ROUNDUP/Wadephul in Golfregion: Außenminister im Krisenmodus
MASKAT/DOHA/RIAD (dpa-AFX) - Es hat etwas von Krisen-Speeddating, was Johann Wadephul in diesen Tagen absolviert. Während sich Israel und dessen Erzfeind Iran mit einer todbringenden Angriffswelle nach der anderen überziehen, trifft der neue deutsche Außenminister in der Golfregion einen Amtskollegen nach dem anderen. Ganz zu schweigen von der Telefondiplomatie, die er nebenher pflegt. Der CDU-Mann ist gerade ein international gefragter Gesprächspartner.
Saudi-Arabien, Katar, Oman sind die Wochenend-Reiseziele Wadephuls. Als Konsequenz aus dem vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu befohlenen Großangriff auf militärische Ziele und Atomanlagen im Iran hatte er am Freitag Pläne für Antrittsbesuche in Nahost kurzfristig umgeworfen.
Wadephul erster EU-Minister nach dem Angriff in der Region
Wadephul zeigt spontan Flagge in der Region. Er ist der erste europäische Minister, der nach der militärischen Eskalation zwischen Israel und dem Iran in der Region ist. Dass er dort quasi ohne Vorlauf empfangen wird, wird intern als Zeichen des Vertrauens in die deutsche Regierung und den Minister gewertet. Deutschland gilt vielen in der Region seit langem als Führungsmacht in Europa.
Eigentlich Gespräche in Jerusalem geplant
Wadephul wollte an diesem Sonntagnachmittag um 17.00 Uhr eigentlich mit Netanjahu in Jerusalem über die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen und die Chancen für eine Zweistaatenlösung mit den Palästinensern beraten. Es sollte der Schlusspunkt einer Reise durch die Krisenregion sein, nach Ägypten, Libanon, Syrien und Jordanien. Erst am Freitag hatte der Minister einen starken persönlichen Einsatz für eine Verhandlungslösung angekündigt.
Al-Bussaidi statt Netanjahu
Stattdessen sitzt der deutsche Minister am Sonntagnachmittag in der Hauptstadt Maskat mit seinem Kollegen Badr al-Bussaidi aus dem Golf-Sultanat Oman zusammen. Die für diesen Tag dort geplanten Atomverhandlungen zwischen den USA und Iran waren nach Kriegsausbruch geplatzt.
Die Mächtigen im Oman haben gute Kanäle nach Teheran und gelten als Vermittler im Atomkonflikt, die wenig öffentlich reden, aber gute Arbeit machen. Und Deutschland ist seit langem gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich an den Atomverhandlungen mit dem Iran beteiligt.
Vorsicht optimistisches erstes Fazit, aber: Bin nicht naiv
Nach dem Treffen mit Al-Bussaidi zieht Wadephul ein vorsichtig optimistisches erstes Fazit seiner Tour durch die Golfregion. Es gebe "durchaus eine Chance, dass wieder verhandelt wird. Und dafür setze ich mich ein und dafür bin ich auch hoffnungsfroh." Zugleich dämpft er die Erwartungen: "Ich bin nicht naiv und ich weiß auch, dass wir uns weiter anstrengen müssen." Dennoch: Es gebe "eine erste Aussicht, dass beide Parteien verstehen, dass sie jetzt Bereitschaft zur Verhandlung zeigen müssen".
Auf die Nachfrage was er konkret erreicht habe, sagt er: "Ich habe erreicht, dass es gemeinsam eine Auffassung davon gibt, dass eine Verhandlungslösung das Ziel sein muss. Und dass eine kriegerische Auseinandersetzung nur zu einer weiteren Eskalation führen kann." Er versucht zugleich, zu hohen Erwartungen vorzubauen: "Wir sind da noch nicht."
Klare Worte richtete Wadephul an Teheran: Der Iran müsse sich zum Atomwaffensperrvertrag bekennen und eindeutig Abstand von einer nuklearen Bewaffnung und einem Programm zur Entwicklung ballistischer Raketen nehmen, die Israel und Europa bedrohen könnten. "Wenn das jetzt erfolgt von iranischer Seite, dann gibt es eine realistische Chance und die müssen wir gemeinsam nutzen", sagt er mit Blick auf mögliche Verhandlungen über eine diplomatische Lösung zwischen Israel und Iran.
Was war das Ziel Wadephuls in der Golfregion?
Wadephul wollte einen Prozess zur Eingrenzung des Kriegs in Gang bekommen, in Richtung eines Waffenstillstands. In den ARD-"Tagesthemen" sagte er am Samstagabend zugeschaltet aus dem Golf-Emirat Katar, dazu sei es nötig, von allen Seiten auf die Kontrahenten einzuwirken. Er bitte seine Kollegen in der Region, Gespräche mit Iran zu führen, Deutschland tue dies mit Israel.
"Es gibt die gemeinsame Erwartung, dass wir innerhalb der nächsten Woche den ernsthaften Versuch auf beiden Seiten unternehmen müssen, die Spirale der Gewalt zu unterbrechen", sagte der Minister. Auch seine europäischen Kollegen würden sich an dieser Strategie beteiligen, fügte Wadephul hinzu. Zugleich seien Deutschland, Frankreich und Großbritannien gemeinsam bereit - wie schon in den vergangenen Jahren im sogenannten E3-Format - sofort wieder mit dem Iran Verhandlungen über dessen Atomprogramm aufzunehmen.
Kann Wadephul als Krisenmanager überhaupt etwas erreichen?
Diplomatie bedeutet oft, geduldig dicke Bretter zu bohren. Der nüchtern-norddeutsche Wadephul dürfte sich da keine Illusionen machen. Ob er überhaupt etwas erreichen kann im Nahen Osten? Das kann wohl niemand so richtig vorhersagen. Offensichtlich ist aber: Der 62-Jährige arbeitet nach noch nicht mal sechs Wochen im neuen Amt schon im Dauerkrisenmodus./bk/hpa/DP/he