutigen Stand von Forschung und Technik.
Auch Endlagerdebatte muss laut Söder neu geführt werden
Im Zuge der Atompläne kündigte Söder auch den parteiübergreifenden Konsens zur Suche und Inbetriebnahme eines deutschen Endlagers für hochradioaktiven Atommüll auf: "Wir müssen die Endlagedebatte völlig neu diskutieren." Er verwies auf eine neue Studie, nach der es technisch möglich sei, "den Atommüll fundamental zu reduzieren" und Teile des Atommülls wieder zu nutzen. Darüber hinaus brauche es kein Lager mehr für eine Million Jahre, wie bislang angenommen, sondern nur noch 800 Jahre. Diese Punkte müssten in den Mittelpunkt der Endlagerdebatte gestellt werden.
Im Auftrag der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND haben Experten der TU München und des TÜVs eine Studie erstellt, nach der Atommüll in deutlich weniger schädliche Elemente umgewandelt werden kann. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) reagierte mit Skepsis auf die Studie.
Weitere Atomreaktoren als Energielieferanten für Rechenzentren
Darüber hinaus forderte Söder auch die Prüfung, Entwicklung und den Bau von "kleinen, fortschrittlichen Reaktoren, die mittlerweile in den USA bereits entwickelt werden, die günstiger sind, die schneller sind, die auch sicherer sind vom Sicherheitsaufwand". Die Technische Universität München habe bereits eine erste Konzeption für einen solchen Reaktor in Garching entwickelt. Das sei eine Blaupause für Deutschland. Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) betonte, dass Bayern ein 100-Millionen-Euro-Programm aufgelegt habe, um die Grundlagen für die Kernforschung und die Kernfusion in Bayern anzuschieben./had/DP/jha