Reuters

VW-Betriebsrat geht auf Distanz zum Vorstand

07.11.2015
um 08:46 Uhr

- von Jan C. Schwartz

Hamburg (Reuters) - In der Krise bei Volkswagen droht der Betriebsrat dem Vorstand mit einem Bruch.

Betriebsratschef Bernd Osterloh warf dem Management um Konzernchef Matthias Müller und VW-Markenchef Herbert Diess einen Verstoß gegen Mitbestimmungsrechte vor. "Der Betriebsrat wird bewusst außen vor gelassen. Der Vorstand verkündet Sparmaßnahmen einseitig und ohne Grundlage", sagte Betriebsratschef Bernd Osterloh der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag. In einem Brief an die Belegschaft warnte Osterloh den Vorstand indirekt vor weiteren Konsequenzen: "Wer die Axt bei Volkswagen an die demokratischen Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten legen will, der gefährdet den sozialen Frieden und die Zukunftsfähigkeit unseres Unternehmens." Damit kündigt sich ein Ende der jahrzehntelang auf Konsens zwischen Arbeitnehmern und Konzernführung angelegten Unternehmenskultur in Wolfsburg an.

"Wir erleben derzeit, wie der Vorstand agiert und dabei die Interessen der Beschäftigten vollkommen außer Acht lässt", sagte Osterloh. In einer solchen Situation lasse er die Beschäftigten nicht allein, die ihn gewählt hätten. Ein Wechsel auf den Posten des Personalvorstands komme für ihn daher nicht infrage. Osterloh war als Kandidat für die Nachfolge von Personalvorstand Horst Neumann gehandelt worden, der demnächst in den Ruhestand wechseln soll. Bei der Besetzung dieses Postens hat die IG Metall ein entscheidendes Wort mitzureden. Mehr als 90 Prozent der VW-Beschäftigten sind in der Gewerkschaft organisiert.

Den Vorstand forderte Osterloh auf, umgehend Verhandlungen über die geplanten Einsparungen aufzunehmen. Angesichts der zusätzlichen finanziellen Belastungen wegen falscher Angaben über CO2-Werte wachse in der Belegschaft die Sorge, wie es mit Volkswagen weitergehe. Bislang gebe es vom Vorstand jedoch nur Einzelmaßnahmen, ein Gesamtkonzept zur Bewältigung der schwersten Krise seit Bestehen des Unternehmens fehle.

Der Betriebsrat stehe dazu, die schwierige Situation gemeinsam mit dem Management zu meistern, betonte Osterloh. Dazu gehöre jedoch, dass der Vorstand ohne weiteres Zögern mit der Arbeitnehmervertretung über die Pläne für Kürzungen oder Verschiebungen von Investitionen, die Auslastung der Werke und die beschleunigte Umsetzung Effizienzprogramm diskutiere. Nur so ließen sich die Auswirkungen des Skandals für die Beschäftigten absehen.

SCHARFE KRITIK VON KALIFORNISCHER UMWELTBEHÖRDE AN VW

Derweil machte die kalifornische Umweltbehörde CARB deutlich, dass Volkswagen wegen der Manipulation von Diesel-Emissionswerten in den USA mit hohen Strafen rechnen muss. "Es ist eine sehr schwerwiegende Sache, die sicherlich zu sehr hohen Strafen führen wird", zitierte die "Wirtschaftwoche" Behördenchefin Mary Nichols. Der Fall sei der größte, unmittelbare Verstoß gegen Gesetze, den sie jemals aufgedeckt habe. Volkswagen hatte nach monatelangem Tauziehen mit den amerikanischen Umweltbehörden zugegeben, Abgaswerte mittels einer Software manipuliert zu haben. Der Fall war im September durch die US-Umweltbehörde EPA bekannt gemacht worden. In den USA drohen Volkswagen deshalb umgerechnet bis zu 16 Milliarden Euro Strafe.

Die Höhe der Geldbuße hängt Nichols zufolge davon ab, wer im VW-Management in die Entscheidungen zur Manipulation eingebunden war. Einfluss werde zudem haben, welche substanziellen Maßnahmen der Wolfsburger Konzern vorschlage, um das Problem zu hoher Emissionen abzustellen. Dabei spiele auch eine Rolle, "ob sie nur PR-Kampagnen starten, die zeigen sollen, dass sie eigentlich gute Leute sind", sagte Nichols. Sie kritisierte den Umgang von VW mit dem Abgasskandal. Das Unternehmen habe seit Bekanntwerden der Manipulation nicht adäquat reagiert. "Sie haben Rückstellungen für den finanziellen Schaden gebildet und haben eine Untersuchung gestartet. Ihnen geht es dabei darum, sich den Aktionären gegenüber gut darzustellen."

Das California Air Resources Board (CARB) hatte zusammen mit der Bundesumweltbehörde EPA den VW-Skandal durch eigene Ermittlungen aufgedeckt und VW zu Zwangsmaßnahmen verpflichtet.

VOLKSWAGEN STEHT FÜR KFZ-MEHRSTEUERN GERADE

VW kündigte zudem an, mögliche Nachzahlungen bei den Kfz-Steuern wegen manipulierter Angaben zum CO2-Ausstoß selbst zu bezahlen. "Der Volkswagen Konzern wird dafür einstehen, dass etwaige Mehrsteuern ausgeglichen werden", schrieb Müller in einem Brief an die EU-Finanzminister, der Reuters vorlag. "Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn auch Sie bereit wären (...) sicherzustellen, dass die zuständigen Steuerbehörden nicht unsere Kunden, sondern Volkswagen direkt mit etwaigen Mehrsteuern belasten."

VW hatte eingeräumt, dass bei rund 800.000 Autos zu niedrige CO2-Werte angegeben und damit falsche Verbrauchsversprechen gemacht zu haben. Da die Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland auch nach dem Kohlendioxid-Ausstoß berechnet wird, drohen den Besitzern Nachforderungen des Fiskus. Das Finanzministerium wollte sich dazu nicht äußern.

Volkswagen AG Vz.

WKN 766403 ISIN DE0007664039