Frankfurt (Reuters) - Informelle Gespräche zwischen Clariant und Huntsman über einen milliardenschweren Zusammenschluss der beiden Chemiekonzerne sind Insidern zufolge Ende 2016 gescheitert.
Das Unternehmen aus Muttenz bei Basel und der US-Rivale konnten sich nicht darüber einigen, wem die führende Rolle zukommt, wie drei mit der Sache vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters sagten. Es ist das bislang stärkste Signal, dass der Schweizer Hersteller von Mitteln zur Flugzeug-Enteisung, Zusätzen für Pestizide und Farben für Kunststoffe lieber auf einen Alleingang setzt als übernommen zu werden oder der kleinere Partner in einem Deal zu sein.
Huntsman habe auf einen Verkauf der größten Clariant-Sparte Plastics & Coatings gedrängt, die für mehr als 40 Prozent des Konzernumsatzes steht, sagte eine der Personen. Das hätte dem amerikanischen Herstellers von Isolierschaum, Klebstoffen und Kunstharzen in einem fusionierten Unternehmen die dominierende Rolle gesichert. Clariant ist an der Börse aktuell 6,2 Milliarden Dollar wert, Huntsman 5,3 Milliarden Dollar.
Sprecher von Clariant und Huntsman lehnten Stellungnahmen ab.
Clariant gilt seit längerem als Übernahmekandidat. Zwar erntet Konzernchef Hariolf Kottmann von Analysten Lorbeeren dafür, dass er das Unternehmen über Jahre umgebaut und rentabler gemacht hat. Doch mit dem weitgehend abgeschlossenen Konzernumbau gebe es weniger Möglichkeiten zur internen Optimierung, sagte etwa Dan Scott von der Credit Suisse. Damit wächst der Druck von Investoren, einen Partner zu finden, um die Kosten zu senken und Wachstum zu schaffen. Clariant stehe vor der Frage, ob das Unternehmen in der von Übernahmen und Zusammenschlüssen geprägten Branche künftig zu den "Jägern" gehören will oder als "Beute" gilt, erklärten Analysten.
Viele Konkurrenten setzen wegen der mauen Wachstumsaussichten in der Chemiebranche auf Übernahmen und Fusionen. Vor allem in Europa sind die Aussichten nicht rosig. Viele Firmen haben Marktanteile verloren - an Konkurrenten in Asien, wo die Nachfrage stärker anzieht, und Firmen aus Nordamerika, wo die Energieprise niedriger sind. BASF, Solvay, Evonik und Lanxess haben seit 2015 Milliarden für Zukäufe ausgegeben. In den USA wollen Dow Chemical und DuPont in einer 130 Milliarden Dollar schweren Fusion einen neuen Branchenriesen aus der Taufe heben, und gleich wieder in drei Teile aufspalten.
Clariant-Chef Kottmann hat den Insidern zufolge im vergangenen Jahr verschiedene Kombinationen mit Rivalen durchgespielt. Doch ein milliardenschwere Transaktion sei wegen der Belastung für die Konzernfinanzen schwierig zu bewerkstelligen. Und der seit 2008 an der Unternehmensspitze stehende frühere Hoechst-Manager wolle Clariant nicht als Juniorpartner eines Deals oder übernommen sehen. So stemmten die Schweizer in den vergangenen Jahren nur kleine und mittelgroße Übernahmen. Dazu gehörte etwa der Kauf von zwei Herstellern von Chemikalien zur Ölförderung für rund 360 Millionen Dollar. Möglichkeiten zu Wachstum aus eigener Kraft sieht Kottmann etwa im Bereich Katalysatoren für die petrochemische Industrie und Inhaltsstoffen für Pflegeprodukte wie Shampoons und Hautcremen.
Clariant hat für das laufende Jahr ein nicht näher beziffertes Umsatzwachstum unter Ausschluss von Wechselkurseffekten und eine Verbesserung der operativen Rendite in Aussicht gestellt. 2016 stand bei geringfügig höheren Verkaufserlösen von 5,9 Milliarden Franken (5,5 Milliarden Euro) unter dem Strich ein Gewinn von 263 Millionen Franken zu Buche - 16 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Analyst Scott von der Credit Suisse schätzt, dass der Konzern beim Umsatzwachstum bis 2019 am unteren Ende der Branche liegen wird.
Für seinen Kurs kann Kottmann auf die Unterstützung wichtiger Eigentümer bauen, sagten mehrere Insider. Dazu gehören die Familienaktionäre der im Jahr 2011 von Clariant übernommenen Süd Chemie, die ein Paket von rund 14 Prozent kontrollieren. Auch der niederländische Pensionskassenverwalter APG, der fünf Prozent hält, soll hinter Kottmann stehen.