- von Andreas Rinke und Klaus Lauer
Berlin (Reuters) - Es gibt spannungsgeladene Regionen in der Welt, in denen Bundeskanzlerin Angela Merkel besonders aufpassen muss, wen sie trifft.
Ein Gespräch mit dem einen Regierungschef ist möglicherweise ein Alarmsignal für einen anderen. Um so bemerkenswerter war es, dass die Kanzlerin am Freitag auf der Deutschland-Katar-Investorenkonferenz in Berlin neben Emir Tamim Bin Hamad Al Thani Platz nahm. Später pries sie die Wirtschaftsbeziehungen mit dem kleinen Golfstaat in höchsten Tönen. Dies wirkte wie eine indirekte Botschaft an dessen großen Nachbarn Saudi-Arabien. Denn Katar gilt in der Golfregion derzeit als politischer Aussätziger, seit die saudische Regierung das Land wegen dessen Iran-Kontakte mit Sanktionen überzogen hat.
"Deutschland ist keine Partei in diesem Konflikt", betonte Merkel zwar. "Aber in Riad wird die Veranstaltung sicher als demonstrative Parteinahme empfunden", sagte Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Dabei glaubt auch er, dass die traditionell eher zurückhaltende Bundesregierung diese Wirkung gar nicht beabsichtigt. "Denn man spürt schon, dass das Kanzleramt und das Auswärtiges Amt sich derzeit auch um eine Verbesserung der Beziehungen zu Saudi-Arabien bemühen", sagte Steinberg. Allerdings durfte der saudische Botschafter immer noch nicht nach Berlin zurückkehren, und der deutsche Top-Diplomat für Riad wartet immer noch auf seine Akkreditierung.
Denn der mächtige saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat sich nicht nur mit Katar angelegt - sondern eben auch mit Deutschland. Saudi-Arabien ist immer noch verschnupft, dass sich deutsche Politiker sehr kritisch über das Eingreifen im Jemen-Krieg geäußert haben - und deshalb auch vereinbarte Rüstungslieferungen stoppten. Riad reagierte seinerseits mit dem Stopp von Aufträgen, was die deutsche Industrie angesichts der Finanzkraft des ressourcenreichen Golfstaates empfindlich trifft. Immer wieder kursieren Gerüchte, dass Saudi-Arabien seine Position ändern würde, wenn Berlin vom Iran-Abkommen abrücken würde. Das ist aber nicht zu erwarten.
KATAR ALS LACHENDER GEWINNER
International hat sich bin Salman eng an die Seite von US-Präsident Donald Trumps gestellt - auch weil die sunnitische Herrscherfamilie in Riad vor allem den schiitischen Iran als seinen Hauptfeind ansieht. Wie empfindlich man in Riad derzeit ist, zeigt aber auch der Streit mit Kanada. Mit der Regierung in Ottawa brach Saudi-Arabien kurzerhand nach einem kritischen Tweet von Außenministerin Cynthia Freeland zur Menschenrechtslage in dem Ölland.
Nun zeigt sich Katar in Berlin als lachender Gewinner des Streits, zwei von Saudi-Arabien Verschmähte rücken enger zusammen. "Die Blockade ist der Grund, warum es jetzt so einen Boost gibt", heißt es in der deutschen Wirtschaft zu den katarschen Avancen. Immerhin verkündete der Emir am Freitag Investitionen von zehn Milliarden Dollar in Deutschland in den nächsten fünf Jahren, vor allem im Mittelstand. Das Land ist ein gern gesehener, weil politisch nicht aktiver Investor und ist bereits unter anderem an Volkswagen, der Deutschen Bank, Siemens, Hochtief und SolarWorld beteiligt.
Allerdings wirkt sich der Konflikt mit dem großen Nachbarn eben doch bremsend auf Katar aus, räumte der Emir in Berlin ein. "Katars Möglichkeiten, seine Rolle als Handels- und Produktions- Plattform zu stärken ist aktuell angesichts der Blockade am Golf eingeschränkt", sagte auch der Außenwirtschaftschef der DIHK, Volker Treier. "Wir wollen hier durch unser Engagement aber zu einem Ausgleich der Interessen und eine Überwindung der Krise beitragen."
Und die Bundesregierung bemüht sich im Hintergrund intensiv auch wieder um bessere Kontakte zu Saudi-Arabien. Merkel schickte am Freitag eine Mahnung gleich an beide Herrscherhäuser hinterher. Sicherheit und Stabilität seien wesentlich für die wirtschaftliche Entwicklung. "Das gilt für Katar, das gilt für Deutschland und alle Staaten auf der Welt", mahnte sie.