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ROUNDUP: Sozialstaat auf dem Prüfstand - Kommission gestartet

01.09.2025
um 17:07 Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung hat eine Kommission zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Sozialstaats in Deutschland ins Leben gerufen. Das Gremium mit Vertreterinnen und Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen konstituierte sich in Berlin. Mögliche Empfehlungen der Kommission werden bis Jahresende erwartet und sollen von der Zusammenlegung von Sozialleistungen bis zu digitalen Anträgen reichen können, wie das Sozialministerium mitteilte.

Neun Ministerien und der Sozialstaat

Für die Bundesregierung nehmen neun Ministerien teil. Im September und Oktober sollen Verbände, Wissenschaft und Praxis gehört werden. Inhaltlich liege der Fokus auf den steuerfinanzierten Leistungen wie Wohngeld, Kinderzuschlag oder Bürgergeld. Sozialstaatssekretär Michael Schäfer kündigte "konkrete Empfehlungen" an, "sodass wir ab 2026 in die Umsetzung gehen können".

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will den Sozialstaat mit der Kommission und weiteren Schritten zukunftsfähig und bezahlbar machen. Zu beachten sei, "dass wir uns den Sozialstaat leisten können müssen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Sebastian Hille. Die Regierung wolle mit mehreren Weichenstellungen bei Sozialem und Rente "entscheidende Schritte" gehen.

Reichinnek versus Klingbeil

Linke-Chefin Heidi Reichinnek warf der schwarz-roten Koalition Verschärfungen zulasten Betroffener vor. "Die SPD zeigt, dass sie die Union gar nicht braucht, um unsoziale Politik zu machen", sagte Reichinnek. "Dass die Vorschläge zur Verschärfung im Bürgergeld ausgerechnet von ihren Parteivorsitzenden kommen, ist bezeichnend." Bundesfinanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil hatte die für kommendes Jahr geplante Nullrunde beim Bürgergeld sowie geplante Verschärfungen unterstützt.

Klingbeil stellte im ARD-"Bericht aus Berlin" klar, dass es sich bei der für 2026 vorgesehenen Bürgergeld-Nullrunde nicht um eine Reform handele. Sie sei aber eine richtige Entscheidung von Sozialministerin Bärbel Bas (SPD). Mit einigen weiteren kurzfristigen Veränderungen sollten bei sogenannten Totalverweigerern der Druck deutlich hochgefahren und Sanktionen geschärft werden. Er habe allein aus Gerechtigkeitsempfinden die Erwartung, dass man sich anstrenge, so Klingbeil.

Reichinnek forderte hingegen eine deutliche Anhebung der Bürgergeld-Regelsätze. "Denn zahlreiche Studien belegen, dass das Bürgergeld schon jetzt nicht zum Leben reicht." Das eigentliche Problem sei die lahmende Wirtschaft mit deutlich mehr Arbeitslosen als offenen Stellen. "Die braucht eine spürbare Konjunkturbelebung, die weit über das bisher von der Koalition geplante hinausgeht."

Regierung will Aktivrente aufs Gleis setzen

Regierungssprecher Hille betonte, der Reformprozess bei Sozialem und Wirtschaft habe bereits vor dem Sommer begonnen. In diesem Herbst werde nun etwa die Aktivrente aufs Gleis geschoben. Mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten "Aktivrente" sollen Rentnerinnen und Rentner bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei hinzuverdienen können. Merz setzt auf eine baldige Einführung als Anreiz für längeres Arbeiten im Alter. "Wenn alles gut geht, kriegen wir das zum 1. Januar hin", hatte der CDU-Vorsitzende im ZDF gesagt./bw/DP/jha