Hamburg/Wolfsburg (Reuters) - Der neue VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch will die Aufklärung des Abgas-Skandals vorantreiben.
"Es ist mir ein persönliches Anliegen, alles zu tun, damit die Vorgänge restlos aufgeklärt werden", versprach der bisherige Finanzvorstand am Mittwoch nach seiner Wahl zum Oberaufseher des Wolfsburger Konzerns. "Ich will meinen Beitrag leisten, damit das Vertrauen von Kunden, der Öffentlichkeit, Anlegern und Geschäftspartnern in Volkswagen wieder wachsen kann." Vor dem Volkswagen-Konzern lägen große Herausforderungen. Pötsch soll den wegen der Manipulation von Diesel-Emissionswerten ins Schlingern geratenen Autokonzern zusammen mit dem neuen Vorstandschef Matthias Müller in der Spur halten.
Der 64-Jährige Österreicher löst den amtierenden Aufsichtsratschef Berthold Huber ab. Der ehemalige IG-Metall-Vorsitzende hatte den Posten vorübergehend übernommen, nachdem sich Firmenpatriarch Ferdinand Piech im April nach verlorenem Machtkampf mit dem damaligen Konzernlenker Martin Winterkorn von allen Ämtern zurückgezogen hatte. Zum neuen Finanzvorstand wurde Frank Witter bestellt, der bisher die VW-Tochter Financial Services leitet.
Pötsch ist bei Investoren jedoch nicht unumstritten. Einige Fondsgesellschaften und Analysten bemängeln, dass Volkswagen die Finanzmärkte erst spät über die Abgas-Manipulationen informierte. In Folge des Skandals verlor die VW-Aktie zeitweise fast die Hälfte ihres Werts.
Inzwischen steht Volkswagen auch schon eine erste Klage von einer Autokäuferin in Deutschland ins Haus. Für die Klägerin aus Köln seien die angeblich niedrigen Abgaswerte "kaufentscheidend" gewesen, teilte die Kanzlei Jordan Fuhr Meyer mit. Die Frau sei bereit gewesen, für ein Auto der "Blue Motion"-Reihe deutlich mehr zu bezahlen als für ein Fahrzeug mit Standardausstattung und fordere nun die Rückabwicklung des Kaufs. Eine Nachbesserung reiche "aus juristischer Sicht" nicht aus, sagte Rechtsanwalt Sascha Conradi. [ID:nL8N12733Q]
VW hat in den vergangenen Jahren Millionen Diesel-Fahrzeuge mit einer Software ausgestattet, die Abgaswerte manipulieren kann. Allein in Europa sind acht Millionen Fahrzeuge betroffen.
RÜCKRUF SOLL IM JANUAR STARTEN
Der Rückruf der betroffenen Autos soll im Januar starten. Die technische Beseitigung des Betrugs dürfe sich jedoch bis Ende nächsten Jahres hinziehen, sagte Müller der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Mittwochausgabe). Ein Grund seien verschiedene Kombinationen des betroffenen Motors EA 189 mit Getrieben sowie nach Ländern spezifische Auslegungen. "Wir brauchen also nicht drei Lösungen, sondern Tausende", sagte Müller. Für die meisten Motoren genüge ein Software-Update in der Werkstatt. Manche Fahrzeuge benötigten aber auch neue Einspritzsysteme und Katalysatoren. Notfalls müssten die Autos dafür umgebaut werden. Die Kosten trage Volkswagen. Auch ein Austausch von Autos gegen Neuwagen werde diskutiert.
Ein Grund für die Dauer zur Behebung der Manipulation ist Insidern zufolge auch, dass die Software erst entwickelt und getestet werden muss. Die notwendigen Updates wolle Volkswagen bis zur Jahresmitte 2016 auf die betroffenen Fahrzeuge in Europa aufspielen, sagten zwei mit dem Zeitplan vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Nachbesserungen an Hardware-Komponenten der Fahrzeuge dürften sich den Insidern zufolge bis in die zweite Jahreshälfte hinziehen.
Einzelheiten zur Umrüstung der betroffenen Diesel-Motoren will Volkswagen in den nächsten Tagen nennen. Der Autobauer habe dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) seine Pläne vorgelegt und werde nach der Zustimmung der Behörde informieren, sagte ein VW-Sprecher. Offen ist bislang, bei welchen Modellen ein Software-Update genügt und bei welchen tiefgreifendere Eingriffe nötig sind. Vom KBA war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Eine VW-Sprecherin für die USA sagte, die Maßnahmen müssten zuerst mit der Umweltbehörde EPA abgestimmt werden. Sie nannte dafür aber keinen Zeitrahmen.
Müller sagte, zur Behebung des Schadens habe VW in dieser Woche dem KBA technische Lösungsvorschläge vorgestellt. Nach aktuellem Kenntnisstand seien an den Manipulationen nur wenige Entwickler in Wolfsburg beteiligt gewesen. Bislang seien vier Mitarbeiter beurlaubt, "davon drei Vorstände, die zu unterschiedlichen Zeiten Verantwortung für die Motorenentwicklung bei Volkswagen hatten", führte Müller aus. "Andere sind teils schon in Pension."
Für die Zukunft des Autobauers zeigte sich Müller dennoch optimistisch: "Volkswagen hat unverändert eine starke Substanz und deshalb beste Aussichten, in zwei bis drei Jahren wieder zu glänzen. In dieser Krise steckt die Chance, die Strukturen von Volkswagen zu reformieren", sagte er.
Für die nächste Zeit ist der Konzern mit der technischen und juristischen Aufarbeitung des Skandals beschäftigt. Als nächstes muss der US-Chef von VW, Michael Horn, am Donnerstag wegen des Skandals vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses aussagen.