ROUNDUP: 123.000 Sicherheitsbeauftragte sollen wegfallen
BERLIN (dpa-AFX) - Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will Betriebe von Bürokratie beim Arbeitsschutz entlasten und mehr als 123.000 spezielle Beauftragte in Unternehmen abschaffen. Das Schutzniveau werde dabei erhalten, versichert ein neues Konzept ihres Hauses. Beim DGB und der Deutschen Unfallversicherung gibt es daran große Zweifel. Aktuell sind laut Unfallversicherung rund 670.000 Sicherheitsbeauftragte ergänzend zu ihrer beruflichen Tätigkeit in deutschen Betrieben tätig.
Das Ministeriumspapier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, listet rund ein Dutzend Vorhaben auf. Bereits die ersten zwei von drei geplanten Paketen für einen effizienteren Arbeitsschutz sollen laut Arbeitsministerium eine Entlastung für die Wirtschaft in Höhe von knapp 200 Millionen Euro pro Jahr bringen.
Abgeschafft werden sollen zahlreiche Beauftragte in den Unternehmen. So solle die Verpflichtung für Firmen mit weniger als 50 Beschäftigten entfallen, eine oder einen Sicherheitsbeauftragten zu bestellen. Größere Unternehmen bis 250 Beschäftigte sollen sich auf einen beschränken können. "Rund 123.000 Sicherheitsbeauftragte werden abgeschafft", heißt es in dem Papier. Geplante Einsparung für die Wirtschaft: rund 135 Millionen Euro.
Sicherheitsbeauftragte unterstützen Arbeitgeber bei der Umsetzung von Schritten zur Arbeitssicherheit. Diese Mitarbeiter sollen etwa Gefahren erkennen, Sicherheit fördern und bei der Einhaltung von Vorschriften helfen.
Druckluftbeauftragte fallen weg
Abgeschafft werden sollen unter anderem auch sogenannte Druckluftbeauftragte - und zwar "im Zuge der Außerkraftsetzung der Druckluftverordnung". Das Regelwerk gilt für Arbeiten in Druckluft und soll nun, wo nötig, in bestehende Arbeitsschutzverordnungen überführt werden. Geschützt werden sollen hier Beschäftigte etwa im Tiefbau in einer Umgebung mit Überdruck, erzeugt durch Schleusen. Laut Verordnung haben Arbeitgeber heute für diese riskanten Arbeiten diverse Fachkundige zu bestellen, deren Aufgaben detailliert aufgelistet sind.
DGB warnt vor weniger Arbeitsschutz
Bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) stoßen die Pläne auf heftige Vorbehalte. DGUV-Stephan Fasshauer forderte sorgfältiges Abwägen. Einsparungen dürfen nicht zulasten wachsender Unfallrisiken gehen - und damit höherer Kosten. "Sicherheitsbeauftragte entlasten die Unternehmen schließlich auch bei ihren gesetzlichen Arbeitsschutzpflichten." Er verwies auf eine Umfrage im DGUV-Auftrag: 78 Prozent der Beschäftigten sehen sich demnach von ihren Unternehmen gut unterstützt bei sicherem, gesundem Arbeiten.
DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel sagte: "Das Ministerium muss sich fragen lassen, wie wichtig ihm die Gesundheit der Beschäftigten wirklich ist." Mit den von den Berufsgenossenschaften ausgebildeten Sicherheitsbeauftragten hätten vor allem kleinere Betriebe niedrigschwelligen Zugang zu Fachwissen im Arbeitsschutz. "Wenn es diese Sicherheitsbeauftragten nicht mehr gibt, fällt die Unterstützung weg; Arbeitgeber sind dann wieder selbst verantwortlich für sicheres und gesundes Arbeiten und haftbar im Falle von Unfällen."
Mehr digitale Dokumente
Zu den Plänen zählt ferner die "Abschaffung von entbehrlichen Formerfordernissen" und "Ersetzung der Schriftform" im Arbeitsschutz. Dahinter verbirgt sich unter anderem, dass Vereinbarungen verstärkt in elektronischer Form festgehalten werden dürfen. So hatte die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände kritisiert: "Wo Schriftformerfordernisse bestehen, sind die Digitalisierungs- und damit auch Automatisierungsmöglichkeiten begrenzt."
Erste Maßnahmen sollen laut den Plänen bis Ende des Jahres initiiert werden. In den kommenden Jahren solle sich ein breiter Dialog mit den betroffenen Akteuren über einfachere arbeitsschutzrechtliche Instrumente anschließen.
Wildbergers Brief
Die Pläne gehen auch auf einen Vorstoß von Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) zum Abbau von Bürokratie zurück. Wildberger hatte die Ministerien Anfang August in einem Brief aufgefordert, bis zum 15. September konkrete Vorhaben zum Bürokratieabbau vorzulegen./bw/DP/jha