- von Gernot Heller
Teheran (Reuters) - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist im Ausland schon mal freundlicher empfangen worden als im Iran.
Den mit seinem Konterfei versehenen Aufruf in konservativen Medien des Landes, den "Zionisten" Gabriel lieber gar nicht erst ins Land zu lassen, hatte er sich bei seinem Flug nach Teheran, dem zweiten binnen 14 Monaten, schnell noch eingesteckt. Darüber hinaus beschied ihm das Außenministerium in Teheran, noch bevor er iranischen Boden betreten hatte, es werde keinem Land erlaubt, sich in innenpolitische Fragen einzumischen. Offensichtlich war das die Retourkutsche für ein Interview des deutschen Vize-Kanzlers, in dem er Trennungslinien zum Iran gezogen hatte, von dem sich deutsche Firmen neue Milliardengeschäfte versprechen.
Als Gabriel dann aber seine Gespräche in Teheran aufnahm, waren solche Feindseligkeiten kaum zu spüren. Dabei hielt er sich nicht zurück. Gleich zu Beginn seiner Gespräche machte er deutlich, dass "wir wissen, dass es zwischen der Politik des Iran und der in Deutschland und Westeuropa auch große Differenzen gibt". Darüber könne man aber reden, ohne das Verbindende zu vergessen. "Sie blicken auf ihr Land und auf die Art des Zusammenlebens völlig anders als wir in Deutschland und in Europa". Und: "Sie haben außenpolitisch einen anderen Blick auf die Welt", was etwa bei den Themen Syrien und Israel offenkundig sei. Zwar erhielt Gabriel immerhin die Zusage seiner iranischen Gesprächspartner, sich diesem Dialog nicht zu verschließen. Aber mit einem Termin bei Präsident Hassan Ruhani rechnete er selber nicht mehr. Der Graben ist eben groß.
NERVÖSES HUFESCHARREN IN DER WIRTSCHAFT
Ginge es nach den deutschen Außenhändlern, den deutschen Maschinen- und Anlagen-, aber auch den Autobauern, ginge es auch nach der iranischen Führung, sollten die Geschäfte zwischen beiden Ländern seit Monaten brummen. "Das Interesse ist nach wie vor enorm", sagt DIHK-Präsident Eric Schweitzer und verweist auf die riesige deutsche Wirtschaftsdelegation in Gabriels Schlepptau von rund 120 Unternehmern und Managern. Doch auch er kann nicht verdecken, dass es mit den Geschäften bei weitem nicht so dynamisch vorangeht wie erhofft. "Man kann halt mehr als zehn Jahre der Trennung nicht in einem Jahr wieder überwinden", sagt Schweitzer. Und Gabriel: "Man darf keine Wunder erwarten." Wenn ein Land so lange isoliert gewesen sei, gehe eben nichts von jetzt auf gleich.
Dabei hatte Gabriel schnell gehandelt, als am 14. Juli 2015 der jahrelange Streit mit dem Iran über dessen Atomprogramm beigelegt wurde und damit die Voraussetzung für die Aufhebung vieler Sanktionen geschaffen wurden. Als erster namhafter Vertreter des Westens reiste er in den Iran, begleitet von deutschen Geschäftsleuten. Deutschland wollte partout die Riesen-Chance nicht verpassen, als der Weg schnell frei zu werden schien für Milliardengeschäfte mit dem Land. Und die Iraner machten ihrerseits deutlich: der alte Partner genießt im Land weiter große Wertschätzung. "Wir warten aber nicht ewig auf Euch", beschieden die Iraner die Deutschen - so erzählen jedenfalls Mitglieder der Gabriel Delegation.
Schaut man auf den Bedarf, den die Iraner selbst nennen, so verspricht das märchenhafte Geschäfte. Auf rund 1000 Milliarden Dollar in den kommenden fünf Jahren schätzt das Land seinen Investitionsbedarf zur Modernisierung und zum Wiederaufbau der Wirtschaft. Rund ein Drittel davon, sagen Experten, könnten Ausländer decken.
DIE REALITÄT IST EINE SCHNECKE
Doch gemessen an diesen hohen Erwartungen ist das, was sich derzeit real tut, eher bescheiden. Gerade um 15 Prozent auf gut 1,13 Milliarden Euro stiegen die deutsche Exporte im ersten Halbjahr auf Basis eines noch sanktionsbedingt schwachen Wertes 2015. "Es läuft unendlich zäh und mühsam", beklagt der mittelständische Maschinenbauer Reinhold Festge, Präsident des Branchenverbandes VDMA. Festge war schon vor einem Jahr mit Gabriel im Iran. "Man hat manchmal das Gefühl, als seien alle Wege mit Klebstoff eingeschmiert", beschreibt er. Anderseits soll Siemens, seit 150 Jahre im Iran engagiert, von gerade mal rund 50 Millionen Euro Iran-Geschäft in den letzten Jahren inzwischen wieder bei rund 500 Millionen Euro im Jahr angekommen sein, wie von Siemens-Vorstand Siegfried Russwurm bestätigt.
Es sind vor allem die Finanzierungsschwierigkeiten, die die Expansion der Geschäfte bremsen. Zwar ist ein Problem mit alten Schulden des Irans bei Deutschland inzwischen gelöst, und staatliche Hermesbürgschaften für Iran-Geschäfts werden Firmen wieder bewilligt. Doch noch immer sind die großen deutschen Geschäftsbanken nicht bereit, Investitionen zu finanzieren, weil sie damit gegen fortbestehende US-Sanktionen gegen den Iran verstoßen und sich hohe Strafen einhandeln könnten. Darüber will Gabriel jetzt aber mit den Amerikanern reden. Auch die Angst, dass es doch wieder zu einer Rückkehr zu Sanktionen kommen könnte, behindert. Anderseits erfüllt der Iran und seine Banken und Unternehmen bei weitem noch nicht die westlichen Standards gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung, klagen die Deutschen. Auch deshalb bleiben die deutschen Geldhäuser vorsichtig.
Trotz all dieser Hürden will Gabriel aber mit seinem Besuch das Mögliche auch möglich machen. Aber den ganz großen Wurf mit spektakulären Geschäftsabschlüssen kann er erst einmal nicht vorweisen. Der DIHK-Außenhandelsexperte Treier hält aber immer noch an seiner Einschätzung fest, dass der Warenhandel zwischen beiden Ländern sich binnen maximal fünf Jahren auf rund zehn Milliarden Euro vervierfachen könnte. Allerdings, so sagt er jetzt, nur noch unter bestimmten Bedingungen. Die wichtigste sei, dass man bei den Finanzierungsprobleme vorankomme.