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OTS: Atradius Kreditversicherung / Deutschlands Autobranche hat die Talsohle ...

10.06.2025
um 10:03 Uhr

Deutschlands Autobranche hat die Talsohle noch nicht erreicht
Köln (ots) -

- Atradius: Automotive-Industrie muss ihre Strategie überdenken
- Zulieferer drohen vom Markt gedrängt zu werden
- Atempause für Europas E-Autohersteller durch Strafzölle auf chinesische
EV-Importe

Zu hohe Kapazitäten, zu niedrige Nachfrage, das Damoklesschwert US-Zölle:
Deutschlands Automobilindustrie ist auf einer Marterstrecke unterwegs.
Stellenstreichungen, Werksschließungen, Produktionsverlagerungen und sinkende
Gewinne der Hersteller und Zulieferer sind die Folge. "Deutschlands
Vorzeigebranche hat die Talsohle noch nicht erreicht", sagt Jens Stobbe, Manager
Risk Services beim internationalen Kreditversicherer Atradius.

Nachdem die Automobilproduktion in Deutschland 2023 durch Nachholeffekte in
Folge der Corona-Pandemie um 13,1 Prozent stieg, befindet sie sich seither im
Abwärtstrend. 2024 ging die Produktion um 5,7 Prozent zurück. Für 2025 erwartet
Atradius ein weiteres Minus von 5,0 Prozent und für 2026 von weiteren 2,6
Prozent. "Noch können sich die Hersteller diese Schwächephase durch das in der
Vergangenheit aufgebaute finanziellen Polster leisten, doch die Luft wird
dünner", sagt Jens Stobbe. Vier-Tage-Wochen und Gehaltsverzicht seien vor diesem
Hintergrund lediglich Überbrückungshilfen. Tatsächlich müsste sich die deutsche
Automobilindustrie aber neu erfinden oder zumindest einer Schlankheitskur
unterziehen. "In vielen Werken laufen deutlich weniger als die mögliche
Produktionsmenge vom Band - eigentlich besteht die Notwendigkeit zu drastischen
Einschnitten wie Werksschließungen, um profitabel zu sein." Doch dies sei
politisch schwer umzusetzen. Dennoch dürfte auch in diesem Jahr die Zahl der
Stellenstreichungen in der deutschen Automobilindustrie das Niveau von 2024
erreichen, glaubt Jens Stobbe. Im Jahr 2024 wurden in Deutschland 19.000
Arbeitsplätze in der Automobilindustrie abgebaut.

Auch mit Blick auf die EU sieht es nicht besser aus. Nach einem Rückgang um 5,1
Prozent im vergangenen Jahr erwartet Atradius für die Automobilproduktion in der
EU einen erneuten Rückgang um 3,7 Prozent. Die Wirtschaftsleistung in Europa
bleibt gedämpft und zudem dürften die Neuwagenkäufe in den kommenden Monaten
weiterhin schwach bleiben, da die Verbraucher in der aktuellen konjunkturellen
Lage große Anschaffungen aufschieben. Für 2026 wird nur eine leichte Erholung
von 0,4 Prozent prognostiziert.

Absatzschwäche der Hersteller trifft Zulieferer hart

Hart trifft es vor diesem Hintergrund aber nicht nur die Hersteller, sondern
insbesondere auch die Zulieferer. Sie sind von den Absatzplänen der
Automobilhersteller abhängig. Und die Autobauer werden angesichts der eigenen
angespannten Lage voraussichtlich nicht mehr so großzügig bei der Zahlung von
Schadens- oder Ausgleichszahlungen sein, um schwächelnde Zulieferer zu stützen.
Die Folge: Deren Aussichten haben sich deutlich eingetrübt. Nach den
Beobachtungen von Atradius sind derzeit sinkende Margen und zunehmende
Zahlungsverzögerungen sowie Insolvenzen in wichtigen Märkten wie Deutschland,
Italien und Großbritannien zu beobachten.

Weitere Probleme entstehen der Branche durch die Transformation des Marktes von
Verbrennungsmotoren zum Elektroantrieb. Viele Tier-2- und Tier-3-Zulieferer
würden Atradius zufolge nicht über die technologischen oder finanziellen Mittel
oder beides verfügen, um sich in der Wertschöpfungskette zu verändern. "Sie
könnten dadurch in den kommenden Jahren gezwungen sein, den Markt zu verlassen",
fürchtet Jens Stobbe. Weitere Risiken stellen auch die US-Importzölle sowie die
schärfer werdende Wettbewerbssituation durch chinesische E-Autohersteller dar.

US-Zölle sind ein großes Risiko für die Branche

Im Jahr 2023 stammten 20 Prozent des Wertes der EU-Automobilausfuhren aus
Verkäufen in die USA. Die deutsche und italienische Automobilindustrie sowie die
Lieferketten in mittel- und osteuropäischen Ländern wie der Tschechischen
Republik und der Slowakei sind durch restriktivere Zölle am stärksten gefährdet.
"Wir schätzen, dass die deutschen und italienischen Automobilausfuhren infolge
der US-Zölle im Jahr 2025 um mehr als fünf Prozent sinken könnten", so Jens
Stobbe weiter.

Die Kombination aus sinkender Exportnachfrage und sinkenden Gewinnmargen könnte
die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen sowie mittel- und osteuropäischen
Automobilindustrie, die bereits unter Druck steht, erheblich beeinträchtigen.
Eine Umleitung der Exporte auf andere Märkte sei nach Angaben von Atradius
bestenfalls eine Teillösung. Die Umsatzverluste in den USA können für die
europäischen Unternehmen kaum durch die Verlagerung des Exports in andere Märkte
kompensiert werden - zu groß sind die Unterschiede in der Marktnachfrage, bei
den Verbraucherwünschen, den logistischen Hindernissen, den unterschiedlichen
regulatorischen Vorgaben oder dem starken Wettbewerb etwa durch China oder
Südkorea.

Vorteil chinesischer E-Autohersteller gegenüber Europas Wettbewerbern

Der aktuelle Vorteil chinesischer E-Autohersteller gegenüber ihren europäischen
Konkurrenten besteht Atradius zufolge darin, dass sie günstigere Modelle
anbieten und in der Regel schneller Fehler beheben und sich zügiger an
Marktbedingungen anpassen können. Um dem entgegenzuwirken, müssten deutsche und
europäische Hersteller in naher Zukunft mehr Elektrofahrzeuge im unteren und
mittleren Preissegment anbieten. Um die europäische Automobilindustrie zu
schützen, hat die EU Strafzölle auf chinesische EV-Importe verhängt. Diese
EU-Zölle könnten die Dynamik der chinesischen Importe verlangsamen und den
europäischen Herstellern ein Zeitfenster für die Einführung einer neuen
Generation wettbewerbsfähigerer Fahrzeuge verschaffen. Allerdings, so Jens
Stobbe, könnten chinesische Autobauer auch ihre Pläne zur Lokalisierung der
Produktion in Europa beschleunigen.

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