Hamburg (Reuters) - Volkswagen will wegen der Manipulation von Abgas-Werten rund fünf Millionen Autos der Marke VW in die Werkstätten rufen.
Die Autos sollten eine Servicemaßnahme erhalten, teilten die Wolfsburger am Dienstag mit. Diese Fahrzeuge bestimmter Baujahre und Modelle seien mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestattet, der nach früheren Angaben über eine Manipulationssoftware verfügt. Betroffen seien beispielsweise der VW Golf der sechsten Generation, der Passat in siebter Generation und das erste Modell des kompakten Geländewagens Tiguan.
Die betroffenen Kunden würden in den nächsten Wochen darüber informiert, dass das Abgasverhalten ihres Wagens nachgebessert werden solle. Alle Fahrzeuge seien technisch sicher und fahrbereit, betonte VW. Volkswagen wolle den Behörden im Oktober Maßnahmen präsentieren, um die Abgasmanipulation zu beenden. "Wir arbeiten an einer technischen Lösung, die wir dem Kraftfahrt-Bundesamt fristgerecht präsentieren werden", sagte ein Sprecher. Die Flensburger Behörde hat Volkswagen bis zum 7. Oktober eine Frist gesetzt. Bis dahin sollen die Wolfsburger einen konkreten Plan vorlegen, wann ihre Fahrzeuge ohne Manipulationssoftware die Abgas-Vorgaben einhalten.
Auch die anderen VW-Töchter hatten in den vergangenen Tagen ermittelt, wie viele Fahrzeuge bei ihnen von dem Abgasskandal betroffen sind. Demnach entfallen auf Audi 2,1 Millionen, auf Skoda 1,2 Millionen, auf die VW-Transportersparte 1,8 Millionen und auf Seat 700.000 Fahrzeuge. Damit sind weltweit fast elf Millionen Fahrzeuge mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet sein, die die Messwerte auf dem Prüfstand frisiert, die Leistung der Motoren auf der Straße aber nicht drosselt.
VW-Markenchef Herbert Diess sollte am Dienstagabend EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska in Brüssel wegen der Abgasmanipulationen Rede und Antwort zu stehen. "Unsere Botschaft wird klar sein: Wir erwarten, dass VW umfänglich mit den Behörden zusammenarbeitet und sich an die EU-Regeln hält", sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Die EU-Kommission wolle sich ein umfassendes Bild machen, bevor sie über weitere Maßnahmen wie schärfere Vorgaben entscheide. [ID:nL5N11Z1Z8] Auch die Bundesregierung verlangt von VW eine rasche Aufklärung. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums sagte, dass die eingesetzte VW-Untersuchungskommission auch Gespräche mit der amerikanischen Umweltbehörde führe. Diese hatte die Manipulationen publik gemacht. Am Mittwoch tagt Insidern zufolge erneut das VW-Aufsichtsratspräsidium, das die Aufklärung der Affäre koordiniert.
MARKEN SOLLEN MEHR AUTONOMIE BEKOMMEN
Derweil will der neue Volkswagen-Chef Matthias Müller den einzelnen Marken des Konzerns mehr Verantwortung geben. Die Hauptmarke VW solle künftig genauso unabhängig vom Konzern agieren wie Audi und Porsche, sagte Müller am Montagabend bei einer internen Veranstaltung vor rund 1000 VW-Managern in Wolfsburg. "Für mich ist die neue Konzernstruktur der erste Schritt und die Basis für eine Modernisierung von Volkswagen." Das gelte besonders für das Stammwerk in Wolfsburg, fügte der frühere Porsche-Chef hinzu. Wolfsburg ist mit rund 50.000 Beschäftigten in Produktion und Verwaltung der größte Standort des weltumspannenden Konzerns.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer erwartet, dass Müller eine Dachgesellschaft einrichten wird, unter der die einzelnen Marken aufgehängt werden. Dadurch könne der Konzern flexibler agieren. "Bei Volkswagen ist zuviel Macht in Wolfsburg konzentriert", sagte der Professor für Automobilwirtschaft. "Das funktioniert nicht, weil die Strukturen zementiert sind." Veränderungen würden zudem durch die starke Stellung des Betriebsrats und des Landes Niedersachsen im Aufsichtsrat behindert. Dadurch sei Volkswagen weniger flexibel als die Konkurrenz.
Der Aufsichtsrat hatte Müller am Freitag zum Nachfolger für den in dem Abgasskandal zurückgetretenen Konzernchef Martin Winterkorn ernannt[ID:nL5N11V3RZ]. Zugleich stellte das Gremium die Weichen für einen Konzernumbau. Dadurch sollen die Marken mehr Verantwortung für Vertrieb und Produktion in den einzelnen Regionen bekommen. Die zwölf Marken des Konzerns sollen nach technischen Prinzipien in vier Gruppen gebündelt werden.