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ROUNDUP: Merz geht von Einigung im Rentenstreit aus

23.11.2025
um 18:27 Uhr

BERLIN/JOHANNESBURG (dpa-AFX) - Im Dauerstreit um das Rentenpaket der Koalition setzt Bundeskanzler Friedrich Merz auf eine Verständigung. "Ich gehe davon aus, dass wir uns einigen", sagte der CDU-Vorsitzende nach dem G20-Gipfel in Johannesburg im RTL/ntv-Interview. Für die Zeit bis 2031 gebe es keinen Dissens, für die Zeit danach müsse man einen Weg finden, die enormen Kostenbelastungen für den Haushalt und damit auch der jungen Generationen zu dämpfen.

Auch in einem ARD-Interview zeigte sich Merz "sehr zuversichtlich" für eine Lösung des Streits. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) sei in intensiven Gesprächen, er selbst begleite diese. "Wir müssen uns alle in dieser Frage aufeinander zubewegen, weil wir alle gemeinsam eine Lösung brauchen, und dafür arbeiten wir wirklich intensiv", betonte Merz auf die Frage, ob sich auch die SPD bewegen müsse.

Spahn zeigt Verständnis für Junge Gruppe und fordert Disziplin

Spahn versuchte mit einem Appell und Lob, die jungen Kritiker des geplanten Rentenpakets zur Zustimmung im Bundestag zu bewegen. "Für die Argumente der Jungen Gruppe und der Jungen Union gibt es viel Verständnis und Sympathie. Gleichzeitig haben alle das große Ganze im Blick: Diese Koalition muss regierungsfähig sein, wenn wir etwas erreichen wollen für unser Land", sagte der CDU-Politiker dem "Münchner Merkur".

"Für die SPD sind stabile Renten ein so entscheidendes Thema wie für uns Sicherheit, Begrenzung der irregulären Migration oder Ankurbeln der Wirtschaft. Das abzuwägen, ist klassische Verantwortungsethik in der Politik und gilt genauso für uns wie die SPD", mahnte Spahn. Er betonte, die Koalition brauche eine eigene Mehrheit und dürfe nicht auf Stimmen anderer Fraktionen angewiesen sein.

Spahn bescheinigte den Kritikern des Pakets Erfolge mit ihrem Protest. Sie hätten eine breite und notwendige Debatte über die Zukunft der Rente angestoßen und auch dafür gesorgt, dass die Rentenkommission früher eingesetzt werde - noch im Dezember - und schon in einem halben Jahr Ergebnisse mit Substanz liefern solle.

Die Kommission soll Vorschläge zur langfristigen Sicherung der Altersversorgung machen. Zu dem strittigen Rentenpaket, das zum 1. Januar in Kraft treten soll, gehören die sogenannte Haltelinie beim Renten-Sicherungsniveau, die ausgeweitete Mütterrente, die geplante Frühstartrente, wonach Kinder ab dem sechsten Lebensjahr pro Monat zehn Euro vom Staat für ein Altersvorsorgedepot bekommen sollen, die Aktivrente mit steuerfreiem Zuverdienst bis zu 2.000 Euro im Monat für Rentner, eine Betriebsrentenstärkung und die Reform der Riester-Rente.

Entschließungsantrag reicht Unionsnachwuchs nicht aus

Die Junge Gruppe lehnte wegen möglicher hoher Kosten das Rentenpaket ab - ohne sie hätte die Koalition keine sichere Mehrheit bei einer Parlamentsabstimmung. Merz hatte vorgeschlagen, den Bedenken in einem "Begleittext" oder Entschließungsantrag zum aktuellen Gesetzentwurf Rechnung zu tragen.

Das reicht dem Unionsnachwuchs nicht aus. Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Johannes Winkel (CDU), sagte der "Rheinischen Post": "Es ist nicht überzeugend, sich unverbindlich zu entschließen, in Zukunft das Gegenteil von dem zu tun, was man im gleichen Atemzug verbindlich beschlossen hat." Dem "Spiegel" sagte Winkel mit Verweis auf ein Diktum des einstigen SPD-Fraktionschefs Peter Struck: "Das Struck'sche Gesetz, nach dem kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hereingekommen ist, gilt auch für Gesetzentwürfe aus dem Hause Bas."

Die SPD-Vorsitzende Bärbel Bas ist als Bundessozialministerin für das Thema Rente zuständig. Die Sozialdemokraten lehnen Änderungen an dem Rentenpaket ab.

Grünen-Fraktion legt eigenes Konzept vor

Auf die Grünen kann die Koalition nicht zählen. Co-Parteichef Felix Banaszak sagte der "Bild am Sonntag": "Wir stimmen gegen dieses Rentenpaket, weil es im Gesamten kein sinnvoller Umgang mit Geld ist und die Strukturprobleme überhaupt nicht anfasst."

Die Grünen im Bundestag legten am Sonntag eigene Ideen für eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus bei durchschnittlich 48 Prozent der Löhne und Gehälter vor. Unter fünf Forderungen sind eine Abkehr von Frühverrentungsprogrammen und die Reform der "Rente mit 63".

"Der tatsächliche Einstieg in die Rente muss weiter ansteigen. Würden alle Beschäftigten tatsächlich bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter arbeiten, würde der Beitragssatz bis 2030 um knapp ein Prozent sinken", schreiben die Grünen-Politiker Katharina Dröge, Britta Haßelmann und Andreas Audretsch in ihrem Papier, über das zuerst das ARD-Hauptstadtstudio berichtete.

Mehr Beitragszahler für die Renten

Die Finanzierung der Rente müsse auf mehr Schultern verteilt werden. "Könnten Frauen so viel arbeiten, wie sie wollen, dann würde der Arbeitsmarkt in Deutschland um etwa 800.000 Vollzeitstellen wachsen und damit mehr in die Rente eingezahlt werden", so die Grünen. Sie plädieren für mehr Zuwanderung zur Stabilisierung der Rente und fordern "nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige, neue Beamte und Abgeordnete" in die gesetzliche Rente einzubeziehen. Vorgeschlagen wird auch, im Rentensystem Möglichkeiten des Kapitalmarktes besser zu nutzen und die Grundrente "zu einer einfachen und bürokratiearmen Garantierente gegen Altersarmut" auszubauen./shy/DP/men