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ROUNDUP: Selenskyj stellt Odessa unter Militärverwaltung

15.10.2025
um 17:27 Uhr

ODESSA/KIEW (dpa-AFX) - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Schwarzmeer-Metropole Odessa im Konflikt mit dem Bürgermeister unter Militärverwaltung gestellt. Per Dekret gründete das Staatsoberhaupt die neue Militärverwaltung und bestimmte den Geheimdienstgeneral Serhij Lyssak zu deren Chef. Lyssak wurde zugleich als Militärgouverneur der Region Dnipropetrowsk nach mehr als zweieinhalb Jahren von seinem Amt entbunden, um der neuen Aufgabe nachzugehen.

Dem bisher verantwortlichen und gewählten Bürgermeister von Odessa, Hennadij Truchanow, hatte Selenskyj am Vortag die Staatsbürgerschaft entzogen. Angeblich soll er einen russischen Pass besitzen. Truchanow weist die Vorwürfe zurück, will gegen die Entscheidung Selenskyjs klagen und hält an seinem Bürgermeister-Posten fest. Mit dem Verlust der Staatsangehörigkeit ist das gewählte Stadtoberhaupt auch praktisch seines Amtes enthoben; ihm könnte sogar eine Abschiebung drohen.

Vorgelegte Geheimdienstbelege werden angezweifelt

Investigativjournalisten des russischen Portals "The Insider" zweifelten indes die Echtheit der vom Geheimdienst SBU vorgelegten Dokumente an. Die Überprüfung der Passnummer habe ergeben, dass ein derartiger Reisepass fünf Jahre früher und an eine Frau ausgegeben worden sei. Zudem enthalte die veröffentlichte Kopie einen Fehler bei der englischen Transliteration des Vornamens Gennadi mit lateinischen Buchstaben. Statt "Gennadiy" sei "Genadiy" geschrieben worden.

"Viel zu viele Sicherheitsfragen in Odessa blieben viel zu lange ohne entsprechende Antworten", sagte Selenskyj am Vortag ohne konkrete Details zu nennen. Die Stadt brauche einen stärkeren Schutz und mehr Unterstützung. Truchanow, der Russland immer wieder wegen der vielen Angriffe auf Odessa verurteilte, ist seit 2014 Bürgermeister der Millionenstadt.

Die Ukraine wehrt sich seit mehr als dreieinhalb Jahren gegen die russische Invasion.

Selenskyjs Vorgehen nicht ohne Kritik

Kritiker Selenskyjs beklagen, dass der Präsident immer mehr gewählten Volksvertretern eine Militärverwaltung mit seinen Vertrauten vorsetze. Aufgrund des geltenden Kriegsrechts werden die eigentlich Ende Oktober fälligen Kommunalwahlen ausgesetzt. Die Vollmachten aller kommunalen Vertreter wurden allerdings durch einen Parlamentsbeschluss bis Ende des Krieges bestätigt.

Selenskyj werden bereits seit Längerem unter anderem vom Bürgermeister der Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, autoritäre Tendenzen vorgeworfen. Zwischen Klitschko und dem von Selenskyj eingesetzten Militärverwalter Tymur Tkatschenko ist es in den vergangenen Tagen zu öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen gekommen. Selenskyj hatte Klitschko nach Stromausfällen infolge russischer Drohnenangriffe kritisiert./mau/DP/jha