Hamburg/Berlin (Reuters) - Volkswagen will angesichts drohender Strafzahlungen und Sammelklagen in Milliardenhöhe in der Abgas-Affäre verhindern, dass die Finanzpolster abschmelzen.
Als mögliche Schritte würden Kostensenkungen sowie Einnahmeerhöhungen diskutiert, sagten zwei mit den Beratungen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Dazu gehört offenbar auch eine mögliche Kapitalerhöhung. Der Aufsichtsrat sei besorgt, weil alle großen Ratingagenturen Volkswagen mit der Herabstufung der Bonität drohten. Der Konzern selbst wollte sich nicht äußern.
Die Wolfsburger hatten zuletzt fast 18 Milliarden Euro Bargeld und Wertpapiere im Wert von gut 15 Milliarden in den Büchern. Rund die Hälfte davon sollte der Konzern nach Meinung von Analysten in der Hinterhand behalten, um zahlungsfähig zu bleiben. Dann blieben rund 17 Milliarden Euro, die Volkswagen zur Bewältigung der Krise locker machen könnte.
Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch hatte in der Vergangenheit zehn Milliarden Euro als Minimum bezeichnet, um die Geschäfte am Laufen zu halten. Ein Insider sagte, wenn der Geldabfluss durch den Abgas-Skandal ein kritisches Niveau erreichen sollte, käme auch eine Kapitalerhöhung infrage. Volkswagen könnte aktuell durch die Ausgabe von Vorzugsaktien etwa acht Milliarden Euro einnehmen. Das Unternehmen wollte sich nicht äußern.
Das Aufsichtsratspräsidium hatte sich am Mittwochabend über den Stand der Ermittlungen in dem Abgas-Skandal informieren lassen. Unterdessen braut sich weltweit ein Gewitter an Prozessen und Schadensersatzklagen gegen VW zusammen. Dem weltgrößten Autobauer drohen in immer mehr Ländern weltweit Strafen.
Ein Landkreis im US-Bundesstaat Texas hat VW als erste Regierungsbehörde wegen des Abgasskandals verklagt. In dem am Mittwoch angestrengten Gerichtsverfahren fordert Harris County bis zu 25.000 Dollar pro Verstoß pro Tag.VW habe durch sein betrügerisches Handeln die Bemühungen des Landkreises zur Verbesserung der Luftqualität und zum Schutz der Bürger untergraben. In Harris County liegt unter anderem die Millionenmetropole Houston. Das Bußgeld könnte sich auf mehr als 100 Millionen Dollar belaufen, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung".
Zivilklagen und Strafverfolgung könnten auf den Konzern noch im Zusammenhang mit Steuersubventionen für kraftstoffsparsame Diesel-Fahrzeuge, die 2005 eingeführt wurden, zukommen. Auch hier sind Bußgelder möglich. In Italien haben Verbraucherschützer eine Sammelklage bei einem Gericht in Venedig eingereicht. In Österreich bietet der Verein für Konsumentenschutzinformationen (VKI) VW-Kunden an, sich an einer Sammelaktion auf Schadenersatz zu beteiligen. Klagen sind auch von VW-Aktienanlegern möglich, die sich bei ihrer Kaufentscheidung durch mangelnde Information getäuscht fühlen.
Alle Ratingagenturen haben vor diesem Hintergrund die Bonitätseinschätzung von VW auf den Prüfstand gestellt. Fitch prüft eine Herabstufung des Ratings. Moody's hatte den Ausblick auf negativ gesenkt. Auch Standard&Poors hat VW auf "creditwatch negative" gesetzt. Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit würde die Refinanzierung des Konzerns verteuern.