KÖLN (dpa-AFX) - Der Mensch kann vieles. Er kann Kriege führen, Gedichte schreiben, das Internet erfinden. Im deutschen Fernsehen kann er seit Jahren auch: an Stangen baumeln, über wackelige Bretter hetzen und irgendwann, meist unvermeidlich, ins Wasser fallen. Die Show "Ninja Warrior Germany" ist zu einem unverhofften Dauerbrenner geworden. Am Freitag (19. September, 20.30 Uhr, RTL
Am Konzept hat sich im Kern wenig verändert, auch wenn immer wieder neue (oft auch: noch monströsere) Hindernisse konstruiert oder Spezial-Regeln eingeführt werden: Kandidatinnen und Kandidaten müssen einen extrem anspruchsvollen Hindernis-Parcours durchqueren, um Geld zu gewinnen. Wer alles schafft und auf einen Buzzer drückt, kommt eine Runde weiter. Wer scheitert, stürzt meist in einem großen Wasserbottich. Manche Kandidaten sind nur ein paar Minuten zu sehen, weil sie gleich am ersten Hindernis fulminant abprallen.
Ein Blick hinter die Kulissen
Wer das Fernsehen kennt, weiß, dass es dort vergleichbar kurzlebig zugehen kann. Wer schwächelt, fliegt raus - das gilt für noch so tapfere "Ninja"-Krieger ebenso wie für Sendungen. "Ninja Warrior Germany" aber läuft seit 2016 mit erstaunlich langem Atem. Man kann es als Phänomen bezeichnen.
Wer ergründen will, warum das so ist, kann in einem Studio-Komplex in Köln beginnen. Wer diese Hallen betritt, merkt sofort: Als Kandidat sollte man wirklich frei von Höhenangst sein. Viele Hindernisse wirken noch weitaus höher als im Fernsehen. Gerade werden die Athleten eingewiesen. "Darf ich bei dem Hangel-Dings da Teile skippen?", fragt einer von ihnen. Wenig später folgt eine Warnung an die Kandidaten, sich bitte nicht zu überschätzen. Tenor: Ein Preisgeld ist schön, ein gesundes Sprunggelenk aber auch.
"Buschi" macht Schluss
Weit über allen, in einer Art Loge, sitzt Kommentator Frank Buschmann, genannt "Buschi", und hat seine eigene Theorie, warum sich die Leute für "Ninja Warrior" interessieren. Für ihn ist es die letzte Staffel, wie er jüngst angekündigt hat ("Ich hatte in meinem Leben immer ein Gespür dafür, wann ich etwas Anderes/Neues machen möchte"). Seit dem Start hat er das Format zusammen mit Co-Kommentator Jan Köppen und Reporterin Laura Wontorra präsentiert.
Buschmann verweist auf den besonderen Geist im Athleten-Feld, der das eigentliche Geheimnis sei. Der eine gewinnt, der andere verliert - doch untereinander gibt es keinen Groll. Er spricht von einer echten "Community".
Das andere sei die enorme Familientauglichkeit des Formats, meint Buschmann. Er hat dazu auch eine Definition von "Ninja Warrior Germany" parat, die man so in keinem Nachschlagewerk finden wird: "Eine der letzten Familienshows im deutschen Fernsehen, die du gefahrlos gucken kannst, ohne dass gebumst, gehauen oder rumgeprollt wird."
Inspiriert wurde das deutsche Format von einer Show aus Japan, die es dort schon seit 1997 gibt. Nach dem Ursprungsland mit 42 Staffeln und den USA mit 17 Staffeln sei Deutschland erst das dritte Land weltweit, in dem die Marke von 10 Staffeln geknackt werde, so RTL. Mittlerweile hat sich rundherum eine Art eigenes Ökosystem entwickelt. Es gibt Promis wie den ehemaligen Skispringer Sven Hannawald (50), die sich in den Parcours wagen und auch Ableger für Kinder.
Historisch betrachtet fallen einem durchaus Sendungen ein, in denen im weitesten Sinne Parcours zu bewältigen waren. Etwa "Spiel ohne Grenzen" mit Camillo Felgen oder - Stichwort Japan - "Takeshi's Castle", eine Sendung, bei der Kandidaten auf möglichst irrsinnige Weise versuchten, eine ausgedachte Burg zu erobern.
Buschmann sollte man speziell mit diesem Vergleich allerdings nicht kommen. Bei "Ninja Warrior" habe man viel Spaß, sagt er - aber mit dem Voll-Quatsch von "Takeshi's Castle" habe das nun wirklich nicht zu tun. Bei dem Vergleich "flippe" er aus, droht Buschmann. Er hat schon gefühlt alles im Fernsehen kommentiert, selbst rollende Murmeln. Buschmann kennt die Schattierungen des Genres.
Abseits, so ein Blödsinn
Tatsächlich trifft man bei den Kandidaten auf eine infantile Freude, aber auch auf ein ausgeprägtes Desinteresse an jedem unnötigen Klimbim. Entweder man schafft das Hindernis - oder man schafft es eben nicht. So ist die Haltung. Auch wenn drumherum alles bunt flackert, raucht und pfeift.
"Es gibt nur so viele Regeln wie nötig", erklärt Kandidat David Eilenstein seine Faszination für die Show. "So Blödsinn wie Abseits oder so? Gibt es nicht."
Eilenstein, der optisch ein wenig an Hip-Hop-Veteran Thomas D (Die Fantastischen Vier) erinnert, ist ein konsequenter Typ. Lange hat er geturnt und Parkour-Sport betrieben, irgendwann landete er in der "Ninja"-Szene. Mittlerweile hat er sich ihr ganz und gar verschrieben. Eine Wissenschaftskarriere hat er an den Nagel gehängt und eine eigene Halle geöffnet, in der man an Hindernissen trainieren kann. Er ist Vollzeit-Ninja.
Eisspray regelt
Schwerere Verletzungen gebe es nur ganz selten, sagt der Unfallchirurg Volker Gilbert, der die Sendung seit dem Start als Arzt begleitet. Mit Tapes und Eisspray kann er die meisten Problemchen gut behandeln. "Das sind fast überwiegend richtig gut durchtrainierte Leute, die auch darauf präpariert sind", sagte er.
Zudem sei es ja auch so: Der Kurs siebe sehr effektiv aus, sagt Gilbert. Wer zur Überschätzung neige, falle früh ins Wasser. An die großen Wände am Ende, bei denen auch Gilbert bisweilen "kribbelig" wird, kommen in der Regel nur die, die richtig fit sind.
Wer durchkommt, hat das Geld. Wer runterfällt, immerhin eine gute Geschichte./idt/DP/zb