Reuters

Neue VW-Spitze will Abgas-Affäre "restlos" aufklären

07.10.2015
um 18:11 Uhr

Hamburg/Wolfsburg (Reuters) - Ein neues Führungsduo soll den wegen Abgas-Manipulationen ins Schlingern geratenen Volkswagen-Konzern in der Spur halten: Nur eineinhalb Wochen nach der Ernennung von Matthias Müller zum neuen Vorstandschef wählte der Aufsichtsrat am Mittwoch Hans Dieter Pötsch zum Vorsitzenden des Kontrollgremiums.

Der bisherige Finanzvorstand des Wolfsburger Autobauers versprach, die Aufklärung der Abgas-Affäre voranzutreiben: "Es ist mir ein persönliches Anliegen, alles zu tun, damit die Vorgänge restlos aufgeklärt werden." Er wolle einen Beitrag leisten, damit das Vertrauen von Kunden, der Öffentlichkeit, Anlegern und Geschäftspartnern in Volkswagen wieder wachsen könne. Vor dem Volkswagen-Konzern lägen große Herausforderungen.

Müller kündigte in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" Details zum Rückruf der betroffenen Diesel-Fahrzeuge an. Allein in Europa sind rund acht Millionen Autos von VW mit einer Software ausgestattet, die Abgaswerte manipulieren kann.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich optimistisch über die Aufklärungsbemühungen von VW. Sie habe den Eindruck, dass sich das Unternehmen um Transparenz bemühe, sagte die Kanzlerin vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Sie bat die Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, den Abgasskandal nicht zu nutzen, um das Auto generell zu verdammen. Eine solche Einstellung könne Tausende Arbeitsplätze in Europa gefährden. Harms hatte Merkel als "Autokanzlerin" bezeichnet und der CDU-Chefin vorgeworfen, auf EU-Ebene zu stark die Interessen der Automobilindustrie zu vertreten.

Der 64-Jährige Österreicher Pötsch löst den amtierenden Aufsichtsratschef Berthold Huber ab, der den Posten im April vorübergehend übernommen hatte. Firmenpatriarch Ferdinand Piech hatte sich nach einem verlorenem Machtkampf mit dem damaligen Konzernlenker Martin Winterkorn von allen Ämtern zurückgezogen. Zum neuen Finanzvorstand wurde Frank Witter bestellt, der bisher die VW-Tochter Financial Services leitet.

Pötsch ist bei Investoren jedoch nicht unumstritten. Einige Fondsgesellschaften und Analysten bemängeln, dass Volkswagen die Finanzmärkte erst spät über die Manipulationen informierte. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil stärkte Pötsch den Rücken. Die im Vorfeld geäußerte Kritik an Pötsch habe im Kontrollgremium natürlich eine Rolle gespielt, sagte er. Nach seiner Ernennung zum Mitglied des Aufsichtsrats durch das Amtsgericht Braunschweig sei jedoch "sehr klar, dass die vorgetragenen rechtlichen Bedenken nicht greifen".

Inzwischen steht Volkswagen auch schon eine erste Klage von einer Autokäuferin in Deutschland ins Haus. Für die Klägerin aus Köln seien die angeblich niedrigen Abgaswerte "kaufentscheidend" gewesen, teilte die Kanzlei Jordan Fuhr Meyer mit. Die Frau sei bereit gewesen, für ein Auto der "Blue Motion"-Reihe deutlich mehr zu bezahlen als für ein Fahrzeug mit Standardausstattung und fordere nun die Rückabwicklung des Kaufs. Eine Nachbesserung reiche "aus juristischer Sicht" nicht aus, sagte Rechtsanwalt Sascha Conradi. [ID:nL8N12733Q]

RÃœCKRUF SOLL IM JANUAR STARTEN

Der Rückruf der betroffenen Autos soll im Januar starten. Die technische Beseitigung des Betrugs dürfe sich jedoch bis Ende nächsten Jahres hinziehen, sagte Müller der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Mittwochausgabe). Ein Grund seien verschiedene Kombinationen des betroffenen Motors EA 189 mit Getrieben sowie nach Ländern spezifische Auslegungen. "Wir brauchen also nicht drei Lösungen, sondern Tausende." Für die meisten Motoren genüge ein Software-Update in der Werkstatt. Manche Fahrzeuge benötigten aber auch neue Einspritzsysteme und Katalysatoren. Notfalls müssten die Autos dafür umgebaut werden. Die Kosten trage Volkswagen. Auch ein Austausch von Autos gegen Neuwagen werde diskutiert.

Einzelheiten zur Umrüstung der betroffenen Diesel-Motoren will Volkswagen in den nächsten Tagen nennen. Der Autobauer habe dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) seine Pläne vorgelegt und werde nach der Zustimmung der Behörde informieren, sagte ein VW-Sprecher. Offen ist bislang, bei welchen Modellen ein Software-Update genügt und bei welchen weitere Eingriffe nötig sind.

Für die nächste Zeit ist der Konzern mit der technischen und juristischen Aufarbeitung des Skandals beschäftigt. VW-US-Chef Michael Horn muss am Donnerstag vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses in den USA Rede und Antwort stehen.

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039