ROUNDUP: Neue Gaza-Hilfszentren heute geschlossen - Armee warnt
TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Die israelische Armee warnt die Bevölkerung im Gazastreifen eindringlich davor, die umstrittenen und heute wegen "Renovierungsarbeiten" geschlossenen Verteilungszentren für Hilfsgüter zu besuchen. Die Straßen dorthin würden als Kampfgebiete gelten, teilte ein Armeesprecher auf der Plattform X mit. Nach wiederholten Berichten über tödliche Schüsse auf Palästinenser bei den Zentren in den vergangenen Tagen will die für die Verteilung der Hilfsgüter verantwortliche Gaza Humanitarian Foundation (GHF) die Sicherheit dort verbessern.
Die Zentren würden wegen "Renovierungs-, Organisations- und Effizienzverbesserungsarbeiten" geschlossen bleiben. Dazu würden logistische Vorbereitungen getroffen, um auf größere Menschenmengen eingestellt zu sein. Darüber hinaus wolle die israelische Armee die Zeit nutzen, um sichere Zugangswege vorzubereiten, berichtete die "Times of Israel". Am Sonntag, Montag und Dienstag habe das israelische Militär auf Palästinenser geschossen, die sich den Truppen genähert hätten. Sie seien von einem vorab genehmigten Weg abgewichen.
Ein israelischer Armeesprecher warnte die Bewohner Gazas davor, sich heute in Gebiete zu begeben, die zu den Verteilungszentren führen. "Es ist strengstens verboten, die Bereiche der Verteilungszentren zu betreten!" Am Donnerstag sollen die Zentren wieder eröffnet werden, hieß es weiter.
Nach Angaben der von der islamistischen Terrororganisation Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde vom Dienstag sollen israelische Soldaten in der Nähe eines Verteilungszentrums bei Rafah mindestens 27 Palästinenser getötet und rund 90 weitere verletzt haben. Dagegen erklärte die israelische Armee, Soldaten hätten rund einen halben Kilometer von der Verteilungsstelle entfernt Verdächtige gesehen, die eine Bedrohung dargestellt hätten. Da diese aber trotz Warnschüssen nicht zurückgewichen seien, hätten die Soldaten auf einzelne Verdächtige geschossen. Die Angaben lassen sich allesamt derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Guterres fordert Untersuchung
Die GHF hatte die Verteilung der Hilfsgüter über die Zentren erst vor gut einer Woche im Süden des abgeriegelten Küstenstreifens gestartet. Bislang will sie nach eigenen Angaben mehr als sechs Millionen Mahlzeiten verteilt haben. Im Umfeld dieser Zentren soll es palästinensischen Berichten zufolge bereits zuvor zu ähnlichen tödlichen Zwischenfällen gekommen, bei denen Dutzende Palästinenser ums Leben gekommen sein sollen.
Nach den neuen Berichten über bei den Hilfszentren getötete Palästinenser bekräftigte UN-Generalsekretär António Guterres seine Forderung nach Konsequenzen. "Der Generalsekretär fordert weiterhin eine sofortige, unabhängige Untersuchung dieser Ereignisse und die Rechenschaftspflicht der Täter", sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric in New York. "Es ist inakzeptabel, dass Zivilisten beim Versuch, Nahrungsmittel zu beschaffen, ihr Leben riskieren und in mehreren Fällen sogar verlieren."
Israel ermöglicht der GHF die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen, um auf diese Weise Hilfsorganisationen der UN und anderer Initiativen zu umgehen. Die UN haben dies kritisiert und Israel vorgeworfen, humanitäre Hilfe als Waffe einzusetzen.
Israels Regierung hatte seit März alle Hilfslieferungen in das abgeriegelte Küstengebiet blockieren lassen. Damit sollte nach ihren Angaben der Druck auf die Hamas erhöht werden, damit sie die letzten beim Terrorüberfall in Israel am 7. Oktober 2023 entführten Geiseln freilässt. Erst seit rund zwei Wochen hat Israel die Blockade gelockert. Auslöser des Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.
Die umstrittene Neuausrichtung der humanitären Hilfe in Gaza begründet die israelische Regierung damit, dass die Lieferungen zuvor von der Hamas gestohlen worden seien. Belege für den systematischen Raub von humanitärer Hilfe durch die Hamas gibt es allerdings nach Darstellung der UN-Organisationen keine.
Die US-Regierung verteidigte indes die bislang durch die GHF geleistete Hilfe - und hielt zugleich an ihrer Distanz zu ihr fest. Es handele sich um eine unabhängige Organisation, die kein Geld der US-Regierung erhalte, sagte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, auf Nachfrage in Washington.
Israelischer Außenminister besucht Berlin
Heute wird der israelische Außenminister Gideon Saar in Berlin erwartet. Gespräche mit seinem Kollegen Johann Wadephul (CDU) sind nach Angaben des Außenamtes am Donnerstag geplant. Nach einer Mitteilung des israelischen Außenministeriums besucht Saar auch das Holocaust-Mahnmal in Berlin.
Deutschland gilt als enger Verbündeter Israels. Israelische Medien sprechen allerdings von einer "veränderten Tonlage", die sie aus den Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und anderen öffentlichen Vertretern Deutschlands herausgehört haben wollen. Merz hatte in der vergangenen Woche die israelische Regierung zwar scharf kritisiert, von der Androhung mit konkreten Konsequenzen aber abgesehen.
Raketen aus Syrien schlagen auf besetzten Golanhöhen ein
Derweil schlugen aus Syrien abgefeuerte Raketen erstmals seit mehr als einem Jahr wieder auf israelisch kontrolliertem Gebiet ein. Die zwei Geschosse seien auf den von Israel besetzten Golanhöhen über freiem Gelände niedergegangen, teilte die israelische Armee mit. Berichte über Verletzte lagen zunächst nicht vor. Die israelischen Streitkräfte reagierten nach eigenen Angaben mit Artilleriefeuer auf die Abschussstelle und bombardierten ein Waffenlager im Süden Syriens.
Es handelte sich um den ersten Raketenangriff aus Syrien seit Mai 2024, der Israel oder israelisch kontrolliertes Gebiet traf, schrieb die Zeitung "Times of Israel". Zugleich war es der erste Angriff dieser Art aus Syrien seit dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad im Dezember.
Die neue syrische Führung unter Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa hat weite Teile des Landes nicht unter ihrer Kontrolle. Bis vor einem Jahr hatten proiranische Milizen aus Syrien heraus Israel beschossen, um die Hamas im Gazastreifen in ihrem Krieg gegen Israel zu unterstützen. Diese Milizen agierten damals mit Billigung der Assad-Führung.
Raketenfeuer auch aus dem Jemen
Fast zeitgleich drang am Dienstagabend nach israelischen Militärangaben eine Rakete aus dem Jemen in den israelischen Luftraum ein. Die israelische Luftabwehr fing das von der Huthi-Miliz im Jemen abgefeuerte Geschoss ab, wie die Armee mitteilte. Berichte über Schäden oder Verletzte lagen zunächst nicht vor. Seit Beginn des Gaza-Krieges im Oktober 2023 greift die proiranische Huthi-Miliz Israel regelmäßig mit Raketen und Drohnen an - nach eigenen Angaben als Ausdruck ihrer Solidarität mit der Hamas im Gazastreifen./hme/DP/zb