Befreiung / Zielgesellschaft: Westwing Group SE; Bieter: Global Founders GmbH / Rocata GmbH / Zerena GmbH
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EQS-WpÜG: Global Founders GmbH / Rocata GmbH / Zerena GmbH / Befreiung
Befreiung / Zielgesellschaft: Westwing Group SE; Bieter: Global Founders
GmbH / Rocata GmbH / Zerena GmbH
18.12.2025 / 17:00 CET/CEST
Veröffentlichung einer WpÜG-Mitteilung, übermittelt durch EQS News - ein
Service der EQS Group.
Für den Inhalt der Mitteilung ist der Bieter verantwortlich.
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Veröffentlichung des Tenors und der wesentlichen Gründe
des Bescheids der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
vom 3. Dezember 2025
über
die Befreiung nach § 37 Abs. 1 WpÜG von den Verpflichtungen
gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG
in Bezug auf die Westwing Group SE, Berlin
Die nachfolgende Veröffentlichung wurde der Rocket Internet SE von den
Antragstellern des Bescheides über die Befreiung von der Verpflichtung zur
Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots in dem veröffentlichten
Wortlaut übermittelt. Die Rocket Internet SE trägt keine Verantwortung für
den Inhalt des Nichtberücksichtigungsbescheids bzw. den veröffentlichten
Text.
* * *
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2025 hat die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht ("BaFin") auf den Antrag
der Global Founders GmbH mit Sitz in Oberhaching (nachfolgend, die
"Antragstellerin
zu 1)"), der Rocata GmbH mit Sitz in Oberhaching (nachfolgend, die
"Antragstellerin
zu 2)") und der Zerena GmbH mit Sitz in Oberhaching (nachfolgend, die
"Antragstellerin
zu 3)", und, gemeinsam mit der Antragstellerin zu 1) und der Antragstellerin
zu 2), die "Antragsteller")
die Antragsteller gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG von den Pflichten befreit, nach §
35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung an der Westwing Group SE mit
Sitz in Berlin zu veröffentlichen und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG der BaFin
eine Angebotsunterlage zu übermitteln und diese nach § 35 Abs. 2 Satz 1
i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichen.
Der Tenor des Bescheids der BaFin lautet wie folgt:
1. Für den Fall, dass die Antragsteller die Kontrolle über die Westwing
Group SE, Berlin, durch Einziehung von eigenen Aktien seitens der
Westwing Group SE erlangen, werden die Antragsteller jeweils gemäß § 9
Satz 1 Nr. 5 WpÜG-AngebV, § 37 WpÜG von den Verpflichtungen befreit,
nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Kontrollerlangung über die Westwing
Group SE, Berlin, zu veröffentlichen und gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG
innerhalb von vier Wochen nach der Veröffentlichung der
Kontrollerlangung über die vorgenannte Gesellschaft der BaFin eine
Angebotsunterlage zu übermitteln und diese gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 WpÜG
zu veröffentlichen.
2. Die Befreiung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs (§ 36 Abs. 2 Nr.
3 VwVfG) für den Fall, dass die Antragsteller eigene oder ihr nach § 30
WpÜG zuzurechnende Stimmrechte von 30 % oder mehr an der Westwing Group
SE, Berlin, ausüben.
3. Die Befreiung ergeht unter dem Vorbehalt des Widerrufs (§ 36 Abs. 2 Nr.
3 VwVfG) für den Fall, dass die Antragsteller so viele Aktien an der
Westwing Group SE halten oder ihnen nach § 30 WpÜG zugerechnet werden,
dass trotz einer Ausübung von Stimmrechten von 30 % minus einer Aktie am
jeweils ausstehenden Grundkapital der Westwing Group SE unter Abzug der
Stimmrechte, die die Antragsteller gemäß Ziffer 2 des Tenors nicht
ausüben dürfen, dies dazu führt, dass die Antragsteller 50 % plus einer
Aktie des stimmberechtigten Kapitals an der Westwing Group SE vertreten.
4. Die Befreiung ergeht ferner mit der Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG),
dass die Antragsteller der BaFin das Eintreten folgenden Umstandes
unverzüglich mitzuteilen hat:
* die Erlangung der Kontrolle im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG an der
Westwing Group SE, Berlin, durch die Antragsteller.
5. Die Befreiung ergeht mit der weiteren Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 4
VwVfG), dass die Antragsteller ab dem Erlangen der Kontrolle im Sinne
von § 29 Abs. 2 WpÜG an der Westwing Group SE, Berlin, nach jeder
Hauptversammlung der Westwing Group SE, Berlin, die
Hauptversammlungsanmeldungen für alle
* eigenen oder ihr nach § 30 WpÜG zuzurechnenden Stimmrechte,
* sowie Stimmrechte, zu deren Ausübung die Antragsteller bevollmächtigt
wurden und
* Stimmrechte, deren Anmeldung von den Antragstellern veranlasst wurden,
soweit in den vorgenannten Fällen Anmeldungen zur Hauptversammlung der
Zielgesellschaft erfolgt sind, bei der BaFin vorlegen.
Diese Auflage wird beendet, wenn der Stimmrechtsanteil der Antragsteller an
der Westwing Group SE, Berlin, die Kontrollschwelle im Sinne von § 29 Abs. 2
WpÜG wieder unterschreitet.
Die Befreiung beruht im Wesentlichen auf den folgenden Gründen:
A. Sachverhalt
I. Zielgesellschaft
Zielgesellschaft ist die Westwing Group SE mit Sitz in Berlin, eingetragen
im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg unter HRB 239114 B
(nachfolgend "Zielgesellschaft").
Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt EUR 20.903.968 und ist
eingeteilt in 20.903.968 nennwertlose Stückaktien (mit einem rechnerischen
Anteil am Grundkapital von je EUR 1,00 je Aktie) (nachfolgend
"Westwing-Aktien"),
die jeweils eine Stimme gewähren.
Die Aktien der Zielgesellschaft sind unter der ISIN: DE000A2N4H07 zum Handel
im regulierten Markt an der Frankfurter Wertpapierbörse (Prime Standard)
zugelassen.
Die Zielgesellschaft hat in der Vergangenheit verschiedene
Aktienrückkaufsprogramme durchgeführt, wobei sie zuletzt am 20.12.2024 eine
Stimmrechtsmitteilung für den Erwerb eigener Aktien im Jahr 2024 abgab,
welches sie mit Ad-hoc-Mitteilung vom 08.11.2024 ankündigte.
Die Durchführung dieses Aktienrückkaufangebots ist aufgrund einer am
19.06.2024 gefassten Abstimmung über die Erteilung einer Ermächtigung zum
Erwerb eigener Aktien, einschließlich der Ermächtigung zur Einziehung
erworbener Aktien in der Hauptversammlung der Zielgesellschaft durchgeführt
worden.
Ausweislich der letzten Stimmrechtsmitteilung vom 20.12.2024 hält die
Zielgesellschaft gegenwärtig 2.085.661 eigene Westwing-Aktien (entspricht
rund 9,98 % des Grundkapitals der Zielgesellschaft).
II. Antragsteller
1. Antragstellerin zu 1), die Global Founders GmbH, ist eine deutsche
Gesellschaft mit beschränkter Haftung, eingetragen im Handelsregister
des Amtsgerichts München unter der Handelsregisternummer HRB 173912. Das
Stammkapital der Antragstellerin zu 1) in Höhe von EUR 33.350 ist in
sechs Geschäftsanteile eingeteilt, wobei sämtliche Geschäftsanteile von
der Antragstellerin zu 2) gehalten werden. Die Antragstellerin zu 1)
hält angabegemäß 67.359.150 Aktien an der Rocket Internet SE mit Sitz in
Berlin, eingetragen im Handelsregister des Amtsgericht Charlottenburg
unter HRB 165662 B. Dies entspricht rund 82,66 % des Grundkapitals und
der Stimmrechte an der Rocket Internet SE. Die Rocket Internet SE hält
angabegemäß gegenwärtig unmittelbar und mittelbar 6.261.768
Westwing-Aktien (entsprechen rund 29,95 % des Grundkapitals und der
Stimmrechte). Die Rocket Internet SE hat mit Antrag vom 18.03.2025 einen
Antrag auf Befreiung von den Verpflichtungen des §§ 35 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 Satz 1 WpÜG gestellt, die Rocket Internet SE voraussichtlich
dadurch entstehen würden, dass die Westwing Group SE zur Ermöglichung
der Durchführung eines Aktienrückkaufprogramms, Aktien der Westwing
Group SE einzieht. Der Befreiungsantrag der Rocket Internet SE wurde mit
Bescheid der BaFin vom 02.07.2025 positiv beschieden.
2. Antragstellerin zu 2), die Rocata GmbH, ist eine deutsche Gesellschaft
mit beschränkter Haftung, eingetragen im Handelsregister des
Amtsgerichts München unter der Handelsregisternummer HRB 225547. Das
Stammkapital der Antragstellerin zu 2) in Höhe von EUR 25.000 ist in
einen Geschäftsanteil eingeteilt, wobei dieser Geschäftsanteil von der
Antragstellerin zu 3) gehalten wird.
3. Antragstellerin zu 3), die Zerena GmbH, ist eine deutsche Gesellschaft
mit beschränkter Haftung, eingetragen im Handelsregister des
Amtsgerichts München unter der Handelsregisternummer HRB 225914. Das
Stammkapital der Antragstellerin zu 3) in Höhe von EUR 25.000 ist in
zwei Geschäftsanteile eingeteilt, wobei die Aramid Stiftung mit
Satzungssitz in Vaduz FL Liechtenstein und die Oliver Samwer
Familienstiftung mit Satzungssitz in Vaduz FL Liechtenstein je
Geschäftsanteile im Nennwert von EUR 12.500 halten. Angabegemäß findet
zwischen beiden Stiftungen keine Koordination hinsichtlich der
paritätisch gehaltenen Antragstellerin zu 3) statt.
4. Antrag
Mit auf den 30.10.2025 datierenden Schreiben beantragen die Antragsteller
folgendes:
"Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht befreit die Global
Founders GmbH, die Rocata GmbH und die Zerena GmbH jeweils von den
Verpflichtungen zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots nach § 35
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG, die ihr voraussichtlich dadurch
entstehen, dass die Westwing Group SE, zur Ermöglichung der Durchführung
eines Aktienrückkaufprogramms, Aktien der Westwing Group SE einzieht".
Die Antragsteller sind der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine
Befreiung von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die
Kontrollerlangung über die Zielgesellschaft zu veröffentlichen und innerhalb
von vier Wochen nach der Veröffentlichung der Kontrollerlangung über die
vorgenannte Gesellschaft der BaFin eine Angebotsunterlage zu übermitteln,
vorliegen.
Mit Beschlussfassung der Hauptversammlung vom 17.06.2025 hat die
Zielgesellschaft die Aufhebung des Ermächtigungsbeschlusses 2024 und die
Erteilung einer neuen Ermächtigung zum Erwerb und zur Verwendung eigenen
Aktien, einschließlich der Ermächtigung zur Einziehung erworbener Aktien
gefasst.
Sofern die Zielgesellschaft zur Ermöglichung der Durchführung des
bestehenden Aktienrückkaufprogramms eigene Westwing-Aktien einziehen sollte,
wäre aufgrund der mit der Einziehung einhergehende Verringerung der
Grundkapitalziffer und damit der Gesamtzahl der Stimmrechte zu erwarten,
sodass der Kapital- und Stimmrechtsanteil der Rocket Internet SE von
gegenwärtig rund 29,95% auf bis zu rund 33,27% ansteigen könnte und damit
die Kontrollschwelle des § 29 Abs. 2 WpÜG überschritten wird.
Die Antragsteller wurden mit Schreiben vom 20.11.2025 zu den
Nebenbestimmungen gemäß Ziffern 2 bis 5 des Tenors dieses Bescheides
angehört. Sie haben mit Schreiben vom 02.12.2025 dazu Stellung genommen und
mitgeteilt, dass keine Anmerkungen bestehen.
B. Rechtliche Würdigung
Der Antrag auf Befreiung von den Verpflichtungen der §§ 35 Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 Satz 1 WpÜG ist zulässig und begründet.
I. Zulässigkeit des Antrags
Der Antrag ist zulässig.
Der Antrag wurde mit Schreiben vom 18.03.2025, eingegangen bei der BaFin
über das Melde- und Veröffentlichungssystem der BaFin am 18.03.2025,
formgemäß gestellt (§ 45 WpÜG).
Die Anträge der Antragsteller konnten auch in einem einheitlichen Verfahren
beschieden werden. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen
einheitliche Lebenssachverhalt und somit um ein Verwaltungsverfahren.
Vorliegend müssen sich die Antragstellerinnen zu 1) bis 3) als direktes oder
indirektes Mutterunternehmen der Rocket Internet SE sämtliche Stimmrechte
aus den von der Rocket Internet SE gehaltenen Aktien der Zielgesellschaft
nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 290
Abs. 2 Nr. 1 HGB bzw. § 290 Abs. 2 Nr. 2 HGB zurechnen lassen (vgl. hierzu
unten B.II.). Bei einer Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3
WpÜG ist grundsätzlich ein einheitlich zu würdigender Lebenssachverhalt
anzunehmen. Verbindendes Element des gesamten Lebenssachverhalts bildet die
Lenkungsmacht des Prinzipals, vermittelt durch gesellschaftsrechtliche
Einflussnahmemöglichkeiten auf die Rocket Internet SE.
Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ist ebenfalls gegeben.
Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass er schon vor
Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft gestellt worden ist.
§ 8 Satz 2 WpÜG-AngVO lässt es ausdrücklich zu, dass der Antrag bereits vor
Kontrollerlangung gestellt wird. Das für eine Bescheidung erforderliche
Sachbescheidungsinteresse liegt in diesem Fall aber nur vor, wenn die
Kontrollerlangung vorhersehbar (vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034 v.
05.10.2001, S. 81), d. h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten
ist (Diekmann in Paschos/Fleischer, Handbuch Übernahmerecht nach dem WpÜG, §
12 Rn. 137). Dies ist vorliegend der Fall.
Für die hier einschlägige Fallgruppe der Kontrollerlangung infolge einer
Verringerung der Aktienanzahl nach § 9 Satz 1 Nr. 5 WpÜG-AngebV, ist es von
entscheidungserheblicher Bedeutung, ab welchem Zeitpunkt beim Rückerwerb
eigener Aktien durch die Zielgesellschaft mit anschließender Einziehung die
Möglichkeit der Kontrollerlangung durch die Antragsteller hinreichend
konkret ist, um das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers bejahen zu
können.
Dabei ist zu unterscheiden zwischen den materiellen Voraussetzungen einer
positiven Befreiungsentscheidung und der Frage nach dem
Rechtsschutzbedürfnis infolge einer Konkretisierung des Rückerwerbs- und
Einziehungsvorhabens.
Der bloße Umstand, dass die Hauptversammlung der Zielgesellschaft eine
Ermächtigung zum Rückerwerb eigener Aktien erteilt hat, ist ebenso wenig
ausreichend für die Bejahung des Rechtsschutzbedürfnisses, wie der Umstand,
dass die Zielgesellschaft den Rückerwerb eigener Aktien durchgeführt hat.
Eine mögliche Kontrollerlangung der Antragsteller setzt eine Einziehung von
Westwing-Aktien voraus und hängt überdies von den konkreten Umständen des
Einzelfalles, vor allem der Ausgestaltung des Rückerwerbsprogrammes, sowie
den aktienrechtlichen Wirksamkeitserfordernissen ab. Erfordert etwa die
konkrete Einziehungsentscheidung eine Beschlussfassung des Aufsichtsrates
über die vom Vorstand bereits beschlossene Einziehung, so ist ein Antrag
frühestens dann zulässig, wenn zu einer Aufsichtsratssitzung, auf der über
die Einziehung entschieden werden soll, eingeladen wurde.
Anders verhält es sich, wenn die Einziehung zwar noch nicht vom Vorstand
beschlossen wurde, jedoch nach dessen Beschluss auch von keiner weiteren
Handlung Dritter abhängig ist, also insbesondere auch nicht von der
Zustimmung des Aufsichtsrates abhängt.
Die Ermächtigung zur Einziehung von erworbenen Aktien richtet sich nach § 71
Abs. 1 Nr. 8 Satz 1, 6 AktG an den Vorstand der Aktiengesellschaft, der über
Einziehung eigenverantwortlich und im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens
entscheidet. (Bezzenberger in Schmidt/Lutter AktG, Band 1, 5. Auflage, § 71
Rn. 24).
Wie auch sonst im Rahmen des § 76 Abs. 1 AktG, setzen Maßnahmen der
Geschäftsführung nur bei einem entsprechenden Vorbehalt die Zustimmung des
Aufsichtsrates voraus (vgl. Bezzenberger in Schmidt/Lutter AktG, Band 1, 5.
Auflage, § 71 Rn. 23f). Die spezielle Regelung der Einziehung nach § 71 Abs.
1 Nr. 8 Satz 1, 6 AktG geht den allgemeinen Regeln über die Einziehung nach
§ 237 AktG vor (Veil in Schmidt/Lutter, AktG, Band 2, 5. Auflage, § 237 Rn.
4).
Eine Zustimmung des Aufsichtsrates kann notwendig sein, wenn die
Hauptversammlung eine solche im Ermächtigungsbeschluss vorgesehen hat. Dies
ist für den Hauptversammlungsbeschluss der Zielgesellschaft vom 17.06.2025
nicht der Fall.
Anhaltspunkte für weitere Zustimmungsvorbehalte die sich beispielsweise aus
der Satzung der Zielgesellschaft oder aus einer Geschäftsordnung für den
Vorstand der Zielgesellschaft ergeben könnten, sind nicht ersichtlich.
Damit besteht für die Antragsteller ein hinreichend konkretes
Rechtsschutzbedürfnis. Denn einerseits ist eine Einziehung ohne weitere, von
den Antragstellern in zumutbarer Weise zur Kenntnis zu nehmende,
Zwischenschritte möglich und zum anderen sind die
(Aktien-)Besitzverhältnisse derart ausgestaltet, dass eine Kontrollerlangung
im Falle einer Einziehung wahrscheinlich, jedenfalls nicht ganz fernliegend
ist.
Zwar kann im vorliegenden Fall bis zum heutigen Zeitpunkt keine Aussage zur
möglichen Einziehung von Aktien und dem Umfang einer etwaigen Einziehung
getroffen werden. Denn die Ermächtigung der Hauptversammlung lässt auch zu,
die erworbenen Aktien zu anderen Zwecken zu verwenden. Von diesen
Anwendungsfällen kann nach heutigem Stand keiner ausgeschlossen werden.
Jedoch lässt TOP 6. lit. d) des Hauptversammlungsbeschlusses vom 17.06.2025
eine Einziehung von Aktien auch ohne Zustimmung des Aufsichtsrates der
Zielgesellschaft zu.
Gleichwohl würde der Raum für auf Rechtsschutz angelegte Handlungen der
Antragsteller ohne Not und damit übermäßig eingeengt, wenn von ihr in der
soeben geschilderten Situation erwartet würde, ihren Befreiungsantrag erst
dann zu stellen, wenn der Vorstand eine Einziehung beschlossen hat und den
Aktionären darüber eine Mitteilung macht. Es ist angesichts der vom
Verordnungsgeber eröffneten Möglichkeit der Antragstellung vor
Kontrollerlangung nach § 8 Satz 2 WpÜG-Angebotsverordnung nicht
erforderlich, der Antragstellerin eine höchstens siebentägige Reaktionsfrist
abzuverlangen.
Machte die Zielgesellschaft von der Möglichkeit der Einziehung der 2.085.661
eigenen Westwing-Aktien vollständig Gebrauch, sänke die Gesamtzahl an
stimmberechtigten Aktien von 20.903.968 Westwing- Aktien auf 18.818.307
Westwing-Aktien. Bereits ab einer Absenkung der Gesamtaktienanzahl auf
20.872.560 würden die Antragsteller mittelbar die Kontrolle erlangen,
vorausgesetzt, der Aktienbestand der Rocket Internet SE von 6.261.768
Westwing-Aktien bliebe gleich oder sänke zumindest nicht ab. Nach dem
Vortrag der Antragsteller ist davon auszugehen, dass die Rocket Internet SE
ihren Aktienbestand nicht verringern möchte. Sänke die Aktienanzahl auf den
derzeit niedrigsten durch Einziehung erzielbaren Wert von 18.818.307 Stück
ab, hielte die Rocket Internet SE einen Stimmrechtsanteil von rund 33,27% an
der Zielgesellschaft, die den Antragstellern zuzurechnen sind.
Dieser Umstand genügt, um eine hinreichend konkrete Möglichkeit der
Kontrollerlangung zu bejahen.
II. Begründetheit des Antrags
Der Antrag ist auch begründet.
1. Kontrollerwerb der Antragsteller über die Zielgesellschaft
Die Voraussetzungen des Befreiungstatbestandes nach § 9 Satz 1 Nr. 5
WpÜG-AngebV sind erfüllt.
Die Antragsteller würde bei Durchführung der oben unter Ziffer B. I.
geschilderten Einziehung die mittelbare Kontrolle infolge einer Verringerung
der Gesamtzahl der Stimmrechte an der Zielgesellschaft erlangen, da ihnen
die Stimmrechte aus denen von der Rocket Internet SE gehalten oder
zuzurechnenden Stimmrechten ebenfalls zugerechnet werden.
Für solche, unter dem Oberbegriff der Kontrollerlangung durch
Kapitalherabsetzung erfassten Fälle kann eine Befreiung von der
Angebotspflicht erteilt werden, wenn passende Nebenbestimmungen erlassen
werden (vgl. Meyer in Geibel/Süßmann WpÜG, 2. Auflage, § 37 Rn. 46;
Krause/Pötzsch/Seiler in Assmann/Pötzsch/Schneider WpÜG, 4. Auflage, § 37
Rn. 85.)
Das ist vorliegend der Fall.
Die Einziehung von eigenen Aktien der Zielgesellschaft würde zu einer
Verringerung der Gesamtzahl der Aktien führen, gleich aus welchem
Aktienrückkaufprogramm die einzuziehenden Aktien stammen. Dies kann bei
entsprechendem Volumen der Einziehung zu einer mittelbaren Kontrollerlangung
durch die Antragsteller führen (siehe hierzu Ziffer B. I.).
a. Antragstellerin zu 1)
Die Antragstellerin zu 1) ist Mutterunternehmen der Rocket Internet SE nach
§ 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB, da der Antragstellerin zu 1) die Mehrheit der
Stimmrechte an der Rocket Internet SE zustehen.
Deshalb wird die Antragstellerin zu 1) nach Durchführung der Einziehung die
Kontrolle im Sinne der §§ 29 Abs. 2, 35 WpÜG über die Zielgesellschaft
erlangen, da ihr die Stimmrechte aus den von der Rocket Internet SE
gehaltenen Aktien an der Zielgesellschaft gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1,
Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB zuzurechnen
sind.
b. Antragstellerin zu 2)
Die Antragstellerin zu 2) wird nach Durchführung der Einziehung die
Kontrolle im Sinne der §§ 29 Abs. 2, 35 WpÜG über die Zielgesellschaft
erlangen, da ihr die Stimmrechte aus den von der Rocket Internet SE
unmittelbar erworbenen neuen Aktien an der Zielgesellschaft gemäß § 30 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB
zuzurechnen sind.
Denn die Antragstellerin zu 2) ist Mutterunternehmen der Antragstellerin zu
1), da der Antragstellerin zu 2) sämtliche Stimmrechte an der
Antragstellerin zu 1) zustehen.
c. Antragstellerin zu 3)
Die Antragstellerin zu 3) wird nach Durchführung der Einziehung die
Kontrolle im Sinne der §§ 29 Abs. 2, 35 WpÜG über die Zielgesellschaft
erlangen, da ihr die Stimmrechte aus den von der Rocket Internet SE
unmittelbar erworbenen neuen Aktien an der Zielgesellschaft gemäß § 30 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 WpÜG i.V.m. § 290 Abs. 2 Nr. 1 HGB
zuzurechnen sind. Die Antragstellerin zu 1) und die Antragstellerin zu 2)
sind somit Tochterunternehmen der Antragstellerin zu 3) im Sinne des § 2
Abs. 6 WpÜG.
2. Nebenbestimmung und Ermessen
Mit dem Befreiungsgrund gemäß § 9 Satz 1 Nr. 5 WpÜG-AngebV wollte der
Verordnungsgeber sicherstellen, dass Angebote nicht bloß deshalb
unterbreitet werden müssen, weil es ohne Zutun des Aktionärs zu einer
Kontrollerlangung durch diesen kam.
Diese ist aber regelmäßig nur dann gerechtfertigt, wenn die Antragsteller
trotz Aufrechterhaltung der eigenen Beteiligungshöhe keinen weiteren
unternehmerischen Einfluss gewinnen wollte (vgl. Schmiady in Steinmeyer
WpÜG, 4. Auflage, § 37 Rn. 33). Aus diesem Grund kann eine Befreiung nur
insoweit erteilt werden, als durch geeignete Nebenbestimmungen
sichergestellt werden kann, dass der Aktionär entweder die Kontrollstellung
alsbald wieder verlässt, ohne aus der zwischenzeitlich inne gehabten
Kontrolle Vorteile gezogen zu haben oder durch andere, im Wesentlichen
gleichwertigen Maßnahmen sichergestellt ist, dass der Aktionär nicht auf die
Vorteile einer Kontrolle über einer Aktiengesellschaft zugreift.
Vortragsgemäß möchten die Antragsteller die eigene mittelbare
Beteiligungshöhe aufrechterhalten aber keinen weiteren Einfluss gewinnen
wollen.
a. Zunächst erfordert dies, dass die BaFin die Befreiung widerrufen kann,
wenn die Antragsteller trotz Befreiungsbescheides die mittelbare
Kontrolle ausüben sollte. Insoweit gilt es zu verhindern, dass die
Antragsteller Stimmrechte im Umfang von 30% oder mehr ausüben. Dies kann
mit einer Beschränkung der ausübbaren Stimmrechte erreicht werden.
Hierzu war ein Widerrufsvorbehalt zu wählen, damit die Befreiung nur
nach Bewertung der dann anstehenden Einzelfallsituation durch die BaFin
und Ausübung des Ermessens beseitigt wird. Dies gewährt die infolge
ungewisser zukünftiger Entwicklungen bei den Stimmrechtsanteilen an der
Zielgesellschaft notwendige Flexibilität und vermeidet gleichzeitig
übermäßige Härten. Andererseits ist eine Beschränkung der von den
Antragstellern mittelbar ausübbaren Stimmrechtsmacht an der
Zielgesellschaft auf den unterhalb der Kontrollschwelle liegenden
Stimmrechtsanteil geboten und angemessen. Etwaigen unvorhergesehenen
oder unvorhersehbaren Entwicklungen kann die BaFin im Rahmen ihres
Ermessens Rechnung tragen. Da die Antragsteller die Stimmrechte
mittelbar bis unter 30 % auch ohne Befolgung der Pflichten nach § 35
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG ausüben können, war die
Beschränkung der Stimmrechtsausübung auf diesen Stimmrechtsanteil
ausreichend und angemessen.
b. Ferner ist es erforderlich, einen weiteren Widerrufsvorbehalt
aufzunehmen, um sicherzustellen, dass die Antragsteller auch mit einer
stimmberechtigten mittelbaren Beteiligungshöhe von unter 30% dauerhaft
keine Kontrollposition in der Zielgesellschaft einnehmen. Eine solche
dauerhafte Kontrollposition der Antragsteller könnte sich sukzessive
verdichten, wenn die Zielgesellschaft weitere Einziehungen von Aktien
durchführt, sodass der verbleibende Aktienbesitz der außenstehenden
Aktionäre trotz Anmeldung der Antragsteller und/oder der Rocket Internet
SE zur Hauptversammlung mit 30% minus einer Aktie über keine
Stimmrechtsmehrheit in der Hauptversammlung der Zielgesellschaft
verfügen. Im Rahmen des Tenors unter Ziffer 3 ist die Zahl der Aktien,
aus denen die Antragsteller unter Berücksichtigung der Beschränkungen
des Tenors unter Ziffer 2 das mittelbare Stimmrecht ausüben dürfen, in
das Verhältnis zu der Gesamtzahl der Aktien zu setzen, aus denen das
Stimmrecht - wiederum unter Berücksichtigung des Tenors unter Ziffer 2 -
ausgeübt werden darf. Das heißt, die Anzahl der Aktien, aus denen die
Antragsteller unter Berücksichtigung des Tenors unter Ziffer 2 ihre
mittelbaren Stimmrechte nicht ausüben dürfen, werden weder im Zähler
noch im Nenner berücksichtigt. Die Ausgestaltung als Widerrufsvorbehalt
stellt im Vergleich zu einer Ausgestaltung als auflösende Bedingung ein
milderes Mittel dar, da im Falle der Entscheidung über die Ausübung des
Widerrufsermessens, die konkreten Umstände des Einzelfalls
berücksichtigt werden können. Denkbar ist beispielsweise, dass die
außenstehenden Aktionäre über eine Stimmrechtsmehrheit in der
Hauptversammlung verfügen, da sich die Antragsteller mit einem deutlich
unter 30 % liegenden Anteil von gehaltenen und zugerechneten
Stimmrechten zur Hauptversammlung anmelden. Ein solcher
Widerrufsvorbehalt ist auch geboten und angemessen, da die Antragsteller
trotz Erlangung einer formalen Kontrollposition weiterhin ihre
unternehmerische Beteilung an der Zielgesellschaft aufrechterhalten
können, ohne sukzessive ihre Beteiligung reduzieren oder eine
Pflichtangebot abgeben zu müssen.
c. Weiter ist erforderlich, dass die Antragsteller die BaFin über eine
etwaige Kontrollerlangung unverzüglich informiert. Dies ist geboten,
damit die BaFin die Einhaltung des o. g. Zweckes der Befreiung
sicherstellen kann. Als Maßstab für die Information war "unverzüglich"
zu wählen, denn ein konkreter zeitlicher Rahmen konnte hier angesichts
der Ungewissheit der Umstände im Zeitpunkt der nicht als sicher
absehbaren Kontrollerlangung nicht sinnvoll gewählt werden.
d. Um sicher zu stellen, dass die Antragsteller nicht 30 % oder mehr der
Stimmrechte auf einer Hauptversammlung ausüben, ist die Vorlage der
jeweiligen Stimmrechtsanmeldungen erforderlich. Das gilt sowohl für die
unmittelbare Stimmrechtsausübung durch die Rocket Internet SE und/oder
der Antragsteller selbst als auch für die mittelbare
Stimmrechtsausübung, also für solche Stimmrechte, die im Auftrag oder im
Namen der Rocket Internet SE und/oder der Antragsteller ausgeübt werden
sollen, wie auch solche Stimmrechte, welche die Antragsteller im Namen
oder im Auftrag von Dritten ausüben würden. Mit der Auflage unter Ziffer
5 des Tenors kann kontrolliert werden, ob die Antragsteller die
Bestimmungen dieses Bescheides einhalten. Aufgrund der
Widerrufsmöglichkeit nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG ist es entbehrlich
einen selbständigen Widerrufsvorbehalt für den Fall der Nichterfüllung
von Auflagen in den Tenor aufzunehmen.
Bei Einhaltung der zuvor geschilderten Bestimmungen überwiegt das Interesse
der Antragsteller an einer Befreiung vom Pflichtangebot das Interesse der
anderen Aktionäre an dem Unterbreiten eines Pflichtangebotes. Bei einem eher
zufälligen, nicht in der Hand des Bieters liegenden Überschreiten der
Kontrollschwelle kann das Interesse der anderen Aktionäre daran, dass ihnen
zu ihrem Schutz vor den Plänen des Bieters ein Pflichtangebot zu
unterbreiten sei, generell nicht hoch bewertet werden. Jedenfalls solange
sich der Bieter mit der zufällig gewonnenen Kontrolle nicht anfreundet,
haben die anderen Aktionäre wenig bis nichts zu befürchten was eine
Angebotspflicht rechtfertigen würde.
Der Absicherung gegen zwischenzeitliche Eingriffe des Bieters dienen die
Widerrufsvorbehalte. Sie kommen einerseits funktional einem
Stimmrechtsverbot für den die Kontrollschwelle überschreitenden Teil der
Stimmrechte der Antragsteller gleich und andererseits dienen sie dazu eine
neue Bewertung des Einzelfalls durchführen zu können, wenn die Beteiligung
der Antragsteller dazu führt, dass die Antragsteller in der Hauptversammlung
dauerhaft 50% plus eine Aktie am stimmberechtigten Kapital an der
Zielgesellschaft vertreten. Damit wird gleichermaßen den Interessen der
Aktionäre an einem Schutz vor Missbrauch Rechnung getragen wie dem Interesse
des Bieters, die einmal erlangte Anzahl an Aktien nicht oder zumindest nicht
schnell abbauen zu müssen. Der nicht nach Kontrolle strebende Bieter hat aus
dem teilweisen "Stimmrechtsausübungsverbot" keinen, zumindest keinen
schwerwiegenden Nachteil.
Infolge des Umstandes, dass sämtliche Nebenbestimmungen nur dem Zweck
dienen, die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen für den
Befreiungsbescheid sicher zu stellen, sind diese notwendig, geeignet und
angemessen.
* * *
Ende der WpÜG-Mitteilung
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2248416 18.12.2025 CET/CEST
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