Reuters

Preissturz bringt US-Ölbranche in Not - Pleitewelle droht

24.04.2020
um 08:27 Uhr

- von Jessica Resnick-Ault und David French

New York (Reuters) - Inmitten der schweren Turbulenzen am Ölmarkt wird die Luft für die US-Schieferölfirmen dünn.

Die Branche - von den Förderern über die Betreiber von Pipelines bis hin zu Raffinerien - sucht nach dem Kollaps der Preise nach frischem Geld und steht vor einem weitreichenden Umbau. Erschwert wird die Lage dadurch, dass schon vor der Coronavirus-Pandemie viele der Unternehmen auf hohen Schuldenbergen saßen. Die für die Energiefirmen zuständigen Anwälte bei der Kanzlei Haynes and Boone gehen davon aus, dass ungefähr jedes zweite der 60 wichtigsten US-Ölunternehmen auf zusätzliche Liquidität angewiesen ist. "Der Nachhall des Preiskollapses wird in der ganzen Branche zu spüren sein", sagt Buddy Clark, Partner der Kanzlei.

Der Schieferölboom hat die USA in den vergangenen Jahren zum weltweit wichtigsten Ölförderer gemacht - beim sogenannten Fracking wird das Öl mit Druck und Chemikalien aus dem Boden gelöst. Die Methode ist vergleichsweise aufwändig und teuer, auch wenn der technische Fortschritt die Kosten sinken lässt. Viele Firmen haben sich hoch verschuldet, um neue Lagerstätten zu erschließen, und Investoren kritisieren die mageren Gewinne. Für die Branche war die Lage schon vor der Coronavirus-Krise schwierig. Jetzt aber ist die Nachfrage nach Rohöl weltweit um 30 Prozent eingebrochen, weil der Flugverkehr fast zum Stillstand gekommen ist, Kreuzfahrten abgesagt wurden, Milliarden Menschen in ihren Häusern mehr oder weniger festsitzen und kaum noch reisen dürfen. Dazu kommt der Ölpreiskonflikt zwischen Saudi-Arabien und Russland, der den Preis zusätzlich unter Druck gesetzt hat. Eine Einigung zwischen den Opec-Staaten und Verbündeten wie Russland auf Förderkürzungen verpuffte.

Schnelle Rettung ist nicht in Sicht. Derzeit liegt die Nachfrage nach Treibstoffen in den USA ein Viertel niedriger als sonst. Zugleich sind die Lager bis zum Bersten gefüllt, und bis das Angebot zurückgeht, dürfte es Monate dauern. Aus einer Umfrage der Fed von Kansas geht hervor, dass fast zwei Fünftel der Energiefirmen binnen eines Jahres pleite gehen, wenn der Ölpreis bei etwa 30 Dollar je Barrel (159 Liter) liegt. Derzeit kostet leichtes US-Öl gerade einmal 15 Dollar. "Die Restrukturierungsexperten sind gerade sehr beschäftigt", sagt James West, Experte bei der Investmentbank Evercore ISI. "Ich denke, dass sie nicht nur in diesem Jahr beschäftigt sein werden - ich denke, das wird sich über mehrere Jahre hinziehen."

HOCHKONJUNKTUR FÜR SCHULDENBERATER

Firmen, die sich für Übernahmen verschuldet haben wie der Ölgigant Occidental Petroleum, suchen jetzt nach Wegen, ihre Aktionäre bei der Stange zu halten und Liquidität zu sichern. Eine Reihe von Unternehmen, die Finanzinvestoren gehören, stehen nach Informationen von mehreren Branchenexperten und Bankern, mit denen Reuters gesprochen hat, vor der Pleite. Große Banken bereiten sich darauf vor, Eigentümer von Öl- und Gasfeldern zu werden, die als Sicherheiten für Kredite hinterlegt wurden. Andere Schieferölfirmen dürften dem Vorbild von Whiting Petroleum folgen und in den kommenden Wochen Gläubigerschutz beantragen. Viele kleinere und mittlere Betriebe, wie Chesapeake Energy haben sich Schuldenberater geholt.

Nach Berechnungen der Ratingagentur Fitch könnte in diesem Jahr ein Fünftel aller Kredite an Ölfirmen ausfallen. Mit als erstes dürfte es nach Einschätzung von Bankern Pipelinebetreiber treffen, die in privater Hand sind: Schieferölförderer unter Gläubigerschutz dürften die Transportverträge aufkündigen und neu verhandeln, die auf Basis deutlich höherer Preise geschlossen worden seien, sagen die Haynes und Boone-Anwälte. Viele Ölförderer haben sich verschuldet, um Pipelines zu neuen Bohrlöchern zu finanzieren, die in der Hoffnung auf höhere Preise angelegt wurden, aber jetzt unprofitabel sind. Jetzt liegen die Kurse der Anleihen zwischen 40 und 50 Prozent des Nennwertes, tief in dem Bereich, der Probleme anzeigt.

Auch Raffineriebetreiber müssen kämpfen. PBF Energy hat im vergangenen Jahrzehnt ein Netzwerk von sechs Raffinerien aufgebaut; erst in diesem Jahr wurde ein Werk nahe San Francisco für knapp eine Milliarde Dollar übernommen. Nach dem Kurskollaps an den Aktienmärkten liegt der Börsenwert des Unternehmens inzwischen unter den Kosten für diese Übernahme. Kurzfristig sollen nun die Einnahmen aus dem Verkauf von Anlagen helfen, sagte eine mit einer Transaktion vertraute Person. Doch um das Unternehmen zu stabilisieren, sei eine höhere Nachfrage nötig. Das Unternehmen lehnte eine Stellungnahme ab.

CHESAPEAKE EN. DL-,01

WKN 885725 ISIN US1651671075