Reuters

Novartis blickt ohne Augensparte Alcon klarer in Zukunft

29.06.2018
um 14:36 Uhr

Zürich (Reuters) - Novartis drückt bei der Neuausrichtung des Pharmakonzerns aufs Tempo und trennt sich von der Augenheiltochter Alcon.

Die auf Chirurgie und Kontaktlinsen spezialisierte Sparte soll nach Angaben von Freitag im ersten Halbjahr 2019 als eigenständiges Unternehmen an die Börse gehen. Die Aktien werden dabei an die Novartis-Anteilseigner abgegeben - in welchem Verhältnis, ist noch nicht klar. Mit einem geschätzten Firmenwert von bis zu 30 Milliarden Dollar ist es eine der größten Abspaltungen in der Schweizer Firmengeschichte. "Wir sind auf einer Reise, Novartis als einen führenden Arzneimittelhersteller auszurichten", sagte Firmenchef Vas Narasimhan. An der Börse kamen die Pläne gut an: Die Novartis-Aktie legte gut drei Prozent zu. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagte ein Händler.

Der Pharmakonzern hatte die Sparte einst für mehr als 50 Milliarden Dollar von Nestle gekauft. Die hohen Erwartungen konnte die Augenheiltochter jedoch nie erfüllen. Alcon hatte lange mit Wachstums- und Ertragsproblemen zu kämpfen. Erst jüngst gelang die Trendwende. Im ersten Quartal verbuchte der Bereich einen operativen Gewinn von 90 Millionen Dollar nach einem kleinen Verlust im Vorjahreszeitraum.

Vorangetrieben hat die Trennung Verwaltungsratschef Jörg Reinhardt. Er richtet Novartis auf das renditestarke Pharmageschäft aus und rückt damit vom Vermächtnis des früheren Konzernlenkers Daniel Vasella ab. Dieser gilt als Architekt von Novartis und hatte das Unternehmen zu einem breit aufgestellten Pharma- und Gesundheitskonzern geformt. "Vor Jahrzehnten waren wir ein breit aufgestelltes Konglomerat", sagte Firmenchef Narasimhan. "Meine Vorgänger haben damals gedacht, dass das der richtige Ansatz ist. Aber jeder Firmenchef muss das Umfeld beobachten, in dem er arbeitet, und das Unternehmen darauf ausrichten", sagte er.

Es war nicht der erste große Deal des Amerikaners, obwohl Narasimhan erst seit Anfang Februar Firmenchef ist. Unter seiner Führung hat der Konzern jüngst 8,7 Milliarden Dollar in die Übernahme der US-Gentherapiefirma AveXis investiert.. Die Beteiligung am Geschäft für rezeptfreie Medikamente hat der Konzern für 13 Milliarden Dollar an den Partner GlaxoSmithKline verkauft. Mit einem Teil des Verkaufserlöses will Novartis einen bis zu fünf Milliarden Dollar schweren Aktienrückkauf finanzieren, den der Konzern ebenfalls am Freitag ankündigte. Er soll bis Ende 2019 über die Bühne gehen.

AKTIONÄRE MÜSSEN NOCH ZUSTIMMEN, BÖRSENNOTIZ IN DER SCHWEIZ

Als eigenständiges Unternehmen kommt Alcon auf einen Umsatz von rund sieben Milliarden Dollar und beschäftigt rund 20.000 Mitarbeiter. Als Konzernsitz fasst das Management die Schweiz ins Auge, während eine Börsennotiz sowohl für die Schweiz als auch für New York geplant ist. Damit die neue Firma starten kann, benötigt Novartis grünes Licht seiner Aktionäre. Sie sollen ihr Votum auf der Generalversammlung im Februar 2019 abgeben. Allerdings trennt sich Novartis nicht vom gesamten Augenheilgeschäft: Die vielversprechende Sparte mit Augen-Arzneimitteln mit einem Jahresumsatz von 4,6 Milliarden Dollar behält der Konzern.

Eine Abspaltung von Alcon galt als bevorzugte Option: Denn ein Verkauf an einen Konkurrenten wäre wohl an den Regulatoren gescheitert, erklärt ein Insider. Und für Finanzinvestoren war Alcon zu groß und nicht renditeträchtig genug. "Die Schnittmengen zwischen denen die wollten und denen die konnten war Null." Bei einem Verkauf über die Börse hätten Novartis Milliardeneinnahmen gewunken. Dass der Konzern nun darauf verzichte, deute darauf hin, dass Narasimhan derzeit keine Großübernahme ins Auge fasse, sagte der Insider. In der Vergangenheit hatte es Spekulationen gegeben, Novartis könnte ein Auge auf AstraZeneca oder die amerikanische Bristol-Myers Squibb werfen, um das Krebsgeschäft weiter zu stärken.

Die Akqisitions-Strategie sei trotz der Abspaltung von Alcon unverändert auf ergänzende Zukäufe ausgerichtet, sagte Konzernlenker Narasimhan zur Nachrichtenagentur Reuters. "Das schränkt unsere Fähigkeit, Zukäufe zu machen, nicht ein," sagte der Amerikaner und verwies auf die starke Bilanz. Ein Experte erinnerte zudem an den Anteil am Rivalen Roche, der an der Börse rund zwölf Milliarden Franken wert ist und bei Bedarf ebenfalls versilbert werden könnte. Und schließlich wird auch die Novartis-Generikasparte Sandoz immer wieder als möglicher Verkaufskandidat gehandelt.

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